Menschen

Auf Facebook Marketplace kann man Drogen und getragene Unterwäsche kaufen

Außerdem: lebende Schlangen, das Abnehmmittel Ozempic und Escortservices.
Eine Collage, auf dem ein Mann mit Zylinder, langem Mantel und maskiertem Gesicht zu sehen ist. In dem Artikel geht es um Facebook Marketplace.
Illustration: Eric Bubas

Bei Facebook Marketplace denkt man an kaputte iPods, abgenutzte secondhand-Air Force oder den Vintage-Couchtisch, den Tante Frieda für "ein irres Schnäppchen" hält. Im Prinzip an einen riesigen Wohlfahrtsladen im Internet, nur ohne die Wohlfahrt.

Wenn man aber etwas tiefer schürft, findet man dort noch ganz andere Sachen: Magic Mushrooms, lebende Schlangen, Kokain, getragene Unterwäsche, Gras, das Abnehmmittel Ozempic, Escortservices und Betrugsmaschen.

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Auch bei VICE: Ein Facebook-Moderator über menschliche Abgründe


Facebook Marketplace hat eine riesige Reichweite. Bei über einer Milliarde aktiven Konten und einem System, bei dem man direkt und oft bar bezahlt, ist es kein Wunder, dass Drogendeals und Sexarbeit bei Facebook beworben werden. Allein im Großraum Berlin haben wir bei einer Suche nach "Mushrooms" mindestens fünf Angebote der psychedelischen Arten gefunden. Zumindest legen das die Anzeigen nahe.

Jack ist Pilzhändler bei Facebook Marketplace. Seine Anzeige mit dem unschuldigen Titel "Mushrooms" zeigt verschiedene Sorten auf Waagen, unter anderem eine mit dem schönen Namen "Albino Penis Envy". Spätestens nach Aufrufen des Posts steht fest, dass hier nicht versucht wird, getrocknete Steinpilze für einen Wucherpreis von 230 Euro zu verscherbeln. In der Beschreibung steht klar und deutlich: "psychedelische Pilze auf Lager".

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Screenshot von Facebook Marketplace

"Es ist genau wie Pizza bestellen", erzählt Jack (wie alle in diesem Artikel tritt er anonym auf). Er verkauft auf Facebook, weil es eine der größten und ältesten Social-Media-Plattformen ist. In seiner Anzeige ist eine Gegend außerhalb von Manchester angegeben, aber er betont, dass er schnell überallhin liefern kann: "Wir haben unsere Methoden und Connections, und überall Runner."

Selbst mit einem anonymisierten Profil ist der Verkauf über Facebook für Jack nicht ganz unbedenklich: "Es ist riskant. Die Beschränkungen von Facebook, Polizei und Junkies sind auch ein großes Problem … Manche geben falsche Übergabestellen an, um einen abzuziehen und mit der Ware zu verschwinden … Manche behaupten, sie hätten Geld, aber sobald man da ist, sieht es ganz anders aus." 

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Auch Danny bietet psychedelische Drogen auf Facebook an. "Der Großteil meiner Stammkundschaft kommt von hier", sagt er über Facebook Marketplace. Einmal wurde er erwischt, als sich ein Polizist als Kunde ausgab. "Wir sind diskret, aber viele Polizisten geben sich bei uns als Kundschaft aus … Deshalb mache ich keine persönlichen Treffen mehr. Alle Bestellungen werden an den gewünschten Ort geliefert. Ich lass das Zeug da und hau aus Sicherheitsgründen sofort wieder ab."

Es lauern auch echte Gefahren

Dass sich Dealer und Kunden gegenseitig betrügen, ist nichts Neues. Auf Marketplace gibt es aber auch noch dunklere Seiten: In einigen Fällen haben Menschen die Plattform genutzt, um andere in die Falle zu locken. 2021 machte Facebook Schlagzeilen, nachdem die 54-jährige Denise Williams aus Pennsylvania bei einem Treffen mit einem Mann erstochen wurde, der vorgab, einen gebrauchten Kühlschrank zu verkaufen. 

Glücklicherweise überstand der 36-jährige Facebook-Nutzer Alex sein Treffen mit einem Betrüger noch relativ unbeschadet. Er wurde an einen Ort gelockt, wo er eine Kaffeemaschine kaufen wollte. Die Situation artete schnell aus, als er von einem Mann mit einer Skimaske begrüßt wurde. "Er zog ein großes Messer, wahrscheinlich 12 bis 15 Zentimeter lang, hielt es mir an den Bauch und drängte mich in eine Gasse", erzählt er. "Ich gab ihm die 200 Britischen Pfund, die ich [für die Kaffeemaschine] mitgebracht hatte, meinen Geldbeutel und meine Autoschlüssel." Noch immer nicht zufrieden, habe der Mann mehrmals gedroht, ihn abzustechen. Dann habe er verlangt, dass Alex seine iCloud entsperrt – damit sein Telefon leichter zu verkaufen wäre – und sei schließlich gegangen.

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"Ich muss 'Unterwäsche' schreiben, nicht 'getragene Unterwäsche'"

Auch die Verkaufenden können betrogen werden, besonders, wenn ihre Angebote nicht den Regeln von Meta entsprechen: keine sexuellen Dienstleistungen, keine Drogen, keine menschlichen Körperteile oder -flüssigkeiten, keine gefährlichen Güter und so weiter.

Eine Suche nach "Unterwäsche" in Berlin liefert mindestens 20 Anzeigen für getragene Unterwäsche, häufig mit dem Angebot auf "individuelle Wünsche" einzugehen. Die 21-jährige Londonerin Rachel verkauft Nacktbilder und getragene Unterwäsche. Sobald ihr jemand eine Nachricht schreibt, schickt sie eine Preisliste: Getragene Unterwäsche kostet 2 Euro, wenn sie sie beim Sex anhatte, steigt der Preis auf 55 Euro. 20 Nacktbilder verkauft sie für 30 Euro, ein zehnminütiges Sexvideo für 35 Euro. Sexting kostet 30 Euro, dafür kann man zehn Minuten mit Rachel schreiben.

"Ich darf nicht bewerben, dass ich Nacktfotos und so verkaufe", sagt sie. "Ich muss 'Unterwäsche' schreiben, nicht 'getragene Unterwäsche', sonst wird es runtergenommen." Sie stellt die Angebote mit einem Bild von sich online, damit ihre potenzielle Kundschaft versteht, was gemeint ist.

Rachel sagt, sie sei eine der wenigen Menschen auf Facebook, die Sexarbeit anbieten und auch tatsächlich erbringen. "Es gibt hier viele Fake-Verkäufer. Deshalb ist es schwer, die Leute dazu zu bringen, mir zu vertrauen und wirklich Geld zu schicken", sagt sie. "Ich könnte ihnen einfach nichts schicken, sobald ich das Geld bekommen habe."

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Angebote für getragene Unterwäsche bei Facebook Marketplace

Screenshot von Facebook Marketplace

Egal ob man Drogen oder Nacktfotos verkauft, die Regeln des Marketplace zu brechen, kann einen noch anfälliger für Betrüger machen. "Manchmal bezahlt die Person und ich schicke ihr die Fotos oder Videos, aber dann meldet sie sich bei der Bank oder bei PayPal und behauptet, sie hätte nichts erhalten", sagt Rachel. "Ich kann nicht wirklich beweisen, dass ich etwas geschickt habe, weil ich da nackt bin und das gegen die Regeln verstößt."

Weniger Konkurrenz als bei OnlyFans

Trotz der fehlenden Schutzmechanismen findet Rachel die Plattform besser als die meisten gängigen Seiten. "Ich benutze Facebook Marketplace, weil es da weniger Konkurrenz gibt als bei OnlyFans, und ich muss keine Nacktbilder von mir posten, um Leute anzulocken. Ich fände es nicht so toll, wenn Leute einfach Fotos von mir haben könnten, ohne dafür zu bezahlen. Wenn ich auf OnlyFans regelmäßig Selfies posten würde, hätte ich keine Subscriber, aber auf Facebook scheinen viel mehr Menschen Sachen kaufen zu wollen."

Auch wenn Rachel auf Marketplace viele Möglichkeiten hat, Geld zu verdienen, fühlt sie sich dort nicht immer sicher. "Ich werde oft bedroht und beleidigt, was nicht immer schön ist, aber es gehört einfach zum Job", sagt sie. "Ich bekomme Angebote, mich mit Leuten für Sex zu treffen, aber das ist mir viel zu unsicher."

Meta lies unsere Fragen zu Betrug, Drogendeals und Sexarbeit auf Facebook Marketplace unbeantwortet. Dass die Plattform für den Verkauf illegaler Substanzen und Dienstleistungen genutzt wird, ist aber nicht neu. Nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung des neuen Features im Jahr 2016 tauchten dort Drogen und Waffen im Angebot auf. Facebook musste eine Entschuldigung veröffentlichen und schob einen technischen Fehler vor – der auch sieben Jahre später noch nicht gelöst zu sein scheint. 

Damals äußerte sich Facebook: "Wir arbeiten daran, das Problem zu beheben und werden unsere Systeme genau überwachen, um sicherzustellen, dass wir Verstöße ordnungsgemäß identifizieren und entfernen können, bevor mehr Menschen Zugang zum Marketplace erhalten."

Durch eine Kombination aus diskreten Formulierungen und suggestiven Bildern finden Drogendealerinnen und Sexarbeiter immer noch Wege, mit ihrer Kundschaft in Kontakt zu treten, ohne eindeutig gegen die Regeln zu verstoßen. Wenn deine Mutter also das nächste Mal ein fancy Risotto kochen will, sag ihr vielleicht, dass diese getrockneten Pilze auf Marketplace in Wahrheit keine Kräuterseitlinge sind.

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