Ein Mann steht neben eine Anhänger mit Lautsprechern und einem "Free Party is not a crime"-Banner, in Italien haben Tausende Menschen gegen das Anti-Rave-Gesetz der Regierung demonstriert.
Alle Fotos: Isabel Farrington
Politik

Fotos: In Italien sind Raves jetzt illegal, die Leute feiern trotzdem

Seit Dezember drohen Organisatoren illegaler Raves in Italien schwere Strafen. In Bologna protestierten Tausende Menschen mit einer großen Party.

Im April zogen 15.000 Technofans durch Bologna. Menschen kletterten auf Laternenmasten, Bässe dröhnten durch das historische Stadtzentrum. Partys sind eigentlich nichts Besonderes in der norditalienischen Stadt. In Bologna steht Italiens bekannteste Uni, entsprechend groß ist der Anteil junger Menschen in der Stadtbevölkerung. Aber dieser Rave war anders. Unter dem Namen Smash Repression Bologna hatten verschiedene Gruppe zum Protest gegen die Regierung aufgerufen.

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Im Dezember hatte die rechte Regierungskoalition unter der Führung der Postfaschistin Giorgia Meloni das "decreto anti-rave" verabschiedet. Unter dem Gesetz können Personen, die unangemeldete Partys für mehr als 50 Menschen veranstalten, mit bis zu sechs Jahren Gefängnis und Geldbußen von bis zu 10.000 Euro bestraft werden. Es erlaubt außerdem der Polizei, mutmaßliche Organisatorinnen und Organisatoren solcher Partys zu überwachen und ihre Telefone abzuhören.

Links: Männer vor einem Ständer mit Verstärkern, Rechts: Eine Frau in einem bunten Rave-Outfit

Seit den 90ern gibt es in Italien eine lebendige Freetekno-Szene. Kollektive veranstalteten damals Partys in den vielen leerstehenden Fabriken. Britische Gruppen kamen hinzu, als etwa zur selben Zeit in ihrer Heimat strengere Gesetze erlassen wurden. Trotz Melonis Anstrengungen spielen Free Raves in der italienischen Partykultur bis heute eine wichtige Rolle.

Einer der Organisatoren von Smash Repression Bologna, der hier aus Sicherheitsgründen nur Gavi genannt werden möchte, sagte uns: "Wir wollen zeigen, dass wir das Anti-Rave-Gesetz ablehnen. Wir halten es für komplett verfassungsfeindlich. Es wurde verabschiedet, um die Freiheit zur freien Entfaltung zu demontieren und uns davon abzuhalten, an öffentlichen Orten zusammenzukommen. Durch die Unterdrückung der Free Partys und Festivals in Italien versuchen sie, die Menschen zu kriminalisieren, die sich außerhalb ihrer engstirnigen Vorstellung von Normalität bewegen."

Eine menge läuft tanzend hinter einem Lastwagen, auf dem ein Soundsystem installiert ist

Die aktuelle politische Aufregung um Free Raves in Italien begann 2021, als ein Brite in einem See in der Nähe eines illegalen Raves ertrank. Obwohl seine Familie beteuerte, dass sein Unfall nichts mit dem Rave zu tun hatte, begannen die Medien, den Drogenkonsum und den Vandalismus von öffentlichem Eigentum anzuprangern, der mit diesen Partys assoziiert wird. 

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Bei der Demo in Bologna tanzte auch die 19-jährige Syria aus Puglia mit ihren Freundinnen durch die Straßen. Im Gegensatz zu den italienischen Medien beschrieb sie die Atmosphäre bei der Party als "wunderschön".

"Es ist superfriedlich und ich habe das Gefühl, ich selbst sein zu dürfen, ohne dafür von anderen verurteilt zu werden", sagt sie. "Das ist eine super Art, um für unsere Rechte zu kämpfen, ohne zu sehr in die restliche Gesellschaft einzugreifen. Wir spielen nur Musik und tanzen." 

Von Meloni hält Syria nichts. "Die jüngere Generation wird von ihr ständig vergessen. Wir werden wie Scheiße behandelt, unsere Rechte sind ihr egal."

Gruppenfoto mit vier jungen Frauen in Rave-Outfits

Das Anti-Rave-Gesetz ist vor allem eine Bedrohung für die Partykultur in Italien, aber einige befürchten, dass seine vage Definition eines Raves auch dazu verwendet werden kann, persönliche Freiheiten und das Demonstrationsrecht einzuschränken.

Der Turiner Strafrechtler Nicolò Bussolati hat schon einige Menschen verteidigt, denen die Organisation illegaler Raves vorgeworfen worden war. Er sagt, das strenge neue Gesetz werde sich negativ auf die Leben seiner Mandaten auswirken.

"Die neue Gesetzgebung fördert die Vorstellung, dass Menschen, die Raves organisieren oder an ihnen teilhaben, Schwerverbrecher sind und weggesperrt werden sollten", sagt er. "Natürlich kann es Drogen bei diesen Raves geben, genauso wie in Clubs oder bei Festivals. Aber in den allermeisten Fällen sind das einfach nur sehr junge Leute, die sich treffen und tanzen wollen." 

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Bussolati findet, dass Italien ganz andere Probleme habe, für die es die Zeit, das Geld und die Energie aufbringen sollte, mit der gerade illegale Raves verfolgt werden.

Ein junger Mann klettert auf einen historischen Laternenmast

Die Demo in Bologna verlief größtenteils friedlich. Auch Harm Reduction spielte eine große Rolle. Helferinnen und Helfer waren mit roten Armbändern für alle erkennbar. Zwischen den Trucks mit den Soundsystemen fuhr auch ein Van des Harm-Reduction-Projekts Lab 57 mit. Dort konnte man medizinische Hilfe bekommen oder anonym und kostenlos seine Drogen auf ihre Inhaltsstoffe testen lassen.

Free Partys bedeuten vielen in Italien aber noch viel mehr, als einfach nur zu Musik zu tanzen. Für sie sind sie ein Zufluchtsort vor der Mainstreamgesellschaft und kommerziellen Clubs, in denen sie sich häufig unsicher fühlen.

Links: Ein Einkaufswagen mit dem Schild Bar, rechts: Bereitschaftspolizisten warten

Martina ist 22 und studiert in Bologna. "Das sind Orte, an dem ich Musik hören kann, ohne belästigt zu werden", sagte sie. "In Italien zahlen Frauen häufig weniger Eintritt in Clubs. Dann werde ich Teil eines Unterhaltungspakets für Männer, ich werde zum Objekt. Das ist bei diesen Raves nicht so. Sie sind kostenlos und niemand profitiert von deinem Körper."

Die ursprünglich aus der naheliegenden Kleinstadt Faenza stammende Martina wurde vor Kurzem Opfer von Rachepornografie. Jemand aus ihrer Heimatstadt hatte ihre Nacktbilder ohne Einwilligung verbreitet. Die Freunde und die Gemeinschaft, die sie in der Raveszene von Bologna gefunden hatte, halfen ihr dabei, rechtlich gegen die Täter vorzugehen.

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Links: Ein Banner mit italienischen Slogans, rechts: ein junger Mann redet auf einer Demonstration

"Wir wissen, dass das italienische System nicht für uns arbeitet", sagt sie. "Wenn wir zu diesen Partys gehen, die häufig feministisch ausgerichtet sind, können wir Teil einer politischen Bewegung sein, die sich gegen das Patriarchat und die Unterdrückung durch die Regierung wehrt."

Da, wo Party und Regierungsprotest eins werden, haben die Behörden es etwas schwerer, ihr neues Gesetz durchzusetzen, ohne das Demonstrationsrecht einzuschränken. Das war dann auch die Message im April in Bologna: Ihr könnt die Party nicht aufhalten.

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