Prigoschin in Militärkleidung vor einer seiner Illustt
Bild: Hintergrund: Moscow Times | Vordergrund: IMAGO / ZUMA Wire
Politik

Anführer der Söldner-Armee Wagner: Jewgeni Prigoschin ist Kinderbuchautor

Ein Mann mit vielen Talenten: Spionieren, Rekrutieren, Hetzen, Kochen und Kinderbücher schreiben.

Jewgeni Prigoschins Biografie liest sich wie ein Fiebertraum. Wegen Diebstahl saß er neun Jahre im Knast, wurde nach seiner Freilassung zuerst "Putins Koch", dann Putins Spion, dann Oberhaupt der paramilitärischen Gruppe Wagner – die bis zum letzten Wochenende zu Putins wichtigsten Verbündeten im Angriffskrieg gegen die Ukraine gehörte. Und jetzt nach seinem gescheiterten Putschversuch ist er Putins größter Feind. Das will was heißen. Aber Prigoschin ist nicht nur Anführer einer Kriegsverbrechertruppe. Er soll auch ein Kinderbuchautor sein und sein Märchen womöglich sogar selbst illustriert haben.

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Laut Moscow Times hat Prigoschin 2004 zusammen mit seinen beiden Kindern Polina und Pavel ein Kinderbuch namens Indraguzik geschrieben und davon 2.000 Exemplare an Freunde und Bekanntschaften verschenkt. Cute! 

Das 90-seitige Buch enthalte Illustrationen, die Prigoschin selbst zugeschrieben werden. Weitere Belege für seine Kunstfertigkeit liegen der Moscow Times jedoch nicht vor.

Der Plot – Im Märchen und in der Wirklichkeit

In der Geschichte geht es um den kleinen Jungen Indraguzik, der mit seiner Familie im Inneren eines Kronleuchters in einem Theater lebt. Indraguzik fällt eines Tages vom Kronleuchter herunter und versucht, den Weg nach Hause zurückzufinden. Die Familie gehört zum Volk der "Kleinen Leute". Sie sind viel kleiner als normale Menschen, was die Reise des kleinen Jungen in der Welt der Großen sehr beschwerlich macht. 

Wahrscheinlich nicht so beschwerlich wie das Leben der von Prigoschin für Wagner rekrutierten Strafgefangenen, die seit Monaten als Kanonenfutter im Krieg gegen die Ukraine verheizt werden. Aber eben doch beschwerlich!

Auf seinem Abenteuer stößt Indraguzik auf den kleinen alten Mann Gagarik, der ihm Suppe gibt und ihm hilft. Sehen wir hier eine Parallele zu Prigoschin selbst? Schließlich war er selbst Restaurantbesitzer und Caterer und hat sogar Putin persönlich bedient. Natürlich konnte er damals noch nicht wissen, dass er irgendwann seine eigene Suppe im belarussischen Exil würde auslöffeln müssen. 

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Links ein laufender Mensch. Im Inneren der umgeschlagenen Hose sind zwei kleine Figuren. Rechts schläft eine kleineFigur auf einem Nähgarn. Eine große Menschenhand tippt ihn an.

Gagarik und Indraguzik lassen sich im Hosenkrempel durch die Gegend tragen (l.). Gagarik braucht ein Päuschen. Oh, eine Menschenhand! | Foto: Moscow Times

Im Laufe der Geschichte stoßen Indraguzik und Gagarik auf einen normal großen Menschenjungen. Dieser setzt Indraguzik auf einen Luftballon, der den kleinen Jungen zurück zu seiner Familie bringt. Herzerwärmend. 

Die Minderjährigen, die von der Gruppe Wagner hingerichtet worden sein sollen, wären wohl auch gern auf einem Luftballon davongeflogen. Von diesem und weiteren Kriegsverbrechen berichteten die ehemaligen Wagner-Söldner Azamat Uldarov und Aleksey Savichev. Demnach soll Wagner auch Kriegsgefangene getötet haben. Und es habe Anweisungen gegeben, ganze Ortschaften zu "säubern".

Na ja, weiter im Text.

Später in der zauberhaften Geschichte stellt sich heraus, dass der Kronleuchter der Familie magisch ist. Er kann kleine Menschen auf die Größe von normalen Menschen vergrößern. Indraguzik vergrößert ausgerechnet den König der kleinen Menschen mit seinem magischen Kronleuchter-Zuhause. Leider zu doll und der König wird zum Riesen. Er sieht aus wie ein richtiger Troll!

Links guckt ein Mensch mit Brille zwei kleine Figuren an und lächelt. Rechts erhebt sich ein riesiger Mann über eine Menschenmenge.

Gagarik und Indraguzik treffen auf den Menschenjungen (l.). Der Riesenkönig guckt bedröppelt, weil er wieder klein sein möchte | Foto: Moscow Times

OK, die Überleitung ist gebaut, aber wisst ihr, wer wirklich ein Troll ist: Prigoschin. So ist Prigoschin selbst nicht nur Wagners Oberhaupt, sondern auch der russischen Internet-Trollarmee Internet Research Agency (IRA), die online Falschmeldungen verbreitet. Inhaltlich geht es den Trollen vor allem um die Diffamierung des Westens, Hetze gegen Donald-Trump-Gegner und prorussische Propaganda. 

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Märchen teilen die Welt in Gut und Böse ein. Dass das Quatsch ist, wissen wir alle. Es gibt niemanden, der nur gut oder nur böse ist. Den besten Beweis dafür bietet der selbst zu 99 Prozent böse Prigoschin mit seinem sweeten Kindermärchen. Auf der Innenseite des Buchumschlags wird's nochmal extra wholesome: Ein Familienfoto der Prigoschins. 

Familie Prigoschin liest zusammen in einem Buch.

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Und die Moral von der Geschicht: Auch skrupellose Kriegstreiber können süß sein. Oder, wie es ein Kommentator gegenüber der Moscow Times ausdrückte: "Er ist eben eine vielfältige Persönlichkeit, die nach Selbstverwirklichung strebt. Solange gut sein in Mode war, war er gut. Aber dann kam die Zeit für das Böse, und er wurde böse."

Und wenn Jewgeni Prigoschin von Wladimir Putin noch nicht um die Ecke gebracht wurde, dann lebt er noch heute. Fragt sich nur, wie lange noch. 

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