Illustration des Coca Buton Logos mit dem hellgrünen Likör, der Schnaps wird bis heute mit Kokablättern gebrannt
Illustration: Juta
Drogen

Wie Koka zu einer beliebten Zutat für alkoholische Getränke wurde

"Kokablätter waren quasi das Red Bull des 19. Jahrhunderts." – Fulvio Piccinino
Giorgia Cannarella
Bologna, IT
Juta
illustriert von Juta

Als ich davon hörte, dass in Italien Schnaps mit Extrakt aus Kokablättern gebrannt wird, hatte ich eine halbseidene Destille vor Augen. Aber die Macher von Coca Buton operieren ganz legal und betreiben ein kleines Unternehmen in San Lazzaro di Savena, einer Gemeinde an den Ausläufern von Bologna.

Das Unternehmen wurde vor Kurzem von Amaro Montenegro gekauft, einer berühmten italienischen Schnapsmarke aus der gleichen Gegend. Die Geschichte von Coca Buton reicht zurück bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, als Kokablätter in Europa und den USA für kulinarische Experimente verwendet wurden. Die Menschen im Westen waren fasziniert davon, wie die indigene Bevölkerung von Peru, Bolivien und Kolumbien die Pflanze als Medizin und gegen Müdigkeit nutzt.

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In den 1850er Jahren extrahierten Chemiker den aktiven Bestandteil aus den Kokablättern, welchen der deutsche Chemiker Albert Niemann schließlich Kokain taufte. Zur gleichen Zeit begann der französische Chemiker Angelo Mariani, einen Wein mit Extrakt aus Kokablättern zu brauen, welchen er als Vin Mariani vermarktete. Der Drink war nur einer von vielen Kokaweinen jener Zeit, fand aber viele prominente Fans, darunter Königin Victoria, Papst Leo XIII. und diverse Künstlerinnen und Schriftsteller.

Inspiriert vom großen Erfolg des Vin Mariani entwickelte der US-Apotheker John Pemberton in Georgia ein ähnliches alkoholisches Getränk: Pemberton's Wine Coca. Da allerdings kurz darauf in seinem County ein Prohibitionsgesetz verabschiedet wurde, änderte Pemberton im Jahr 1885 die Rezeptur. Das Kokain war kein Problem, aber der Alkohol musste raus. Der aufputschende Sirup bildete den Grundstein für Coca-Cola.

"Kokablätter waren quasi das Red Bull des 19. Jahrhunderts", sagt Fulvio Piccinino, ein ehemaliger Bartender und Gründer des italienischen Spirituosen-Website Sapere Bere. In anderen Worten: Wenn du Ende des 19. Jahrhunderts ein Getränk mit belebenden Eigenschaften kreieren wolltest, war es ganz normal, als Zutat Kokablätter zu nehmen.

In dieser experimentierfreudigen Zeit erfand auch der Abkömmling einer französischen Schnapsbrenner-Familie, der bei Bologna wohnte, Jean Buton, den Likör Coca Buton.  

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In der Zwischenzeit wurde in den USA Coca-Cola – mittlerweile im Besitz von Asa G. Candler, der das Rezept von Pemberton gekauft hatte – in Flaschen verkauft und war damit auch für Schwarze zugänglich, die nicht an den sogenannten Soda Fountains trinken durften, wo das Getränk bei der weißen Mittelschicht extrem populär geworden war. Historikerin Grace Elizabeth Hale beschrieb 2013 in einem New York Times-Artikel, wie diese Veränderung im US-amerikanischen Süden in der Presse und der Öffentlichkeit zu Bedenken über das Getränk führte – angetrieben von einer rassistischen Hysterie um afro-amerikanischen Drogenkonsum.

Als Antwort darauf sowie neue Gesetze begannen Candler und seiner Angestellten 1903, die Rezeptur zu überarbeiten – elf Jahre, bevor Kokain in den USA offiziell verboten wurde. Mit der Zeit verringerte das Unternehmen die psychotropische Wirkung der Pflanze in seinem Produkt und eliminierte sie schließlich komplett. Man geht allerdings davon aus, dass sich noch bis 1929 Kokain in Coca-Cola befunden hat.

International wurde Kokain erst 1961 verboten. Für Coca Buton änderte das allerdings nicht viel, da der Destillationsprozess die psychotrope Wirkung der Pflanze ganz natürlich eliminiert.

Eine ehemalige Mitarbeiterin von Amaro Montenegro, die anonym bleiben möchte, sagt, dass die Herstellung des Likörs unter strenger Aufsicht geschehe. "Die Kokablätter werden aus Bolivien und Peru importiert und in einem Safe aufbewahrt", berichtet sie. "Sobald wir das Aroma extrahiert haben, werden die Blätter an die Guardia di Finanza gegeben, eine Spezialeinheit der italienischen Polizei. Dort werden sie einzeln gezählt."

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Coca Buton ist nicht der einzige Schnaps, der streng reguliert wird – bei Absinth sieht es ähnlich aus. Einer seiner Hauptzutaten, das ätherische Öl des Wermuts, enthält die Substanz Thujon, die in großen Mengen toxisch wirkt. Sie ist der Grund, warum das Getränk Anfang des 20. Jahrhunderts einen schlechten Ruf bekam. Allerdings scheint es heutzutage viel wahrscheinlicher, dass Absinth seine berühmte halluzinatorischen Eigenschaften durch seinen hohen Alkoholgehalt erhält, der in der Regel bei 70 Prozent liegt.

Heutzutage ist Coca Buton nicht besonders beliebt, vielleicht auch weil der Likör etwas altmodisch schmeckt. Er ist hellgrün, dick, sehr aromatisch und süß. "Es ist wie Absinth. Die Leute erwarten wegen seiner Geschichte viel von ihm, aber es ist einfach ein Digestif", erklärt Piccinino. "Es ist keine gute längerfristige Strategie, deinen Schnaps nur mit seinem vermeintlich verbotenen Anreiz zu bewerben."

Kurz gesagt: Coca Buton ist nicht so wild, wie es klingt. Der Likör hat allerdings international ein paar Cousins. Dazu gehören Agwa de Bolivia, ein Schnaps aus bolivianischen Kokablättern, der in Amsterdam hergestellt wird, und Amuerte, ein belgischer Gin mit Kokablättern. 2017 feierte selbst Vin Mariani ein Comeback – allerdings ohne Kokain. 102 Jahre nach seinem Verbot.

Über die Jahrzehnte hat sich auch unser Verständnis davon verändert, wie der Wirkstoff in Kokablättern das menschliche Gehirn beeinflusst. Inzwischen wissen wir, dass Kokablätter nicht suchterregend sind, wenn sie in ihrem natürlichen Zustand gekaut werden. Anfang des 20. Jahrhundert war die Unterscheidung noch nicht so klar.

2011 bemühte sich Boliviens Regierung um eine Änderung des UN-Drogenabkommens, um das Kauen von Kokablättern zu legalisieren. Viele Interessenverbände argumentieren, dass dieses Verbot auf überholten wissenschaftlichen Studien und einer rassistischen Wahrnehmung indigener Bräuche beruhe.

Und auch wenn Coca Buton am Ende nur ein Likör ist, repräsentiert er eine Zeit, in der im Westen unbekümmert mit den Eigenschaften und Bestandteilen der Kokapflanze experimentiert wurde.

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