Converge-Sänger Jacob Bannon über die acht Studioalben der legendären Hardcoreband

FYI.

This story is over 5 years old.

Rank Your Records

Converge-Sänger Jacob Bannon über die acht Studioalben der legendären Hardcoreband

"Was zur Hölle soll das sein?" – Der Frontmann blickt auf 27 Jahre Bandgeschichte und die irritierten Reaktionen auf ihr Kult-Album 'Jane Doe' zurück.

Jacob Bannons Lieblings-Converge-Album ist das, das du noch nicht kennst. Als der Sänger mich anruft, um über die Diskografie seiner Band zu sprechen, hat er gerade die Aufnahmen zum neuen Studioalbum hinter sich gebracht, das dieses Jahr noch erscheinen wird. Er macht buchstäblich die Studiotür hinter sich zu, als er mit mir spricht.

"Ich bin ziemlich zufrieden mit dem, was wir gerade geschaffen haben", sagt Bannon. Details will er keine verraten, ihr neuntes Album würde jedoch einen weiterer Schritt in der laufenden Evolution der Band darstellen. Dass Bannon immer nach vorne schaut, sollte niemanden groß überraschen. Seit fast 30 Jahren ist er der Sänger von Converge – einer der einflussreichsten und innovativsten Bands, die jemals die Grenzen zwischen Hardcore, Punk, Metal und ihren ganzen Subkategorien durchbrochen hat. In dieser Zeit ist er allerdings auch in anderen Bereichen erfolgreich gewesen. Von seinen Arbeiten als Grafiker, die Cover und Galerien schmücken – und auch sein neues Buch Dunedevil –, bis hin zum Betreiben seines tonangebenden Hardcore-Labels Deathwish Inc. hat Bannon seine Augen immer auf etwas Neues gerichtet. Oh, und hatte ich schon erwähnt, dass er dieses Jahr zwei andere Alben mit seiner anderen Band, Wear Your Wounds, veröffentlicht hat? Richtig, genau das hat er.

Anzeige

"Ich befinde mich an einem Punkt, an dem ich versuche, die Dinge so gut zu machen, wie sie nur sein können", sagt er, nur um sich danach wieder in Bescheidenheit zu üben: "Ich weiß, dass ich nicht der beste Sänger bin. Das ist mir egal. Es geht um die Emotionen. Es geht darum, die beste Repräsentation dessen zu bieten, was ich machen kann." Es ist diese Mischung aus Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Selbstreflektion, die in jeder Antwort von Bannon mitschwingt. Er weiß, dass er technisch gesehen vielleicht nicht der beste Sänger der Welt ist, aber er hat seine Limitationen zu seinen Vorteilen gemacht. "Es gibt tonnenweise Narbengewebe, das meine Stimme so klingen lässt, wie sie das tut. Daran kann ich nichts ändern."

Bannon entwickelt sich ständig weiter und versucht, neue Wege zu finden, sich in demjenigen Medium auszudrücken, auf das er sich gerade konzentriert. Deswegen listet er den Converge-Backkatalog auch chronologisch auf. "Die aktuellste Musik, die wir machen, ist gleichzeitig auch immer die präziseste und akkurateste Repräsentation unseres kollektiven Charakters", sagt er über Converge. Genau deswegen kann es auch gar nicht anders sein, als dass das gerade fertiggestellte Album in seinen Augen auch das beste ist. An diesem Nachmittag werfen wir allerdings einen Blick zurück in die Vergangenheit und reden darüber, wie Bannon über die alten Alben denkt – oder zumindest, wie er es damals in jenem Moment getan hat.

Anzeige

8. Halo In a Haystack (1994)

Noisey: Für viele Hardcorebands ist das erste oder zweite Album oft dasjenige, das ihre ganze Diskografie überschattet. Bei Converge ist das nicht wirklich der Fall.
Jacob Bannon: Nein, aber das hat auch mit unserem Alter damals zu tun. Wir waren wirklich Kinder. Viele Bands sind jung, wenn sie anfangen – 20 oder so. Wir waren zwischen 15 und 18, als wir diese Songs aufgenommen haben. Wir sind noch zur Schule gegangen. Ich denke, wir haben es definitiv gut gemeint und auch eine Menge Emotionen in die Songs gepackt. Aber gleichzeitig haben wir immer noch versucht herauszufinden, was wir eigentlich sind und wie wir zusammen funktionieren.

Und du musst auch bedenken, dass du deine erste Band meistens einfach mit den Leuten gründest, mit denen du bei dir im Ort abhängst. Wir hatten noch keinen Führerschein und sind kaum aus unserem Ort weggekommen. Unser erster Drummer und erster Bassisten haben wegen unserer geteilten Vorliebe für Skaten, BMX, Punk, Hardcore und Metal bei uns gespielt.

Mich erinnert die Platte an diese Art Urzeit, in der wir einfach versucht haben auszuklamüsern, was wir werden wollen. Du darfst nicht vergessen, dass harte Musik damals auch noch jung war. Es gab die grundlegenden Genres. Metal, Death Metal, Thrash Metal, aber selbst Death Metal war damals ziemlich neu. Rückblickend gilt die Zeit als die goldene Ära des Genres, aber Hardcore war auch nicht dieser metallische Hardcore, wie man ihn heute kennt. Metalcore gab es noch gar nicht.

Anzeige

Jede neue Platte hat quasi ein neues Subgenre begründet.
Ja, und es war nicht alles so durchkommerzialisiert. Heutiger Metalcore hat mehr mit eingängigen Popsongs gemein. Songs werden total überproduziert, es gibt Auto-Tune und so weiter. Als wir damals so gequältes und emotionales Zeug gemacht haben – oder was wir auch immer dafür gehalten haben –, haben wir versucht, unseren Lieblingsbands nachzueifern: Born Against, Moss Icon, Universal Order Of Armageddon oder Bands wie Heroin und Mohinder. Das waren Bands, die irgendwie verstört und unvorhersehbar waren. Wenn die Stimme des Sängers an einer Stelle brach, dann hat man das so gelassen. Du konntest auch nicht einfach in der Aufnahme zurückgehen und Dinge reinkopieren oder rausschneiden. Das kam alles erst später. Du hast in ein oder zwei Tagen alles aufgenommen und das war's. Diese Rohheit aus der Zeit war einfach das, was es war.

Zu der Zeit gab es auch kaum andere Bands, die gemacht haben, was wir gemacht haben. Am nächsten kamen wir noch an Bands wie Overcast. Mit denen waren wir damals befreundet und sind es auch heute noch. Die waren aber mehr Metal orientiert. Wir hatten einfach verschiedene Einflüsse.

Damals habt ihr nicht wirklich in die Hardcore-Szene gepasst. Hat euch das frustriert oder habt ihr das als Vorteil gesehen?
Wir sehen unsere Band immer noch so. Wir verfolgen definitiv, was sonst im Bereich aggressiver Musik passiert. Wir haben nie versucht, einen bestimmten Stil nachzuahmen. Auch nicht, als wir noch zu fünft waren und Aaron Dalbec [von Bane] bei uns in der Band war. Aaron war mehr der Straightedge-Hardcore Typ und hat viel mehr dieses melodischere Zeug von damals gehört. Drive Like Jehu mochte er nicht und auch nicht diese Noise-Rock-Bands, die Kurt [Ballou, Converge-Gitarrist] und ich damals nach und nach entdeckten – oder die ganzen DC-Bands, von denen wir regelrecht besessen waren. Du hattest also einen Musiker, der die gleichen Songs gespielt hat, aber aus einer komplett anderen Richtung an sie heranging. Und das hörst du fast in den Songs. Es gibt nichts Vergleichbares, weil wir aus so vielen verschiedenen Ecken kommen.

Anzeige

7. Petitioning the Empty Sky (1996)

Das hier ist interessant, weil es ein Mischmasch unterschiedlicher Aufnahmen und Stile ist, man aber gleichzeitig das Gefühl bekommt, dass sich euer Sound hier langsam verdichtet.
Wir waren immer noch Kinder, aber auch schon etwas weiter. Ich erinnere mich noch, wie wir "The Saddest Day" in Kurts Wohnheim an der Boston University geschrieben haben, wie er mir seine Riffideen dafür gezeigt hat. Ich glaube, wir fingen langsam an, uns mit dem wohl zu fühlen, was wir waren.

Was die Entstehung des Albums angeht, dachten wir damals noch ausschließlich in Seven Inches. Wir hab hier und da ein paar Songs geschrieben und sie dann spontan aufgenommen. Ein ganzes Album hatten wir überhaupt nicht auf dem Schirm. Als wir den Vertrag bei Equal Vision unterschrieben haben, schlugen sie vor, die verstreuten EPs zu nehmen und zu einer Art Sammel-Album zusammenzupacken.

Wenn ich es höre, höre ich immer noch die einzelnen Sessions. Aber ich habe nur gute Erinnerungen an diese Aufnahmen. Nachdem ich die Vocals für die Petitioning the Empty Sky EP mit Brian McTernan um ein oder zwei Uhr morgens in seinem alten Studio in Watertown, Massachusetts, aufgenommen hatte, war das eins der ersten Male, dass ich richtig zufrieden mit meiner Leistung war. Es war hektisch und unberechenbar und ich hatte diese ganzen wilden Geräusche und Stimmen, die ich hatte erschaffen wollen, auch wirklich hinbekommen. Ich erinnere mich noch, wie ich total zufrieden mit meinem Rad von der Session nach Hause gefahren bin. Ich hatte das Gefühl, etwas Besonderes erschaffen zu haben – zumindest für mich. Ich dachte nicht wirklich daran, wie es andere Menschen beeinflussen könnte, ob es überhaupt jemanden gefallen oder es jemand verstehen würde. Und in vielerlei Hinsicht tue ich das immer noch nicht. Mit diesen Songs war ich aber richtig zufrieden.

Anzeige

Und manche davon wie "The Saddest Day" spielt ihr sogar heute noch.
Das ist interessant. Unsere Band gibt es schon lange und mit jedem Tag, der vergeht, werden die Songs älter. Für mich ist auch Jane Doe ziemlich alt – 16 Jahre ist das jetzt her. Ich schätze mich wirklich glücklich, dass Menschen mit dem, was unsere Band tut, und der Kunst, die wir gemeinsam erschaffen, etwas anfangen können. Es gibt so viele Bands und Künstler da draußen, die Menschen hören können. Die Tatsache, dass Leute uns – dieser noisigen Hardcore-Band – etwas Zeit in ihrem Lebens schenken und die Musik oder die Emotionen nachempfinden können, ist einfach unglaublich positiv für uns. Das war es und das wird es immer sein. Ich bin wirklich sehr dankbar dafür.

Was die Songs selbst angeht? Ich finde, es gibt da ein paar richtig coole Momente. Ich finde auch, dass es ein paar richtige coole Momente in den Unloved and Weeded Out Sessions gibt, die wir davor noch aufgenommen hatten – auch so eine Songsammlung, die wir zu einer Art Album zusammengefasst haben. Die Lieder fingen an, weniger zerstückelt zu sein. Als wir jünger waren, haben wir uns nicht besonders um Übergänge gekümmert. Wir hatten ein gutes Riff und waren dann so: "Das ist ein geiles Riff! Und hier ist noch ein geiles Riff in der gleichen Tonart und etwa dem gleichen Tempo. Schauen wir mal, ob die zusammen funktionieren." Wir haben einfach Zeug zusammengepackt. Wir nennen das Waggon-Songwriting. Viele Bands machen das immer noch und packen einfach Parts aneinander. Manchmal wirken die Songs dadurch richtig fragmentiert. In den letzten 15 Jahren haben wir viel Mühe und Zeit investiert, gerade das nicht zu tun. Unsere Songs klingen vielleicht hyper und etwas durchgedreht, aber sie sind nicht zerstückelt. Manchmal passiert das noch, aber früher war das sehr normal. Ich höre das noch in diesen Songs. Ich höre aber auch, wie wir uns davon wegbewegen. Insbesondere bei Unloved and Weeded Out, wo die Songs viel fertiger waren, als wir uns an die Aufnahmen gemacht haben.

Anzeige

6. When Forever Comes Crashing (1998)

Du meintest, das würde sich wie das erste richtige Converge-Album anfühlen. Warum?
Als wir es geschrieben haben, hatten wir kein Label. Niemand schenkte uns Aufmerksamkeit und wir wollten diese auch nicht unbedingt. Damals herrschten allerdings andere Umstände als heute. Labels sind eine großartige Ressource und sie machen wichtige Dinge, aber heute kannst du als Band relativ unabhängig existieren. Damals war es ohne Label sehr schwierig, dein Album unter Menschen und in die Läden zu bringen. Und das wollten wir. Wir wollten touren. Steve Reddy [Equal Vision-Besitzer] war bei einer Show von uns in Western Massachusetts und meinte, er hätte noch nie etwas Derartiges gehört oder gesehen – dieser Haufen bebrillter Nerds, die sich auf der Bühne gegenseitig zu Kleinholz verarbeiteten. Er hätte noch nie so etwas Aggressives von einer Band gehört, die gar nicht aggressiv aussah. Er war die klassische Mentalität und Präsentation des New York Hardcore gewohnt, von der wir ziemlich weit entfernt waren. Sie ist ein bisschen stereotyper und prolliger – nicht unbedingt eindimensional, aber du erkennst sie ziemlich schnell. Wir waren definitiv anders.


NOISEY-VIDEO: "Harley Flanagan von den Cro-Mags"


Als er uns unter Vertrag genommen hat, war When Forever Comes Crashing das Album, das wir zu machen gehofft hatten. Der Petitioning-Release war ein netter Bonus für das Label, aber das hier war das erste richtige Album für uns. Es fühlte sich richtig so an, als würden wir ein Album machen. Wir spürten dabei keinen Druck, etwas schreiben zu müssen. Es war viel mehr unser gemeinsames Ziel, so etwas aufzunehmen. Es fühlte sich anders an. Sehr anders.

Anzeige

Wie du eben meintest, gab es diese kognitive Dissonanz zwischen dem, was die Leute gehört, und dem, was sie auf der Bühne gesehen haben. Das scheint sich auch auf das Artwork zu übertragen, das man eher auf einer Grindcore-Platte von Earache erwarten würde. Wie wichtig war es, mit Converge eine eigene visuelle Ästhetik zu haben?
Das war immer ein großer Teil von dem, was wir getan haben. Wir sind Fans von Bands, die eine konsistente Ästhetik haben. Auch wenn sie sich vielleicht entwickelt oder mutiert, soll sie im Großen und Ganzen konsistent bleiben. Ich designe zwar viel für unsere Band, aber wir arbeiten auch viel mit externen Künstlern und Illustratoren. Nichtsdestotrotz bleibt es eine zusammenhängende Präsentation. Viele Bands ändern im Laufe der Zeit ihr Logo, weil sie mit ihrem nicht mehr zufrieden sind. Meine Intention ist wohl immer gewesen, kein statisches Logo zu haben. Ich meine das jetzt aber auch nicht wie bei Metallica, wo man hier oder da Stücke wegschneidet oder ergänzt oder so. Es sollten einfach unterschiedliche aber miteinander verbundene Ästhetiken sein, die sich durch die Bandgeschichte ziehen. Petitioning sieht nicht aus wie Jane Doe, aber man kann den Weg vom einen zum anderen in gewisser Weise nachvollziehen. Ich bin gerade dabei, die Grafiken für unsere neue Platte zu machen und es fühlt sich an wie eine natürliche Weiterentwicklung. Ich will, dass Bands auch eine visuelle Geschichte erzählen.

Anzeige

5. Jane Doe (2001)

Das ist ohne Frage ein extrem wichtiges Album für Converge. Vor Kurzem ist Jane Live erschienen. Für dich ist Jane Doe ein sehr persönliches Album …
Dieses Album ist nicht persönlicher als irgendein anderes von uns. Ein Großteil der Narrative, die dort hineingelesen wird, kommt durch die Gewichtung durch die Hörer – und damit habe ich kein Problem. Musik ist subjektiv und sobald du sie veröffentlichst, ist sie draußen und die Menschen können sie wichtig finden oder links liegen lassen, wie sie wollen. Unser Ansatz beim Songwriting und meiner beim Schreiben der Texte war immer der, persönliche Songs zu schreiben und Dinge in meinem Leben zu dokumentieren – entweder konkret oder metaphorisch. Das habe ich auf Halo in a Haystack gemacht und das habe ich auch als Kind schon gemacht. Das hat sich nicht geändert. Ich glaube, auf Jane Doe siehst du eine zunehmende Verfeinerung unseres Ansatzes und der generellen Aggression. Das Album verfügt auch über eine besonders kohärente Präsentation. Die anderen Platten gingen zwar schon in die Richtung, aber waren noch nicht ganz da.

Wann habt ihr gemerkt, wie sehr die Menschen auf das Album anspringen? Wenn ich mich richtig erinnere, ist es nicht gerade sofort ein Hit geworden.
Ich denke nicht, dass irgendetwas, das wir jemals getan haben, sofort ein Hit war. Wir machen da immer Witze drüber, aber ich habe immer noch dieses große Pressepaket, das mir von der Firma gegeben wurde, die uns bei der Promotion geholfen hat. Darin sind Aberhunderte Reviews und bei etwa 60 oder 70 Prozent kommt die Platte gar nicht gut weg, was ziemlich lustig ist. Viele Menschen, die diese Reviews geschrieben haben, hatten vorher nie wütenden, noisigen Punk und Hardcore gehört. Selbst in dem Subgenre, in dem wir uns bewegt haben, klang niemand so wie wir. Es gab Bands, die etwas ähnlich waren wie The Dillinger Escape Plan, Botch und die frühen Cave In, aber jede verfügte über andere Stärken und Nuancen. Wahrscheinlich hatte kaum einer der Reviewer vorher Rorschach, Born Against, Starkweather oder The Accused gehört. Sie wussten nicht, was sie da vor sich hatten, und lehnten es dementsprechend von vornherein nach ab. Nach dem Motto: "Was zur Hölle soll das sein?"

Anzeige

Death Metaller haben uns angeguckt und gesagt: "Ihr habt keine langen Haare, tragt keine schwarzen Skechers und die Vocals sind unverständlich, aber nicht tief und grunzig wie ein Monster. Die klingen mehr wie ein wildes Tier." Und die Hardcore-Typen haben uns angeschaut und gesagt: "Das ist kein Hardcore." Es hatte einfach nicht die ganzen Erkennungsmerkmale des damaligen Hardcores. Die Punks fanden unsere Songs zu technisch für Punk und es fehlte der soziopolitische Aspekt. Punk waren wir also auch nicht. Wir haben so etwas immer zu hören bekommen – auch heute noch.

Ich erinnere mich noch, wie ich das Artwork für das Album eingereicht habe. Es war ein langer kreativer Prozess gewesen, die Aufnahmen und alles, was sonst noch zu dem Album gehörte. Und bei Equal Vision meinten sie: "Was zur Hölle ist das? Es gibt keine entzifferbaren Lyrics oder überhaupt irgendwas Lesbares bis auf die Credits." Ich habe dann gesagt: "Das war meine Intention. Ich versuche, eine grafische Darstellung der Emotionen innerhalb der Songs zu erschaffen. Es ist alles ziemlich wild, also hat es auch eine sehr kinetische Typographie, die nicht unbedingt immer lesbar ist. Ich bin aber als Sänger auch nicht immer verständlich, also wollte ich an das Artwork ähnlich herangehen." Und die haben es einfach nicht verstanden. Ich musste einiges an Überzeugungsarbeit leisten, damit das Album so rauskommen konnte. Sie wollten es nicht machen.

Anzeige

Wow.
Die wollten es zu 100 Prozent nicht machen. Das ist aber auch OK. Ich erwarte nicht, dass alle das verstehen, aber ich würde uns jetzt auch nicht als heimliche Genies oder so bezeichnen. Wenn du allerdings den kreativen Prozess von einer Perspektive aus angehst, die die Menschen, die das Album vermarkten und rausbringen sollen, noch nie gesehen haben, dann lehnen sie es vielleicht ab, weil sie es nicht verstehen. Es ist, als würde man eine andere Sprache sprechen.

Durch das Album habe ich langsam begriffen, dass wir vielleicht zu anders für Equal Vision waren. In unseren Köpfen sahen wir unsere Verpflichtungen gegenüber dem Label außerdem als erfüllt. Es geschah nicht im Bösen, aber wir bewegten uns in eine andere Richtung. Ich weiß zwar nicht, ob irgendjemand unsere Band damals wirklich verstanden hat, aber ich dachte, dass sich das mit der Zeit ergeben würde. Und das tat es.

Und mit Epitaph habt ihr das Label gefunden, mit dem ihr dann auch über ein Jahrzehnt zusammengearbeitet habt. Eure Besetzung änderte sich nach der Veröffentlichung aber auch. Aaron Dalbec verließ die Band.
Aarons letzte Show mit uns wurde am … Nun, es war eine Kombination aus zwei Shows, die wir im Abstand von drei Wochen gespielt haben. Eine Show haben wir unter dem Namen "Jane Doe" mit Isis gespielt. Die Leute kannten den Titel des Albums noch nicht, aber wir wollten einfach die Songs live spielen. Es hat Spaß gemacht. So was hatten wir vorher noch nie gemacht. Die Bandmoral war allerdings in gewisser Weise durch den Schaffensprozess des Albums beeinträchtigt. Vier von uns waren in dem kreativen Prozess enger zusammengewachsen und Aaron mit anderen Sachen beschäftigt gewesen – darunter auch Bane. Bane wurden mehr und mehr zu einer Vollzeitband und wir merkten bei den Aufnahmen für die Platte, dass wir uns immer weiter voneinander entfernten. Wir wurden immer kohärenter, was unsere Stile und das anging, was wir voneinander erwarteten. Aaron war einfach nicht so präsent, wie wir es von ihm erhofft hatten. Deswegen haben wir ihn gebeten zu gehen. Wir hatten ein Treffen eine Woche nach dieser Show und haben dort entschieden, dass sein letztes Konzert mit uns die Release-Show für Jane Doe sein soll.

Anzeige

Es ist schade, weil mir Aaron wirklich etwas bedeutet und ich ihn als Menschen sehr mag. Unsere Beziehung hat sich allerdings nie wirklich davon erholt. Wir sind immer noch befreundet, aber es ist nicht einfach. Es ist hart, jemanden darum zu beten, zu gehen. Selbst wenn du das Gefühl hast, dass es in euer beider Interesse ist. Und das denke ich immer noch. Es hat ihm erlaubt, sich wirklich auf seine Leidenschaft zu konzentrieren. Und die war Bane, nicht unsere Band.

Gab es Bedenken, wie ihr weiter macht? Ihr hattet gerade ein neues Album veröffentlicht und anstatt von zwei Gitarristen musste Kurt plötzlich alles alleine machen.
Wir hatten keine Wahl. Unser Tour mit Playing Enemy war gebucht und ging eine Woche später los. Unser erster Auftritt als Quartett war aufregend. Wir waren richtig begeistert. Wir haben mit einem Two-Guitar-Setup gespielt [eine Gitarre über zwei Verstärker], wie wir das auch heute tun, damit der Sound nicht so leer klingt. Seitdem haben wir diesen Ansatz als Band gemeistert, aber damals war das alles neu und aufregend für uns. Ich glaube, wir mochten die Herausforderung und sie hat unsere Band mit neuem Leben erfüllt. So wie damals, als Ben [Koller, Drummer] neu in unsere Band gekommen ist.

4. You Fail Me (2004)

Das war der Beginn der modernen Converge-Ära. Wenn ich mich richtig erinnere, erschien das Album etwas verspätet.
Das hatte nicht wirklich mit dem kreativen Prozess zu tun. Die Musik haben wir total konzentriert geschrieben und die Aufnahmen dauerten auch nicht lange. Zeitliche Probleme gab es allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Am zeitfressendsten war die Uneinigkeit mit Equal Vision. Die waren der Meinung, dass wir als Band ihr Eigentum und den Verpflichtungen nicht nachgekommen warem. Sie fanden, dass wir ihnen noch ein Album schuldig waren.

Anzeige

Wir hatten damals einen Vertrag über zwei Alben und eine Option auf ein drittes Album unterschrieben. Vergiss bitte nicht, dass wir damals Kinder waren, als wir das unterschrieben haben. Wir waren Anfang 20 – das soll jetzt keine Entschuldigung sein, wir haben auch einen Juristen sich die Angelegenheit anschauen lassen – und wir waren einfach aufgeregt. Das Label erkannte Petitioning the Empty Sky nicht als Album an und dementsprechend auch nicht als einen unserer vertraglich zugesicherten Releases. Wir fanden, dass wir Equal Vision mit Petitioning, When Forever und Jane die zwei garantierten und das eine optionale Album gegeben hatten, und sagten ihnen, dass wir uns ein anderes Label suchen möchten. Sie waren nicht einverstanden und ich kann ihre Mentalität und ihre Perspektive auch verstehen. Wir sahen das aber anders. Auch weil ich, wie vorhin schon erwähnt, nicht das Gefühl hatte, dass sie unseren Ansatz verstehen, sah ich es an der Zeit zu gehen. Die anderen Jungs waren der gleichen Meinung.

Wir wussten aber nicht, wohin wir wollen oder was zu tun war. Epitaph war damals vor allem als Pop-Punk-Label bekannt, aus der Ära von The Offspring, Bad Religion, Rancid und so weiter. Sie fingen aber an, sich breiter aufzustellen und ihr Programm abwechslungsreicher zu gestalten. Sie respektierten unsere Unabhängigkeit und unseren einzigartigen Charakter. Sie wollten uns nicht mit diesen neueren Bands in einen Topf werfen, die damals unter Vertrag kamen – Bands, die aussahen wie Nikki Sixx, aber Pop-Punk spielten. Sie wussten, dass wir unsere eigenes Ding waren, und das haben sie respektiert. Immer.

Anzeige

3. No Heroes (2006)

Im Vergleich zu You Fail Me, das mehr ambientlastig und offener war, kehrt das hier wieder zu einem extremeren Sound zurück.
Es ist definitiv mehr Metal. Das war eine natürliche Entwicklung. Es enthält auch einige Songideen, die wir von You Fail Me mit rüber genommen haben. "Bare My Teeth" war einer dieser Songs, von dem Teile schon eine ganze Weile bei uns rumschwirrten. Wie viele andere Bands befinden wir uns eigentlich immer im Schreibprozess. Wir haben eine Art Riff-Bank, wo die ganzen Ideengerüste landen. Ich glaube, ein paar davon haben es auf No Heroes geschafft.

Kurt war aber auch als Studiotechniker selbstbewusster geworden. Das war das erste Mal, dass er ein Converge-Album komplett aufgenommen und abgemischt hat. Er hatte vorher schon Petitioning und When Forever neu gemischt und remastert und ein Remaster von You Fail Me gemacht – den Mix übernahm ein anderer Tontechniker. Bei den Aufnahmen zu You Fail Me waren nämlich unter immensem Zeitdruck gewesen und mussten uns mit Notlösungen zufriedengeben. Der Häuserblock, in dem sich Kurts Studio befindet, hatte damals, es war Hochsommer, immer wieder mit Stromausfällen zu kämpfen, als wir das Album gemischt haben. Es war wirklich hart. Wir hatten zwei, drei Songs geschafft und dann war der Strom weg und wir konnten nichts mehr machen. Wir mussten am nächsten Tag zurückkommen und wieder anfangen.

Bei No Heroes wollte Kurt unsere Vision richtig umsetzen. Ich finde auch, dass er das geschafft hat. Die Arbeit an dem Album hat mir richtig Spaß gemacht und war sehr erfüllend. Ich bin ziemlich glücklich mit dem Ergebnis.

2. Axe To Fall (2009)

Nach dem schlanken, selbstgenügsamen No Heroes gibt es auf Axe To Fall eine ganze Menge Kollaborationen. Mit eurem früheren Bassisten Stephen Brodsky, Steve Von Till von Neurosis oder der kompletten Genghis Tron-Besetzung hatten auf dem Album viele Externe ihre Finger mit im Spiel. Was hat euch dazu motiviert?
Es kann etwas ermüdend sein, alles immer selbst machen zu wollen. Kurt hat vielleicht eine Song-Idee und dazu einen bestimmten Gesangsstil im Kopf oder wir treffen jemanden auf Tour, mit dem wir etwas Kreatives machen wollen. Wir fanden es einfach cool, unseren üblichen kreativen Ansatz zu verfolgen und dazu ein paar Leute ins Studio einzuladen. Eine echte Kollaboration war das Album jetzt aber nicht wirklich. Wir haben alle Songs aufgenommen und wussten, welche Parts andere Menschen einspielen oder einsingen sollten. Es gab also nicht gerade viel Input von außen. Der einzige Song, der wirklich etwas von einer Kollaboration hat, war "Wretched World", bei dem Genghis Tron mit uns gespielt haben. Die waren eine extrem talentierte und ungewöhnliche Band. Zusammen mit ihnen zu arbeiten, hat richtig Spaß gemacht. Gemeinsam haben wir etwas erschaffen, das wirklich groß und epischer als das war, was wir als Band üblicherweise machen.

Was die anderen Gastmusiker angeht: Steve Von Till ist einfach nur brillant. Ihn einen Freund, einen Musikerkollegen zu nennen … Seit meiner Teenagerzeit bewundere ich ihn und ihm dann einen Part in einem Song anzubieten, war einfach nur unglaublich. Die ganzen anderen Gastsänger auf dem Album waren auch großartig und haben ihren eigenen Charakter mit reingebracht. Wir wollten einfach nur Spaß haben und das hört man auch.

1. All We Love We Leave Behind (2012)

Wie findet ihr ständig neue Wege, Converge weiterzuentwickeln und neue Räume im Punk, Hardcore, Metal oder anderen Bereichen zu entdecken?
Nun, das Leben ist unglaublich komplex, nicht wahr? Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber mir hat das Alter nicht mehr Antworten oder Frieden gebracht. Mein Leben hat sich auf unterschiedliche Arten entwickelt. ich habe eine Menge gute Dinge in mein Leben gebracht und versuche, ein so positives Leben wie nur möglich zu leben. Trotzdem gibt es da noch eine Menge Dunkelheit. Es gibt immer noch viele komplexe Dinge, die aufgearbeitet werden müssen. Ich glaube, da kann sich jeder drin wiederfinden – nicht nur kreative Menschen.

Durch den glücklichen Umstand, dass ich in einer harten und emotionalen Band spiele, kann ich etwas mit diesen Gefühlen und diesem Ballast machen – mit all diesen Dingen, die noch nicht ganz in mir geklärt sind. Ich verarbeite diese Sache in Songs. Für mich ist es extrem gut gewesen, diese Möglichkeit zu haben, und ich kann wohl auch sagen, dass das auf eine Menge Leute in Bands zutrifft, die ich kenne. Die benutzen ihr Banddasein als Ausweg. Es ist auch mein Ausweg. Nicht mein Ausweg aus dem Leben, sondern aus dieser Dunkelheit in mir.

Ich bin jetzt 40 und mein Leben unterscheidet sich sehr von dem, als ich noch 20 war. Nichtsdestotrotz gibt es eine Menge der gleichen Probleme, mit denen ich mich schon mit zwölf oder zehn Jahren rumgeschlagen habe. Einiges ist der gleiche emotionale Ballast, einiges ist immer noch nicht ganz aufgearbeitet. Ich arbeite das in Songs durch und dafür bin ich sehr dankbar.

Das Album ist sehr gut angekommen und hat gezeigt, dass ihr auch noch Jahre nach einer Platte wie Jane Doe diese Meilensteine für eure Fans setzen könnt. Ist es befreiend zu wissen, dass es da draußen Menschen gibt, die Converge treu bleiben werden, solange ihr existiert?
Musik zu machen ist etwas sehr Egoistisches. Kunst zu machen ist etwas sehr Egoistisches. Auch wenn du Teil einer Gemeinschaft bist und es Menschen gibt, die sich das anhören und mitfühlen, denke ich dabei nie wirklich über diese Verbindung nach. Gerade ist eigentlich der perfekte Zeitpunkt, um darüber zu sprechen, weil ich soeben die Vocals für das neue Album fertiggestellt habe. Ich habe dafür, keine Ahnung, hier und da ein paar Wochen gebraucht. Heute bin ich fertiggeworden. Und das einzige, was mich dabei die ganze Zeit interessiert hat, ist, ob ich die Emotionen und die Intention meiner Textinhalte wirklich einfange. Ich habe dann das Gefühl, eins damit zu sein. Ich versuche nicht, einen heavy Song zu machen, um heavy zu klingen; oder einen brutalen Song, um brutal zu klingen. Ich versuche einfach nur die Emotionen einzufangen, die in diesen Zeilen stecken. Es hat etwas sehr Ehrliches, wenn ich schreibe. Ich sitze nicht rum und denke: "Hmmm. Ich muss heute was schreiben. Wovon soll es denn handeln?" Ich schreibe, wenn ich mich danach fühle. Wenn wir anfangen, einen Song fertigzustellen, beginne ich zu überlegen, welcher der von mir aufgeschriebenen Texte zu dem Gefühl passen, aus dem der Song kommt. Ich fühle mich immer sehr wohl mit unserer Musik, wenn wir uns an die Aufnahmen machen.

Jetzt, mit 40 Jahren, habe ich die Dinge gerne so perfekt wie möglich. Ich spiele schon sehr lange in dieser Band. Ich komme nicht einfach rein und sage: "OK, cool! Ich geh rein und schrei den Text runter. Passt schon!" Ich sage jetzt nicht, dass das, was ich tue, perfekt ist – es ist weit davon entfernt. Wir haben alle unsere Fehler und deswegen klingen wir auch so, wie wir klingen. Das sind die Feinheiten, die einen Musiker und einen Künstler ausmachen. Viele Künstler versuchen, sich selbst aus ihren Werken rauszunehmen. Was du am Ende nämlich erschaffst, ist nie das, was du dir vorgenommen hast. Du hast diese Vision in deinem Kopf und sie wird nie so, wie du sie dir vorgestellt hast. Aber das macht es so besonders. Solange wir Dinge aus dieser Einstellung heraus machen und uns ständig selbst herausfordern, solange bin ich glücklich.

Folge Noisey auf Facebook, Twitter und Instagram.