7 Leute, mit denen du als Musiker ständig streiten musst

FYI.

This story is over 5 years old.

Captain Ashi—Unterwegs im räudigen Band-Kosmos

7 Leute, mit denen du als Musiker ständig streiten musst

Deine Bandkollegen, deine Partner, dein Label—Alle wollen sie dir dein Leben schwermachen. Und du dachtest, Musiker sein wäre ein Traumberuf.

„Streiten gehört zu jeder gesunden Beziehung dazu, mein Kind" oder „Ein bisschen Streit muss sein, Diggie" oder „Hin und wieder muss man sich auch mal zanken, Mann"—alles Binsenweisheiten aus der Mottenkiste der Lebensratgeber. Totaler Quatsch, sage ich. Streiten ist nervig, Streiten ist lästig. Und trotzdem kann man der eskalierenden Konfliktsituation weder Zuhause, noch auf Arbeit immer aus dem Weg gehen. Warum sollte das also im Tourbus anders sein? Oder im Tonstudio? Oder hinter den dicken Türen des Labelbüros, in dem du voller Hoffnung deinen ersten Albumvertrag unterzeichnest? Musikmachen ist ein Job für Künstlerschweine mit leicht bis derb angeschwollenen Egos. Logisch, dass da in den Proberäumen auch mal die Fetzen fliegen. Als Musik schaffendes Wesen musst du dir bisweilen ein dickes Fell wachsen lassen und die Krallen schärfen, sonst nimmt dir das Pack drumherum alles weg, was dir lieb ist! Deinen Refrain, deine kreative Selbstbestimmung, deine 100 € Taschengeld! Jeder nette Kollege wird schnell zum Feind, wenn es ums Eingemachte geht—nämlich um das, was du „Kunst" nennst und die Strapazen drumherum.

Anzeige

Damit du in einer eventuellen Zukunft im Musikbusiness schon mal Bescheid weißt, habe ich dir die größten potentiellen Konfliktgefahren aufgelistet und direkt den jeweils einfachsten Lösungsweg aufgeschlüsselt. Danke, keine Ursache!

Deine Bandkollegen

In einer Band zu sein, ist einer Ehe manchmal nicht unähnlich, weshalb ihr euch dran gewöhnen müsst, euch hin und wieder in den Haaren zu liegen. Ganz egal, wie gut ihr euch grundsätzlich versteht und welch eingeschweißtes Verhältnis ihr so zueinander pflegt, das Muckerbusiness bietet ordentlich Reibungsfläche und bringt auch die Friedlichsten unter euch nach fünf, sechs Stunden Proberaumterror gegeneinander auf. Wo es im Homestudio noch um poplige kreative Entscheidungen geht—ob der Bass im Refrain jetzt z.B. hoch oder runter geht oder man zum achten Mal „tonight" auf „alright" reimen sollte—, werden auf Tour die wirklich wichtigen Fragen des Lebens geklärt: Wer kriegt das eine, rostige Punker-Mikrofon? Wer darf Merchandise hustlen, während die anderen auf der Bühne abbauen? Wieso darf der eine zwölf Namen auf die Gästeliste schreiben und der andere nur acht? Gehen wir aus oder gehen wir schlafen? Darf ich noch ein Bier? Wer bleibt nüchtern und fährt ins Hotel? Wer kriegt das GV-Zimmer!? Alles Situationen, die zur falschen Zeit am falschen Ort in einer Spirale des Hasses außer Kontrolle geraten können. Ehe ihr euch verseht, schweigt ihr euch grummelnd auf der Backstagecouch an, rempelt euch „aus Versehen" beim Gang zur Toilette an oder geht euch direkt vor den Fans mit dem Seitenschneider an die Gurgel.

Konfliktlösung: Eure unausweichliche Nähe zueinander ist zwar der größte Gefahrenherd, allerdings auch euer größter Trumpf! Ganz bestimmt wartet schon das nächste, viel größere Problem um die Ecke und stellt euer Geplänkel um ein paar Euro Taxigeld locker in den Schatten. Dafür ist sicher jemand anderes verantwortlich, den es als gemeinsamen Feind zu erkennen gilt. Erinnert euch daran, dass ihr zusammen gehört und verschwört euch gegen die anderen Schweine! Den Produzenten zum Beispiel.

Anzeige

Suche Diskussion, biete Konfliktlösung

Dein Produzent

Der Job des Produzenten ist ein schwammiges, undurchsichtiges Feld an Aufgaben. Meistens sitzt diese Person in einem schicken Studio in einem Ledersessel vor einem gigantischen Bildschirm und schiebt Regler zurecht, während ihr im Nachbarraum hinter einer Glasscheibe in ein Mikrofon sabbert. Der „Prodjußer" sorgt mit technischem Knowhow, seinem unverkennbaren Geschmack und jahrelanger Erfahrung dafür, dass eure stümperhaft geschrammelten Demo-Songs in ein rundes, stimmiges Soundpaket geschnürt werden und bedenkenlos auf die Masse losgelassen werden können. Da es dabei oft auch ans künstlerische Eingemachte geht, ist der gelegentliche Konflikt untereinander allerdings vorprogrammiert.

Produzent: „Muss der nervige Quietsch-Synthie eigentlich sein?"
Künstler: „Schon, ja."
Produzent: „Ich glaube ehrlich gesagt, nicht."
Künstler: „Ich glaube ehrlich gesagt, schon."
Produzent: „Im Ernst, der stört da eigentlich nur."
Künstler: „Ganz im Gegenteil—der Quietsch-Synthie ist DAS tragende Element dieses exorbitanten Stückes und könnte den Sound einer ganzen Generation prägen."
Produzent: „… Einer ganzen Generation von Degenerierten? Möglich."
Künstler: „WAS HAST DU GERADE GESAGT?"
Produzent: „Leg die Kettensäge wieder hin!"

Konfliktlösung: Da es sich bei guten Produzenten auch um Ratgeber und kreative Köpfe handelt, statt nur um bloße Dienstleister, müsst ihr euch vor einem Sturm an kleinen und größeren Konflikten wappnen. Einige davon können durch gesunde Kompromisse beseitigt werden („Was hältst du davon, wenn der Quietsch-Synthie erst in der zweiten Hälfte einsetzt? Oder wir ihn einfach etwas leiser schrauben?"). Andere wiederum verlangen nach härteren Geschützen. Wenn du dir wirklich sicher bist, dass du gerade um den besten Quietsch-Synthie der Welt diskutierst, schrecke nicht vor Beleidigungen und / oder Gewalt zurück! Triff den Produzenten da, wo es weh tut: Bei seinem Equipment! Reiße erst symbolisch ein paar Dämmstoffe von den Wänden, kipp dann die Monitorboxen von den Stativen und – wenn es gar nicht anders geht – wirf den iMac aus dem Fenster. ES GEHT HIER UM DEINE KÜNSTLERISCHE INTEGRITÄT, MANN!

Anzeige

Die Situation im Studio ist angespannt

Dein Label

Diskussionen mit dem Label stellen eine besondere Schwierigkeit im Konfliktkosmos des Bandlebens dar. Einerseits strahlt die Plattenfirma eine gewisse Autorität aus, da sie als euer Geldgeber und Vertragspartner von der Geilheit eurer Musik abhängig ist, andererseits müsst ihr ihnen stets mit stolzgeschwellter Brust und Faust in der Tasche begegnen, weil ihr immer noch die Songs macht, an denen das Label mitverdienen will. Mit dem Label diskutiert man in respektvoller Zurückhaltung an Kraftausdrücken vorbei, wenn es darum geht, ob die erste Single-Auskopplung jetzt die massentaugliche Formatnummer über Frischverliebte in Berlin wird oder die anstößige 168BPM-Abhandlung über Kokainmissbrauch bei Borneo-Affen in Zimbabwe.

Band: „Wir müssen auch mal anecken, ey, wir wollen voll nicht so Everybody's Darling sein. Denkt doch mal an die armen Borneo-Affen, ey!"
Label: „Hmm ja, klar, das verstehen wir. Finden wir gut. Was wir auch gut finden: Wenn sich von euren 3000 gepressten CDs wenigstens eine verkauft. Also keine Borneo-Affen—alle einverstanden? Danke, das Meeting ist vorbei!" 

Konfliktlösung: Kommunikation ist alles! Je mehr ihr mit euren Kollegen von der Plattenfirma sprecht, je einfacher wird es, die brenzligen Situationen galant ohne Hahnenkämpfe zu überstehen. Hier musst du ausnahmsweise mal wirklich für Ideen offen sein, manchmal wissen es „DIE DA OBEN!!" einfach besser. Wenn du dir doch mal 100% sicher bist, dass du richtig liegst („Oh doch, unser neues Video wird nackt gedreht. Und ihr bezahlt!"), leg dir dafür ein paar Zugeständnisse zum Ausgleich zurecht („Aber ihr habt recht, der Affensong sollte wohl nicht unbedingt ins Radio.") Hier heißt es: Balance halten! Alternativ könnt ihr auch einfach eine Vergangenheit mit drei goldenen Schallplatten und ausverkauften Stadiontourneen mit ins Haus bringen, dann dürft ihr wahrscheinlich ohne Diskussion euer Affenvideo nackt vor einem Greenscreen auf dem Gipfel des Zuckerhuts drehen und euch mit einem goldenen Hubschrauber abholen lassen. Habt ihr verdient!

Anzeige

Freundliches Labeltreffen

Dein Management

Ähnlich wie beim Label greift auch hier das Autoritätsproblem. Wer arbeitet hier eigentlich für wen und wer ist hier der Boss!? Dein Management ist—auf Tour oder im Büro—dafür zuständig, dass du Termine hast und dementsprechend daran interessiert, dass du sie einhältst. Da bleibt ein besorgtes Bemuttern und hin und wieder eine energische Belehrung nicht aus.

„Wie jetzt? Ihr seid noch nicht in München!? LEUTE IHR HABT PUNKT 13 UHR EINE LIVE-SHOW IM RADIO. LIVE!!! Wisst ihr, was ich denen erzählen musste, damit die euch in diese scheiß Sendung nehmen!? UND IHR SEID AUF DER AUTOBAHN!?" Zum Glück kann man hier agieren, bevor es überhaupt zum waschechten Streit kommt. 

Konfliktlösung: Die Lösung ist einfach, denn in Wirklichkeit seid ihr der Chef und niemand anders. Beruhigt euren cholerischen Manager mit warmen Worten: „Diggie, Diggie, bleib mal locker. Ist doch alles cool. Ist nur Radio, Mann! Das hört eh keiner mehr. München ey, voll weit weg. Wir chillen am See! Die sollen uns einfach anrufen da vom Radio, das muss doch gehen, Transponder, Satelliten, Internet, Brudi! Du machst das schon!" Jetzt schnell auflegen, bevor ihr die Bombe platzen hört.

Dein Freund / Deine Freundin

Auch die lockerste und lässigste Beziehung der Welt muss sich an die Ausnahmesituation „Lebenspartner auf Tour" erst mal gewöhnen—und das kann tatsächlich eine kleine Herausforderung sein. Von „Jedes Wochenende bist du unterwegs, soll ich jetzt allein zur Hochzeit meiner ätzenden Schwester!?" bis „Wer ist der Penner neben dir auf Instagram!?" sind Probleme aller Größenordnungen dabei. Je nach Feierlaune des tourenden Partners sind es meistens die fernen Abschussrituale und deren Social-Media-Dokumentation, die zuhause für Ärger sorgen und beim Ausstieg aus dem Tourbus über ihn einbrechen. „DASS DU DICH NOCH HER TRAUST, NACH DER SCHEISSE, DIE DU DIR OFFENSICHTLICH GELEISTET HAST." Fotos, auf denen du Tanktops signierst, Wodka aus einer Suppenschüssel trinkst und mit Lippenstift gemalte Penisse auf den Wangen trägst, werden dir mitsamt deiner Klamotten entgegen geworfen. Aber auch kleinere, alltägliche Sorgen des Bandlebens können schnell zum Streit heranwachsen: Wer bezahlt die Miete, während du dir zwei Jahre Zeit nimmst, um deine neue Platte zu schreiben? Wer wechselt die Windeln eures Rotzlöffels, während du mit der Gitarre im Anschlag ein trauriges E-Mol greifst? Und wer ist eigentlich diese Aaaniiitaaa, von der du immer singst!?

Konfliktlösung: Für die Vermeidung von Streitsituationen mit dem Girl oder dem Boy schlage ich zwei Varianten vor. Eine Möglichkeit ist es, ständig in Verbindung zu bleiben, um sich einerseits trotz der örtlichen Entfernung irgendwie nah zu sein und andererseits Raum für Spekulationen zu vermeiden, in denen du wahrscheinlich schlechter wegkommst als in der oftmals banalen Realität des Touralltags. Die zweite Lösung nenne ich „Das schwarze Loch der Stille." Verabschiede dich am Freitag von deiner großen Liebe, mach dein Handy aus und setz dich in den Tourbus. Reite die Achterbahn des Grauens aus Schnaps und Heiserkeit, bis die Tour vorbei ist. Wenn du nun vier Tage später mehr oder weniger zerstört und verschallert wieder vor eurer gemeinsamen Haustür stehst, tut beide so als wäre nichts gewesen. Tadaa!

Anzeige

Schatz, wer sind die Penner auf dem Foto?

Die Vorband

Wenn sich fremde Bands im Backstage treffen, kann das in guten Fällen zu neuen, großartigen Freundschaften führen. Wenn es dazu nicht reicht, dann zumindest zum Handschlag und einem verlegenen Kopfnicken. Worüber sollte man sich auch streiten? Alle wichtigen Fragen werden im Vorhinein von euren Bookern geklärt, alles andere übernimmt der Laden, in dem ihr spielt. Solange sich alle an die ungeschriebenen Spielregeln halten (Band A säuft Band B nicht 90% des Biervorrats weg, Band B stopft den Backstage nicht mit lauten, nervigen Schreihälsen von der Gästeliste voll…) sind Streitsituationen eine absolute Seltenheit. Bis es plötzlich kurz vor dem Startschuss um die Line-up-Frage geht.

Band A: „Also ihr spielt dann jetzt zuerst und wir machen dann 22:00 den Headliner?"
Band B: „Nee, Moment. In unseren Infos steht, dass ihr zuerst spielt und wir den Headliner machen."
Band A: „Kann nicht sein, bei uns steht das genau andersrum."
Band B: „Ist mir jetzt grundsätzlich auch nicht so wichtig, aber muss schon alles nach Plan ablaufen, ne?"
Band A: „Ja also bei uns steht, ihr macht Vorband."
Band B: „Bei uns steht das halt nicht."
Band A: „Also nicht falsch verstehen, das ist uns jetzt nicht so wichtig!" B
and B: „Nee, uns auch nicht!"
Band A: „Wir sollten das trotzdem bis aufs Blut ausdiskutieren."
Band B: „Definitiv." 

Konfliktlösung: Die ganz Pragmatischen unter euch sollten hier Zahlen und Fakten sprechen lassen. Vergleicht eure Album- und Ticketverkäufe der letzten 365 Tage, packt eure Facebook-Likes und Instagram-Follower auf den Tisch. Die Band mit den kleineren Zahlen ist der Verlierer des Abends, die anderen bekommen den Headliner-Slot, die Kühlschrankbiere, 1,80m vom 2m langen Merchandise-Tisch und die eine Steckdose im Backstage. Wenn ihr bei der Erbsenzählerei den Kürzeren ziehen würdet und dem nackten Vergleich daher lieber aus dem Weg gehen möchtet, lasst einfach den Veranstalter entscheiden, wer zuerst spielt. Wenn der dann allerdings sagt: „Och, macht das mal unter euch aus", hilft nur noch ein astreiner Messerkampf. Viel Glück!

Anzeige

Verhandlung unter Bands schief gelaufen

Du selbst

Am härtesten ins Gericht gehen Künstlerschweine immer noch mit sich selbst. „Kann ich das so schreiben? Klar kann ich. Obwohl, eigentlich eher nicht. Oder doch? Nee, auf keinen Fall. SONGTEXT.doc LÖSCHEN." Ständig wirfst du dich im Konflikt mit dir selbst hin und her. Wie soll deine nächste Platte klingen? Kannst du wirklich in die bescheuerte Radiosendung gehen, auf die du letztes Jahr noch geschimpft hast? Sind dir deine Eskapaden von gestern Nacht nicht eine Nummer zu schäbig, um daraus einen Popsong zu bauen? Und was ist das für ein komischer Quietsch-Synthie, den du da in die Mitte des Songs gebastelt hast? Der klingt absolut grauenvoll. Andererseits … Könnte auch den Sound einer ganzen Generation prägen.

Konfliktlösung: Mit verstellten Stimmen mit dir selbst ausdiskutieren. Bis einer weint!

Situation endgültig eskaliert.