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Drogen

Wie es sich anfühlt, mit 15 vom Kiffen eine Psychose zu bekommen

"Ich lernte auf die harte Tour, meinen Körper richtig einzuschätzen."

Foto von Leah Grace | Flickr | CC BY 2.0 Sofia* erzählt mir ihre Geschichte in ihrer WG in Zürich. Die 28-Jährige ist mit 14 aus Portugal in die Schweiz gekommen. Sie hat ein freundliches Gesicht und ihre Rastas zu einem Knoten gebunden. Während im Hintergrund Tracy Chapman singt, redet sie offen über ihre Erfahrungen mit Cannabis, Klinikaufenthalten und Schlafstörungen. Sofia ist ein Ausnahmefall: Natürlich erleiden nur wenige, die kiffen, eine Psychose. Trotzdem erhöht sich durch den Cannabis-Konsum die Wahrscheinlichkeit dafür. Der Zusammenhang zwischen Cannabis und Psychosen ist aber komplexer, als er oft dargestellt wird – wie in diesem Artikel erklärt wird.

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Meinen ersten Joint rauchte ich mit neun. Mein Vater war Arzt, trotzdem oder gerade deswegen trank er zu viel Alkohol. Das war unter anderem der Grund vieler Unstimmigkeiten zu Hause. Es fühlte sich gut an, endlich mal dieser Welt entfliehen zu können. Ich konsumierte nach dieser ersten Erfahrung immer wieder Gras, mit elf Jahren rauchte ich bereits täglich, weil es mir half, mich besser auf die Schule zu konzentrieren. Hätte ich gewusst, was das Kiffen in meinem Leben anrichtet, hätte ich nie damit angefangen. Es hatte aber auch etwas Positives, ich lernte auf die harte Tour, meinen Körper richtig einzuschätzen. Wenn man das nicht kann, landet man wie ich, bald einmal in einer Klinik.

Noch während ich an jenem Abend mit 15 an meinem Joint zog, merkte ich, dass es nicht so war wie die anderen Male. Ich konnte erst keine normalen Gespräche mehr führen, später nicht mehr schlafen. Das wollte ich zuerst nicht einsehen, ich dachte, es gehe schon. Wenn ich einfach weiterkiffe, würden die negativen Gedanken schon verschwinden. Dann war es zu spät. Das Resultat war, dass man mich in einer psychiatrischen Klinik zuerst einmal mit einigen Medikamenten behandeln mussten, bevor ich wieder normal denken und reden konnte. Ich musste während der Zeit der Behandlung meiner Psychose bis zu zwölf Tabletten am Tag schlucken. Die Pfleger kontrollierten sogar meinen Mund, um sicherzustellen, dass ich wirklich alle genommen hatte. Die Medikamente, die ich bekam, bewirkten zwar eine Beruhigung der Situation, worüber ich echt froh war, aber sie hatten auch eine extrem starke Gewichtszunahme zufolge. Am Ende des zweiwöchigen Aufenthalts wog ich knapp 100 Kilo. 13 Jahre danach habe immer noch mit diesem Übergewicht zu kämpfen.

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Nach meinem Klinikaufenthalt machte ich eine Pause mit dem Kiffen. Doch kurze Zeit später begann ich von Neuem. Ich achte seither aber besser auf meinen Körper und kann so gefährliche Situationen verhindern. Ich rauche nur noch, wenn ich spüre, dass ich Entspannung brauche und nicht mehr, um mich aus psychischen Tiefs herauszuholen. Cannabis ist mein Begleiter geblieben, ich kann mich aber nie komplett auf ihn verlassen. Wenn ich zum Beispiel traurig bin, hilft es mir nicht – es macht dann alles nur noch schlimmer.

Gras und Hasch wirken bei mir total unterschiedlich. Hasch macht mich richtig paranoid. Wenn ich es hin und wieder trotzdem rauche, traue ich mich kaum mehr aus dem Haus. Ich fühle mich dann wie ein Magnet. Als ob mein Gesicht alle Menschen um mich herum anzieht. In einen Bus zu steigen, in dem mich alle anstarren, das halte ich nicht aus. Rauche ich Gras, erlebe ich etwas ganz Anderes. Ich werde ruhig und entspannt. Auch hier habe ich Nebenwirkungen, kalte Hände, Zitterattacken und Schweissausbrüche. Doch damit kann ich leben. Das allabendliche Kiffen vor dem Zubettgehen, ersetzt meine starken Schlafmedikamente. Da sind mir die Nebenwirkungen vom Kiffen doch lieber als diese Medikamente. Wenn ich solche nehme, erwache ich am nächsten Morgen mit einem riesigen Brummschädel. Eigentlich würde ich gerne aufhören zu kiffen, aber ohne kann ich nicht mehr schlafen. Meine Psychiaterin machte mir klar, dass ich mit Rückfällen rechnen müsse: "Sag niemals, nie mehr." Dieser Satz hat sich mir in all den Therapiesessionen am meisten eingeprägt. Es hilft mir zu wissen, dass ich jeden Tag so nehmen kann, wie er ist. Seit ein paar Tagen schaffe ich es aber tatsächlich ohne illegale Drogen. Ich rauche nur Cannabis mit CBD. Es reicht mir, mich so zu entspannen, dass ich keine Schlafmedikamente brauche. Den Flash des THCs vermisse ich nicht.

*Sofia ist nicht ihr richtiger Name, sie möchte aber aus Angst vor Stigmatisierung lieber anonym bleiben.

Für den Fall, dass auch du Probleme mit deinem Cannabis-Konsum hast, findest du hier und hier Informationen.

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