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Cheerleader verdienen in der NFL noch nicht mal den Mindestlohn

Schon seit einiger Zeit verspricht die NFL: Wir werden alles dafür tun, um die Frauen, die mit unserem Sport zu tun haben, besser zu schützen. Mit einer klitzekleinen Ausnahme: Cheerleader.
Foto: USA TODAY

In der NFL gab es in den letzten Spielzeiten einen regelrechten Aufschrei wegen mehrerer Fälle von häuslicher Gewalt. Daraufhin wollten die Liga-Funktionäre die Öffentlichkeit glauben lassen, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht haben. So habe man beispielsweise eigens einen Ausschuss zu häuslicher Gewalt ins Leben gerufen, wolle in Zukunft Lehrkurse zu dem Thema anbieten und darüber hinaus aktuelle Praktiken einer grundlegenden Prüfung unterziehen. Mit all diesen Maßnahmen solle folgende Botschaft in die Welt getragen werden: Wir machen alles erdenklich Mögliche, damit es Frauen, die mit unserem Sport zu tun haben, besser—und sicherer—haben.

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Mit einer klitzekleinen Ausnahme, versteht sich: Cheerleader.

Denn wenn es der Liga und den Teams wirklich um das Wohl der Frauen ginge, würden sie endlich die Arbeitsbedingungen von Cheerleadern genauer unter die Lupe nehmen. Und sie würden das erniedrigende Phänomen Cheerleading—mitsamt seiner Wirkung auf Fans und Spieler—kritisch hinterfragen. Denn Hand aufs Herz: Ist es nicht geradezu lächerlich, dass man in der NFL vorgibt, die Rechte von Spielerfrauen schützen zu wollen, während man gleichzeitig zulässt, dass ihre bekanntesten weiblichen Angestellten als billige Sexobjekte dargestellt werden? Eine Sache ist klar: Sobald sich die Liga solchen Fragen annimmt, entsteht unausweichlich eine unangenehme Folgefrage: Warum braucht die NFL überhaupt Cheerleader?

In verschiedenen Klagen, die letztes Jahr an amerikanischen Gerichten eingereicht wurden, wurde deutlich, dass Teams jede noch so kleine Fingerbewegung ihrer Cheerleader minutiös kontrollieren. Das nimmt sogar schon so absurde Formen an, dass offizielle Vereinsrichtlinien Cheerleadern vorschreiben, nicht zu häufig in der Ich-Form zu sprechen, in der Öffentlichkeit nicht zu viel Brot zu essen, nicht rechthaberisch aufzutreten und bitte nicht mit ihren Vorgesetzten zu diskutieren.

Auf bevormundende Anweisungen dieser Art würde man wohl kaum zurückgreifen, wenn man ernsthaft die Absicht hätte, die jungen Frauen zu mehr als nur sexy Maskottchen des Vereins zu machen. Doch damit nicht genug: Cheerleader sind außerdem unterbezahlt und werden in vielen Fällen ausgebeutet. Im Prozess um das Cheerleader-Team der Cincinnati Bengals kam heraus, dass den Cheerleadern für ein Spiel gerade mal 90 Dollar gezahlt wurden. Und für ihre vertraglich vorgeschriebene Teilnahme an 12 Wohltätigkeitsveranstaltungen haben sie sogar keinen einzigen Cent gesehen. Und die Buffalo Jills, die Cheerleader hinter dem NFL-Team aus Buffalo, gaben an, jede Woche fast 20 Stunden unbezahlte Arbeit verrichtet zu haben. Beim Cheerleader-Team der Oakland Raiders haben sie hingegen zwar 125 Dollar pro Spiel verdient, lagen damit aber immer noch deutlich unter dem für Kalifornien gültigen Mindestlohn. Die meisten Klubs mit Cheerleader-Teams zahlen nicht für deren Proben. Sogar für Reisekosten müssen Cheerleader in den meisten Fällen selber aufkommen. Und das wenige, was sie verdienen, wird bei bestimmten „„Verstößen" strafweise auch noch gekürzt. Dazu reicht es schon aus, den falschen Nagellack aufzutragen oder mit nicht-polierten Schuhen zu erscheinen. Klarer Fall: Vor den militärischen Mitarbeiterstandards in der NFL ist einfach niemand gefeit.

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„„Als Cheerleader verdienst du fast überhaupt nichts", so Lacy T., die die Raiders verklagt hat, in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender HBO. „„Da bist du echt noch besser dran, wenn du den Fans Bier und Hotdogs verkaufen kannst."

Mitglieder der Buffalo Jills gaben an, dass sie in Casinos wie zur Fleischbeschau vorgeführt wurden. Und einmal im Jahr, anlässlich zum Jills Golf Tournament, konnte man(n) die Frauen als Preise abstauben. Die Gewinner sind dann mit ihren „hübschen „Pokalen" im Schlepptau in Golfmobilen über das Gelände gedüst. Dabei haben viele der Herrschaften von den Cheerleadern verlangt, dass sie auf ihrem Schoß Platz nehmen. Zudem standen für die Cheerleader jede Woche körperliche Begutachtungen auf dem Programm. Dann wurde bei Hampelmännern darauf geachtet, dass bei den Frauen alles schön knackig ist. Wabblige Körperstellen—nein danke! Nur schwer zu glauben? Da hilft ein Blick in das Regelbuch vom Cheerleader-Team der Cincinnati Bengals: Denn dort wird hängenden Brüsten sowie Unterwäsche unter dem Cheerleader-Outfit ein Riegel vorgeschoben.

Frauen—die als Tänzerinnen und Athletinnen Anerkennung finden wollten—fanden sich also schnell in Rollen wieder, in denen sie ausschließlich wie sportliche Barbies behandelt wurden. Und der NFL ist die ganze Angelegenheit herzlich egal.

Dass sich die Frauen diesen Bedingungen zu unterwerfen haben, hängt auch damit zusammen, dass man(n) erwartet, dass Cheerleader alles dafür geben müssen, um die tapferen Helden auf dem Spielfeld anzufeuern. Mehr als lautstarkes Zujubeln wird dann auch nicht gerne gesehen, denn wer will schon wissen, was eine Frau denkt? Diesen Frauen—zum Teil mit Abschlüssen in Wirtschaft, Philosophie und Medizin—wird gesagt, dass sie sich bei offiziellen Team-Events nicht zu religiösen, politischen oder anderweitig sensiblen Themen äußern sollen. Ihnen wird nicht nur untersagt, in Team-Kluft zu essen oder sich—auch bei groben Missständen—zu beschweren, nein, ihnen wird außerdem noch vorgeschrieben, wie sie ihre Vaginen sauber zu halten haben. Die Botschaft an Cheerleader ist dementsprechend einfach wie erniedrigend: Ihr gehört uns, auf und abseits vom Feld, und das sollte für euch sogar ein Privileg sein. Denn Hunderte stehen schon bereit, euren Platz zu übernehmen.

Welchen anderen Zweck kann Cheerleading in der NFL schon verfolgen als die bedingungslose Bespaßung der männlichen Zuschauer (bei gleichzeitiger Erniedrigung der Frau)? Und machen wir uns nichts vor: Es geht nicht darum, mit den immer kürzer werdenden Kostümen die Spieler auf dem Feld anzufeuern. Du kannst davon ausgehen, dass die Aussicht auf das große Geld und Ruhm motivationsstiftend genug ist—da braucht es keine Puschel und akrobatischen Sprünge mehr. Wenn du darauf die NFL-Funktionäre ansprichst, wirst du hören, wie sie sich hinter offiziellen Statements verstecken, die die Botschaft haben, dass die NFL rein gar nichts mit der Zusammenstellung, den Trainingsmethoden und der Sanktionierung von Cheerleader-Teams am Hut hat. Die Entscheidung, Cheerleader einzusetzen, werde einzig und allein von den jeweiligen Teams getroffen. Trotzdem ist sich die NFL nicht zu schade, jeden Mittwoch auf ihrer offiziellen Seite eine Bildergalerie mit den „besten (sprich: heißesten) Cheerleadern zu veröffentlichen. Wir finden, auch diese Doppelmoral vonseiten der NFL ist eigentlich einen Applaus wert!

Keine Frage: Diese Frauen haben eine deutliche bessere Plattform für ihr Talent und ihre große Leidenschaft verdient, vor allem auch deswegen, weil sie für ihre Klubs eine Menge Geld bedeuten. Denn Schätzungen von Forbes zufolge verdienen NFL-Klubs jedes Jahr zusätzlich eine Million Dollar an ihren Cheerleader-Teams. Darum ist auch die Frage, warum man in der NFL auf Cheerleader setzt, schnell beantwortet. Es geht um Geld, um was auch sonst. Und vor dem Hintergrund, dass wir es bei der NFL mit einem ganz besonders profitorientierten Business zu tun haben, wird schnell klar, dass die Liga einen Teufel tun und mit dieser Praxis brechen wird. Eine Praxis, die den Klubs schließlich fast zum Nulltarif Jahr für Jahr Millionengewinne garantiert. Dass moralische Bedenken in dieser Rechnung nichts zu suchen haben, sollte dann auch niemanden groß überraschen.

Kurzum: Will die amerikanische Football-Liga den Frauen wirklich eine kraftvolle Botschaft aussenden, sollte sie das Cheerleading komplett abschaffen. Wenn nicht sollte sie wenigstens dafür sorgen, dass Cheerleader endlich mehr als nur einen Hungerlohn verdienen.