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Abschied tut weh—Das sind die 8 schlimmsten Momente der ARD-Echoverleihung

„Erschöpft und müde“—Die ARD trennt sich vom Echo. Dabei ist doch in den letzten acht Jahren so viel großartig Schlimmes passiert.
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Der Echo ist der wichtigste Preis der deutschen Musikindustrie. Klingt super, klingt aber auch falsch. Denn wenn sich eine Industrie selbst feiert, dient die Verleihung doch nur dazu, sich gegenseitig feuchte Zungenküsse zu verpassen (oben- und untenrum). Sogar unter Künstlern wird der Preis mittlerweile belächelt, werden die Preise doch fast ausschließlich anhand der Verkaufszahlen und nicht der Qualität der Musik verliehen. Die große Frage der Echoverleihung, wer von den fünf „nominierten" Kandidaten denn nun wohl den Preis gewinnt: nur für naive Zuschauer spannend. Dazu kommt jedes Jahr aufs Neue ein Bühnenprogramm, dass uns die Fremdschamesröte in die Augen treibt, ganz zu schweigen von den verhaspelten Moderationen und der altdeutschen Humorlosigkeit, die traditionell wie ein mit Stacheldraht umwickelter Baseballschläger im Arsch der Veranstaltung steckt. Und zwar quer.

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Ist der Ruf erst ruiniert, hat selbst die ARD keinen Bock mehr und so wird die Echoverleihung 2017 nicht mehr vom öffentlich-rechtlichen Sender übertragen, RTL-Kind VOX übernimmt. Als Grund nannte der ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber laut Spiegel „inhaltliche Gründe". Die diesjährige Ausgabe sei „erschöpft und müde" gewesen und überhaupt: „Wenn Musiker, für die der Preis vergeben wird, sich mehr Zuspruch davon versprechen, dass sie auf der Bühne ihren Preis dissen und schlechtmachen, wie kann der Zuschauer zu Hause Spaß daran haben?" Wir möchten da widersprechen: Gerade dieses Dissen hat die Verleihung noch ein bisschen unterhaltsam gemacht (s/o Sido), weil sie dann kurz aus der beklemmend erstickenden Etikette ausgebrochen ist. Dafür gab es in den letzten acht Jahren ganz andere Momente, die so schlimm waren, dass wir die Entscheidung der ARD ganz gut nachvollziehen können:

Oliver Pochers Gagfeuerwerk von 2009

2009 wurde der Echo nicht mehr von RTL, sondern der ARD ausgestrahlt und da war man wohl noch ein wenig unschlüssig, wie sehr man diesen Preis überhaupt leiden kann. Anders ist nicht zu erklären, warum sich Oliver Pocher als Co-Moderator neben Barbara Schöneberger durch den Abend witzelte. Besonders prägend seine Anmoderation für das beste Video, bei dem erst alle Videos kurz gezeigt wurden, um sie uns dann nochmal zu zeigen—diesmal mit einem billig reingemauschelten Oliver Pocher. Eine lustige Idee, die schon auf dem Reißbrett für nervöses Augenzucken bei den Verantwortlichen gesorgt haben muss. Wie auch immer: Sido gewann das Ding und während er auf Pocher zuschritt, erzählte der Fernsehsprecher geflissentlich, dass Pochers Freundin ja gerade Sido wegen Beleidigung angezeigt hatte. Erwartungsvoll lehnten wir uns nach vorne, fieberten der Begegnung der Beiden entgegen. Aber nichts passierte. Enttäuschung tut manchmal eben mehr weh, als ein Pocher-Witz.

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Bushido Laudatio für „Künstlerin des Jahres (national)" 2009

Heute unvorstellbar, aber 2009 waren Bushido und der Echo noch nicht so zerstritten wie heute. Damals hätte er sich auf Twitter wohl kaum so hämisch über den jetzigen Senderwechsel gefreut und das mit einem verurteilenden „#Inzestveranstaltung" verziert. Nicht nur, weil er erst seit Februar 2010 bei Twitter ist, nein, in den guten alten Tagen hatte er sich noch riesig über Echopreise gefreut und durfte im Gegenzug sogar eine Laudatio halten—für die Kategorie „Künstlerin des Jahres (national)". Eigentlich eine ganz charmante Kombination, würde Bushido nicht bei seiner Anmoderation so einen sexistischen Unsinn von sich geben und alle Klischees erfüllen, die so viele ARD-Zuschauer von Rap haben.

Die Nominierung von Frei.Wild als bester „Rock national"-Act 2011, 2013, 2014 und 2016

2011 wurden die Problemkind-Rocker von Frei.Wild zum ersten Mal als nationaler Rock-Akt nominiert und keiner kümmerte sich darum. Damals hatte eben noch keiner die Südtiroler auf dem Empörungsradar. Es sei denn, man hielt sich für geografisch bewandert und störte sich daran, dass Italien nicht in Deutschland liegt. Zwei Jahre später war der Medienrummel wegen einer erneuten Nominierung umso größer. Kraftklub und Mia wollten nicht mit der Band in einer Kategorie antreten, da dieser rechtspopulistische und nationale Tendenzen nachgesagt wurden. Der Vorstand reagierte und schloss Frei.Wild aus. Ein Jahr später waren die Südtiroler wieder nominiert. Zwei Jahre danach wieder. Ein Trauerspiel in zu vielen Akten.

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Die Helene Fischer-Gala von 2014

Wie schon das Jahr zuvor, durfte 2014 Schlagerpopstar Helene Fischer durch den Abend führen. Nebenbei war sie in vier Kategorien nominiert, gewann drei Preise und trat auch noch zwei Mal als Act auf. Helene Fischer-Fans sind mit dem Kleenex benutzen (wegen Tränen, ihr Ferkel) gar nicht mehr nachgekommen, so oft war ihre Heldin im Bild. Der Rest las gelangweilt und ungerührt den Videotext und ging bei dem Auftritt von James Blunt kurz in die Küche, um verzweifelt in den Kühlschrank zu schreien.

Andreas Gabaliers Auftritt als „Mountain Man" 2015

Andreas Gabalier, der Volksrock'n'Roller, der meint, dass Frauen nach der Entbindung gefälligst erstmal bei ihrem Kind und nicht ihrem Job bleiben sollen und dann auf Sexismus-Vorwürfe was von „genderverseuchter Zeit" schwafelte, hat 2015 beim Echo einen passenden Auftritt hingelegt. Die Performance seines Songs „Mountain Man" war unerträglich für jeden, dessen Rollenverständnis nicht aus dem 18. Jahrhundert stammt. Denn Gabalier inszenierte sich als männlichster Mann der Welt und ließ sich von zahllosen Frauen anschmachten, während er in einem Imperatorkostüm, bei dem selbst Kollegah verächtlich den Kopf schütteln würde, hoch über ihnen auf einem Berg stand.

Die Frei.Wild-Siegerrrede 2016

2016 lag Südtirol endlich in Deutschland und Frei.Wild gewannen den Preis als bester Act „Rock national". Jegliche Wortwitze mit „national" wurden bereits die Jahre davor gemacht, viel trauriger war jedoch die Siegerrede der kompromisslosen Rocker, die vor Opfermentalität nur so triefte. Erst wurde ein kleiner Zettel auseinander gefaltet, dann abgelesen: „Dieser Preis soll als Symbol für Standhaftigkeit, Durchhaltevermögen und Widerstand gegen Engstirnigkeit und Ausgrenzung dienen." Eines der wenigen Highlights blieb in dem Jahr die 187 Strassenbande. 2016 halt.

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