„Ich wollte Erwartungen zunichte machen“—The Bug über sein neues Album ‚Angels & Devils‘

Vor einigen Tagen ging es los: Auf Twitter wies Hyperdub-Chef Steve Goodman auf atwarwithtime.com hin. Eine WhoIs-Abfrage später war dann aber klar, dass es sich nicht um einen weiteren Baustein zum Hyperdub-Jubiläum, sondern um eine dem Ninja Tune-Label zugehörige Kommunikationsmaßnahme handelte. Und spätestens da stand fest: Das langerwartete The Bug-Album steht vor der Tür. Schon seit 2012 sprach der aus London stammende und heute in Berlin lebende Dub-Dancehall-und-Artverwandtes-Produzent Kevin Martin vom Nachfolger seines London Zoo-Albums (2008). In der Zwischenzeit startete er sein Label Acid Ragga, veröffentlichte einige Singles, kollaborierte mit zahlreichen Künstlern und ließ sich schließlich in den Funkhaus-Studios an der Nalepastraße in Berlin-Oberschöneweide nieder. Im August erscheint das Ergebnis dieses mehrjährigen Prozesses auf Ninja Tune in Form seines vierten Albums Angels & Devils.

Die damals als 12" veröffentlichten Kollaborationen mit Warrior Queen, Miss Red und (Inga) Copeland erhalten auf Angels & Devils nun eine Fortsetzung, nur ein Track mit Flowdan wurde für das Album übernommen. Aber alle geben die Richtung geben vor, und die heißt: dreckige, harte BASSmusik. Neben den Genannten finden sich weitere Feature-Beiträge von Liz Harris (Grouper), Justin Broadrick (Godflesh), Manga (Roll Deep), Death Grips und Gonjasufi, und damit sind wir auch beim Thema: Die ersten beiden Stücke des Albums wurden heute in ziemlich kaputter Form von „Save Me" und „Fuck A Bitch" im nebenstehenden SoundBUGplayer angeteased und—UPDATE—später in voller Länge s.u. veröffentlicht.

Per E-mail erklärte uns The Bug dann, was ihn nach Berlin zog, wie ihn persönlich die britische Migrationspolitik traf und was David Bowie mit ‚Angels & Devils' zu tun hat.

THUMP: Wie kam es zu deinem Umzug nach Berlin? Und wie unterscheidet sich das Leben hier zum Londoner ‚Zoo'?
The Bug: Aus mehreren Gründen. Vor allen Dingen weil die derzeitige britische Regierung und ihr fragwürdiger Premierminister [David Cameron] dem rechtspolitischen Flügel zugehören. Idioten, die ‚Ausländer' für die Probleme des Landes verantwortlich machen—statt die offensichtlich Schuldigen, wie überbezahlte Unternehmen, gierige Banker und goldgrabende Politiker. Das macht es für Nicht-EU-Bürger unmöglich, dort zu leben. Meine Freundin ist Japanerin und konnte wegen dieser Visa-Fragen nicht mehr in England bleiben. Viele ihrer asiatischen Freunde mussten das Land ebenfalls verlassen. Das wirkte also als Katalysator.

Und natürlich ist Berlin auch viel günstiger als London, das war also auch ein wichtiger Punkt, hier zu sein. Ich lebte zum Schluss allerdings auch in einem totalen Drecksloch von Stadtteil, Poplar im Osten Londons. Das ist dort ein Schmelztiegel sehr armer, unglücklicher Einwohner, gefährlicher Straßenbanden und beschissenen Wohnungen. Ich stellte fest, dass mein Leben in London nichts mehr mit Leben, sondern mehr mit Überleben zu tun hatte. Es war Zeit für einen Wechsel, und ich hatte schon immer eine Schwäche für Berlin: die vielfältige Geschichte und die ‚Don't give a fuck'-Attitüde. Während meinen Besuchen in Berlin habe ich über die Jahre hier viele musikalische Verbündeten gefunden—von der Hard Wax-Crew über die Shitkatapult-Leute, die Freaks von Small But Hard, die Digital Hardcore Noise-Teufel Mark Ernestus und Modeselektor und so weiter… Berlin ist toll, verglichen mit London. Jeder Tag ist wie Sonntag. Entspannt, weitläufig, und einen Sohn hat mir Berlin auch noch gegeben. So mein kinder ist ein kleine Berlinner! 'Tschuldige mein schlechtes Deutsch …

Wie arbeitet es sich so in den Studios in der Nalepastraße? Hat das die Arbeit an Angels & Devils beeinflusst?
Ich mag die Atmosphäre im Funkhaus sehr. Eine tolle Location am Ufer der Spree und total isoliert gelegen. Ich zog nicht nach Berlin, um Party zu machen, sondern um eine Heimat zu finden und zu arbeiten. Ich mag den Geist dieser Künstlergemeinschaft im Funkhaus und die Schönheit der Räumlichkeiten—wobei, meine nicht gerade … (lacht) Aber eigentlich unterhalte ich mich dort mit kaum jemand. Ich gehe zur Arbeit und verriegle dann die Tür. Ich habe hier im letzten Sommer das ganze Album abgemischt, obwohl mich meine Freundin jeden Tag im Rollstuhl hinschieben musste—meine Achillessehne war gerissen und ich konnte drei Monate lang nicht laufen. Die Freude und der Schmerz wurden also mit dem Mixdown-Prozess kombiniert. Berlin war jedenfalls ein verrücktes Abenteuer, soviel ist sicher.

Bild: Cover-Artwork von Angels & Devils

Von wem stammt die Art Direction des Albums?
Verantwortlich war ich, habe dafür eng mit dem unglaublich guten Illustrator und Künstler Simon Fowler gearbeitet. Der hat schon mit Earth und Sunn 0))) gearbeitet. Die Ästhetik ist ein unglaublich wichtiger Teil des Ganzen und reflektiert auch stark die Themen der Platte.

Haben dich deine Kollaborateure eigentlich in Berlin besucht?
Fast alle Vocals hatten wir schon in London aufgenommen, aber Miss Red hat ihre hier eingesungen. Und die Instrumentals wurden auch hier geschrieben.

Wenn ich die Pressemitteilung zu Angels & Devils und natürlich den Titel selbst recht verstanden habe, dann dreht sich dein Album um starke Kontraste. Trifft das auf die Musik selbst auch zu?
Das Album untersucht Gegensätzlichkeiten und erforscht Extreme, sowohl sonisch und—besonders wichtig—emotionale. Ich habe mich dazu entschlossen das Album in zwei Hälften zu spalten, Kontrast und Konflikt. Rückbetrachtet ist die Idee wohl teilweise von Brian Enos unglaublichem Album Low für David Bowie inspiriert—das wurde auch in Berlin produziert. Ich wollte einerseits die Erwartungen zunichte machen und gleichzeitig die Musik in fernere, intensivere Gebiete treiben. Ich meine dass es gleichzeitig zonal und misanthropisch ist.

The Bug - Angels & Devils:
01. Void feat. Liz Harris
02. Fall feat. Copeland
03. Ascension
04. Mi Lost feat. Miss Red
05. Pandi
06. Save Me feat. Gonjasufi
07. The One feat. Flowdan
08. Function feat. Manga
09. Fuck A Bitch feat. Death Grips
10. Fat Mac feat. Flowdan
11. Fuck You feat. Warrior Queen
12. Dirty feat. Flowdan

The Bug, Angels & Devils, Ninja Tune, 22. August 2014

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