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Interviews

Geschichtsstunde mit Sixth June

Wir hätten früher im Geschichtsunterricht besser von diesem Wave-Pop-Duo abschreiben sollen.

Foto von Christoph Voy

Es ist exakt 3.03 Uhr, und bevor ich die Einleitung für das unten stehende Interview schreibe, schreibe ich hiermit eine Einleitung für die Einleitung: Als ich 2010 zum ersten Mal ein Konzert von Sixth June besuchte, begrüßte mich ein Kollege mit den Worten, „Na, du bist doch auch nur hier, weil du die Sängerin heiß findest.“ Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich zwar tatsächlich oft aus ähnlich finsteren Motiven zu Konzerten gegangen bin, in diesem Fall aber da war, weil ich die Musik gut fand. Sixth June kommen aus Belgrad. Sie leben seit zwei Jahren in Berlin und machen, was man im weitesten Sinne Dark Synth Pop nennt. Obwohl musikalisch klar am New Wave der Achtziger orientiert, gefielen sie mir wegen der Klarheit des Stils, der nicht nur ihre Musik, sondern auch die dazugehörigen Videos und Illustrationen durchzieht. Am 9.12. veröffentlichen sie bei Mannequin ihre neue EP, weswegen wir uns letztens mit dem Mann hinter Sixth June, Laslo Antal, unterhalten haben.

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Noisey: Ich habe mich informiert, was so an den 6. Junis der Weltgeschichte passiert ist… Tetris wurde gelauncht. 1984. Und Kennedy wurde erschossen.*
Laslo Antal: Echt? Nein. Wurde er nicht. Ich meine, ich würde es wissen. Aber ich bin froh, dass du nicht vom D-Day und diesem ganzen Zeug angefangen hast.

Ich habe die ganzen Kriegssachen ausgelassen, weil sie mir Angst machen. Hast du eine Obsession mit Zahlen?
Nein. Es ist ein Zufall, dass wir uns um sechs getroffen haben… Nein, ich bin nicht von Zahlen besessen. Ich mag die 6, aber sie führt mich nicht durch's Leben oder so.

Ich habe mir gestern Nacht eure Videos angesehen und hatte den Eindruck, dass nicht nur die Songs, sondern auch die gesamte Visualisierung eine gemeinsame Ästhetik verfolgt. Ist das Absicht oder Zufall, weil du auch Filmemacher bist?
Es gibt keinen konkreten Plan, ich denke, es ergibt sich durch die Art, wie ich auch in visuellen Sachen arbeite, also Videos oder Zeichnungen oder der Musik. Ich habe mich nie hingesetzt und recherchiert, was passen würde oder gerade in ist. Manchmal sind es auch nur Zufälle, die sich während des Filmens ergeben. Lidija ist Schauspielerin, sie arbeitet an Filmen und Theaterstücken. Das ist ein wichtiger Teil der Band, die Performances und die Musikvideos basieren auf ihr und ihrem Schauspiel.

In den Videos sind es zumeist einfache Szenen, es ist nicht so, dass unglaublich viel passiert, aber sie haben eine sehr eigene Atmosphäre. Wie dieses Video mit den Wassermelonen, von wann ist das?
Das war vor zwei Jahren, für unsere letzte EP. Wir haben es hier in Berlin gedreht, es war Hochsommer, obwohl es wirklich verregnet und dunkel aussieht, wie der Sommer in Berlin eben. Eigentlich war der Plan, etwas im Sonnenschein zu machen, das sich von unseren vorherigen Videos unterscheidet, aber es ging nicht. Ich hoffe aber immer noch, dass ich das irgendwann machen kann.

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Taten dir die Arme davon weh, die ganze Zeit dieses Laken hochzuhalten?
Ja.

Wo wir von Ästhetik sprechen—was ist das Schönste, das du je gesehen hast?
Ich hatte einmal einen Traum von einem sehr bunten Baum. Das ist das erste, was mir einfällt, wenn ich nachdenken würde, wäre es sicher noch mehr.

Und das Hässlichste?
Ich erinnere mich nicht an hässliche Dinge.

Was findest du, hat sich zwischen eurem ersten Album und der neuen EP verändert?
Eine Menge. Im ersten Release ist immer alles drin, die ganzen 20-irgendwas Jahre, alle Einflüsse von vorher, selbst, wenn du es in zwei Monaten aufnimmst. Darum war ich damals sehr glücklich damit, aber jetzt ist es etwas anderes. Das war schon bei der letzten EP so, und das wird bei den Sachen, die wir in Zukunft machen, nicht anders sein. Du kannst dich immer verändern, und etwas Neues, Frisches machen.

… und in 20 Jahren ein Best Of.
Nein, was ich meine, unsere gesamte Arbeitsweise, wie wir Songs schreiben, aufnehmen und daran herangehen, hat sich vollständig geändert. Das hören vermutlich auch andere, aber uns fällt es noch mehr auf.

Es gibt dieses Video, in dem deine Großmutter ein Huhn tötet. Ihr kommt aus einem komplett unterschiedlichen Kontext, als dem, in dem ihr jetzt lebt und arbeitet. Was sind die Unterschiede?
Es klingt vermutlich klischeehaft, aber es ist hier viel freier. Den Leuten ist egal, was ich mag. In Serbien hast du manchmal diese Kleinstadtattitüde, sogar in großen Städten. Hier kannst du tun, was du willst.

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Das ist dort nicht so?
Nicht wirklich. Ich meine, die Wahlmöglichkeiten sind so klein, dass du am Ende gar keine wirklich Wahl hast. Aber ich war die letzten drei Jahre nicht da, vermutlich ändert sich auch viel. Hier denkst du darüber nach, wohin du ausgehst, dort musst du erstmal darüber nachdenken, einen Ort zu schaffen, zu dem man überhaupt ausgehen kann. Kunst ist eine der letzten Sachen dort, immer noch. Niemand hält sie für wichtig.

Aber siehst du Potential in der Situation?
Weißt du, meine Generation, und die, die etwas älter sind, glaubten, dass es besser werden wird. Besonders 2000, als es sich zur Demokratie änderte. Davor gab es zehn Jahre Krieg, und alle waren gegen das System, aber wenigstens war man gemeinsam gegen etwas. Und jetzt weißt du nicht einmal mehr, gegen wen du sein solltest. Ich glaube, eine Menge Leute sind es einfach leid, zu hoffen und daran zu arbeiten, dass es besser wird, vor allem, wenn du schon beinahe 30 bist. Du kannst nicht für immer warten.

Ich habe gehört, dass viele Leute um die 30 in Serbien an schweren Depressionen leiden, weil sie auf diese Revolution hingearbeitet hatten und sich dann nichts geändert hat.
Ja, aber sie glaubten daran. Und so vor fünf, sechs Jahren hat das aufgehört, und viele gaben einfach auf. Es war eine organisierte Sache, aber das ist nicht mehr so. Sogar Leute, die vollkommen unterschiedliche Ansichten hatten, wie das mit der Demokratie aussehen könnte, fanden sich zusammen und sagten: „So, wie es ist, wollen wir es nicht." Vielleicht hat es deswegen nicht funktioniert, weil es eben nicht reicht, das Hindernis zu beseitigen, du musst auch wissen, was du danach tun willst. ich habe mich nie sehr für Politik interessiert, aber wenn du dort bist, betrifft es dich eben.

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Welchen Song der neuen EP magst du am liebsten?
„Pleasure". Er unterscheidet sich am meisten davon, was wir vorher gemacht haben. Es ist das, was ich gerne hören würde. Beim nächsten Mal wird es wieder etwas anderes sein. Darum hat diese Veröffentlichung auch so lange gedauert. Wir hätten weiter machen können, was wir vor zwei Jahren gemacht haben, es funktioniert, die Leute mögen es, aber … es sollte ein Schritt sein. Ich bin froh, dass wir uns verändert haben.

Du arbeitest auch als Illustrator. Du hast eine Reihe von Portraits gemacht, sind das wirkliche Menschen oder ausgedachte?
Beides. Ein paar sind nach Modellen, ein paar nur ausgedacht. Ich habe mich schon immer für Gesichter interessiert, das ist der Grund, warum ich sie auch oft auf Plakaten verwende. Ein Gesicht wird nie langweilig. Es sieht jedes Mal anders aus.

Danke.

Sixth June's neue EP Pleasure erscheint am 09.12.2013 bei Mannequin Records.

* Robert F. Kennedy wurde am 6. Juni erschossen, die Interviewerin hatte also nicht vollkommen Unrecht.

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