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Interviews

Dürfen wir vorstellen: Der traurigste Morrissey-Fan der Welt

Er ist stolzer Besitzer von Morrissey-Gebetskerzen, einer Morrissey-Jacke (die seine Mutter genäht hat) und hat Morrissey einen Strauß Blumen zum Konzert mitgebracht.

Wir sind in Los Angeles und Morrissey spielt als Headliner vom FYF-Festival. Besonders aufgefallen ist uns der 29-jährige John Ochoa. Der in L.A. geborene Sohn mexikanischer Eltern verehrt den ehemaligen Smiths-Frontmann und Katzenliebhaber, der von seinen treusten Anhängern liebevoll Moz genannt wird, abgöttisch. Obwohl er noch nie in Nordengland war, wo der 56-jährige Dandy auf die Welt gekommen ist, kennt Ochoas Morrissey-Begeisterung keine Grenzen. Er war definitiv der hingebungsvollste Steven Patrick Morrissey-Anhänger, den wir das ganze Wochenende getroffen haben. Er schleppte nicht nur einen Blumenstrauß mit sich herum, hatte eine 50er Jahre Frisur (diesen Morgen erst geschnitten) und trug eine selbstgemachte (bzw. von seiner Mutter genähte) Jeansjacke, auf deren Rücken ein großes Morrissey-Bild prangte, sondern ließ sich auch von uns aus dem Zuschauerbereich direkt vor der Bühne weglocken, wo er tapfer für den Auftritt seines Idols ausgeharrt hatte—nur um uns zu erzählen, warum seine Leidenschaft so weit geht. Mit seinen eigenen Worten: „Alles für Morrissey!“ Amen.

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Noisey: Erzähl doch mal was zu deinem Outfit.
John Ochoa: Die Blumen hier habe ich, weil Morrissey immer Blumen auf der Bühne hat und ein großer Blumenliebhaber ist.

Morrissey ist ein großer Gladiolen-Liebhaber. Das hier sind Rosen.
Ich bin erst auf den letzten Drücker zum Supermarkt gegangen. Sie sind schon ganz schön, aber keine Gladiolen. Ich habe es versucht. Pech gehabt. Ich schätze, dass es dieses Wochenende eine generelle Blumenknappheit in L.A. gibt. Bis jetzt bin ich aber der Einzige hier, den ich mit Blumen gesehen habe.

Nun zu deinen Haaren…
Ich habe sie mir heute schneiden lassen. Den Look hatte ich vorher schon, aber ich habe sie mir extra für heute stylen lassen—diesen Pompadour-Look. Ich bezeichne es als einen Mix aus Morrissey und Don Draper von Mad Men: modern und altmodisch.

Denkst du, Morrissey würde Don Draper mögen?
Das ist eine gute Frage, aber ich glaube nicht. Vielleicht weil er so ein großes Ego und Persönlichkeit hat—Don Draper ist ja auch so. Morrissey hasst aber einfach alle. Ich glaube also nicht.

Wer ist deiner Meinung nach wohl gerade auf Morrisseys Abschussliste?
Donald Trump. Absolut!

Hast du auch so eine Liste wie Morrissey?
Nein, ich komme eigentlich aus der Rave-Szene. Bei mir dreht sich alles um Liebe, Hoffnung und Akzeptanz. Ich bin sehr tolerant, was andere Meinungen angeht.

Foto von Jennica Abrams

Erzähl mir etwas über deine Jeansjacke.
Ich habe diese ganzen Pins von den Smiths- und Morrissey-Alben. The Queen Is Dead, Meat Is Murder, etc. Ich habe diese Jeansjacke in einem Vintage-Shop gekauft, aber meine Mutter hat dann das Morrissey T-Shirt auf den Rücken genäht. Sie hat es auch ausgeschnitten. Das hat alles schon diesen Punk-Touch—Crass, Ramones—das Gleiche gilt auch für die Pins, aber natürlich mit einem Morrissey-Twist.

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Wie oft hast du Morrissey schon live gesehen?
Drei Mal. Das ist jetzt mein viertes und wichtigstes Konzert, weil es endlich mal in Los Angeles stattfindet. Ich habe dieses Jahr eine Menge emotionaler Dinge mit Freundin, Familie und mehreren Umzügen durchgemacht. Seit Anfang April höre ich jeden einzelnen Tag Morrissey und The Smiths. Immer wieder die gleichen Songs auf Repeat. Es hat mir geholfen. Die Songs sind vielleicht super traurig, aber für mich klingen sie aufmunternd. Ich bekomme davon gute Laune. Manchmal ist es auch schön, traurig zu sein.

Würdest du sagen, dass du der traurigste Morrissey-Fan hier auf dem Festival bist?
Ja, doch. Ich bin vier Mal in den letzten 15 Monaten umgezogen und habe in den letzten vier Monaten vier heftige Trennungen durchgemacht—dazu noch Familienprobleme. Schwermut fließt wie Blut durch meine Adern.

Welches ist dein Lieblingslied von den Smiths oder Morrissey?
„This Charming Man“ ist mein Lieblingssong überhaut. Aller Zeiten. Es ist das Lied, zu dem ich heiraten und mich beerdigen lassen werde.

Wenn wir jetzt also von einem Bus überfahren werden …
Das Vergnügen wäre ganz auf meiner Seite. Absolut!

Bist du mehr Morrissey- oder Smiths-Fan?
Smiths! Ich mag auch Morrissey Solo, aber er ist viel zu weinerlich und nölig geworden. Zu viel Drama. Ich mag die Smiths, weil dort Morrissey und Johnny Marr zusammen spielen. Das könnte jetzt aber das letzte Mal sein, dass ich ihn sehe. Er hat ja Krebs. Vielleicht möchte er bald eine Erholungspause einlegen oder wird einfach… sterben.

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Welches ist das beste Smiths-Album?
Entweder The Queen Is Dead oder das selbstbetitelte Album. Ersteres höre ich jeden Tag rauf und runter.

Was ist deine frühste Erinnerung an Morrissey?
Ich war in der High School und Teil der Mexican Morrissey Army, ohne das überhaupt zu wissen. Ich hatte eine High School Party bei mir zuhause veranstaltet und auf KROQ lief so ein 80er Retromix. Dabei wurden auch zwei Morrissey-Songs gespielt. Einer davon war die „This Charming Man“-Version von den Peel Sessions. Ich erinnere mich noch, wie ich mir dachte: „Wer ist dieser Engel, der da für mich singt?“ Es hat mich wirklich sehr berührt. Auch das Wort „Charming“ blieb bei mir hängen. So etwas hört man nicht oft. Ich schreibe viel, also weiß ich auch Sprache zu schätzen. Es war einfach so eloquent. Der damalige Freund meiner Schwester sagte mir, wer er war, und eines Tages bekam ich The Queen Is Dead zwischen die Finger und legte es auf. Von da an hat es mich voll erwischt. Ich begann, die Texte zu lesen und mich mit ihm als Person auseinanderzusetzen.

Hast du sein Buch Autobiography schon gelesen?
Ich bin gerade dabei. Ich habe quasi meine persönliche Morrissey- und Johnny Marr-Bücherei. Es ist schon lustig. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mit dem Buch zum Festival fertig zu sein, damit ich mich ihm näher fühlen kann, aber ich habe es nicht ganz geschafft.

Foto von John Ochoa

Hat das etwas Religiöses für dich?
Hat es absolut. Weil wir uns hier in Downtown L.A. befinden und meine ganzen Latino-Brüder und -Schwestern hier sind, werde ich so weit nach vorne gehen, wie ich kann, und meine Blumen auf die Bühne werfen. Ich glaube an das Universum. Letzte Woche habe ich Morrissey und Kanye Gebetskerzen bei Etsy gekauft.

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Was würdest du Morrissey fragen, wenn du ihn mal treffen würdest?
Ich würde ihn fragen, was seine schönste Erinnerung ist—was ihn glücklich macht. Ich glaube, dass er geliebt wird, aber sich dazu entscheidet, das Meiste davon einfach zu ignorieren.

Das wollen wir wohl alle wissen.

Nach dem Auftritt treffen wir John nochmal.

Was sagst du zu seinen Auftritt?
Ich habe meinen Freund Geoff getroffen, der mal Manager von Crystal Method war. Er hat es ziemlich perfekt zusammengefasst: Morrissey kann eine Herausforderung sein. Er spielt nicht die Hits, die du hören willst. Er sprenkelt hier und da ein paar bekannte Songs ein, aber du weißt nie, was du erwarten kannst. Ich fand es toll, dass er sich über die Security-Massen hinter den Barrikaden vor der Bühne aufgeregt hat. Ich war traurig, dass keine Blumen auf die Bühne geworfen wurden. Er hat auch kein einziges Mal sein Hemd gewechselt oder Kleidungsstücke ins Publikum geworfen. Das sind alles wichtige Traditionen für einen Morrissey-Fan, aber beim FYF fehlten sie. Er schien auch etwas gestresst zu sein, aber ich fand die Bewunderung auch super, die er für Los Angeles, seine neue Heimat, gezeigt hat. Außerdem hat er seinen mexikanischen Fans im Publikum besonders viel Liebe gegeben. Es war immer noch ein sehr besonderer Auftritt für alle von uns. Wir fühlten uns wie zu Hause.

Noch mehr Morrissey-Fanatismus findest du auf John Ochoas Instagram

Eve Barlow würde Morrissey gerne glücklich sehen. Folgt ihr auf Twitter—@Eve_Barlow

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