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„Nix mit Kalkül, sondern einfach nur Bock!“—Donots im Interview

Plötzlich singen die Donots auf ihrem neuen Album ‚Karacho‘ nur noch auf deutsch. Wir wollten wissen, was dahinter steckt.

Foto: Universal Music

Die Schweden haben Millencolin, die Amerikaner Rise Against und die Deutschen haben die Donots. Die Jungs machten 2002 mit dem Twistet Sister-Cover „We’re not gonna take it“ auf sich aufmerksam und sind seitdem zu einer internationalen Punkrock-Größe herangewachsen. In zwanzig Jahren zehn Alben zu veröffentlichen ist kein schlechter Schnitt, doch droht bei einer solch verlässlichen Regelmäßigkeit nicht irgendwann kreativer Stillstand? Über solche Einwände können die Donots nur weise den Kopf schütteln. Denn mit ihrem neuen Album Karacho legen sie einen unerwartet gelungenen Reboot hin. Dieser beschränkt sich nicht nur auf die offensichtlichste Neuerung, komplett auf deutsch zu singen. Die Donots klingen außerdem jetzt so kratzig und straight, wie selten zuvor.

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Stellt sich natürlich Frage, warum sie gerade jetzt diesen Weg eingeschlagen haben. Glücklicherweise muss ich dafür nicht das Internet bemühen, sondern darf sie den Jungs persönlich im Berliner Ramones-Museum stellen. Im Hinterzimmer des Museums haben die Jungs es sich an einem kleinen Tisch bequem gemacht, um mir darauf eine schlüssige Antwort zu geben. Nebenbei erzählten sie auch, wie wichtig es sei, mit Songtexten Probleme direkt anzusprechen und warum Sänger Ingo auf keinen Fall wie Rosenstolz klingen wollte.

Noisey: Die Reaktion eurer Fans auf eure erste Videoauskopplung „Ich mach nicht mehr mit“ war ja echt positiv. Überrascht?
Ingo: Das hat uns glücklich gemacht!
Alex: Also überrascht wäre zuviel gesagt. Dann hätten wir damit gerechnet, dass es nicht gut ankommt. Tatsächlich haben Leute, die mit uns zu tun haben, gesagt: „Macht euch auf ordentlich Gegenwind gefasst!“ Da haben wir uns nur gefragt, warum denn eigentlich? Wir stehen voll drauf und wissen gar nicht, was man dagegen haben kann. Auf dem Papier beäugt man das immer skeptisch. „Warum nach zwanzig Jahren jetzt eine deutsche Platte? Was steckt da für ein Kalkül dahinter?“ Und dann hörst du die Platte und merkst, dass sie einfach Bock macht. Nix mit Kalkül, sondern einfach nur Bock!
Ingo: Wenn du da Verschwörung oder Anbiederung riechst, zücke ich die Karte, dass wir das in den letzten zwanzig Jahren schon so oft hätten machen können. Es gab so oft Zeiten, in denen es extrem dem Trend folgend gewesen wäre, eine deutsche Platte rauszubringen. So haben wir aber nie funktioniert.
Jan-Dirk: Ich glaube, du würdest es der Platte anhören, wenn es ein Konzept wäre. Wir sind da reingestolpert und wollten es ausprobieren. Eigentlich sollte es nur ein Song sein, eine Geburtstagsüberraschung an die Leute. Nur eben mit dem Special, das es auf deutsch ist. Da hatten wir schon den Anspruch, dass es gut sein muss. Der Anspruch war auch später da: Wenn es nicht gut ist, bringen wir es nicht raus. Ich stehe absolut hinter der Platte. Gab es denn den Vorwurf, dass es Kalkül ist?
Alex: Nein, tatsächlich noch nicht. Es hätte aber sein können, dass es im ersten Moment so wirkt, als wollten wir die Hosen beerben oder nach dem letzten Strohhalm greifen, weil es nicht mehr läuft. Das wäre ja das offensichtlichste Argument. Bei den Interviews wurde uns jetzt aber oft gesagt, dass man einfach hört, dass wir im Studio standen, auf laut gedreht haben und dabei diese Platte rausgekommen ist.

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Ich habe euch damals zum ersten Mal durch „We’re not gonna take it“ wahrgenommen. Zur Vorbereitung auf dieses Interview habe ich mir nochmal das Video angeschaut und mir ist aufgefallen, dass es vom Stil her schon viele Parallelen zu „Ich mach nicht mehr mit“ gibt.
Alex: Ja stimmt, das habe ich gestern Abend auch bemerkt! Es war also keine bewusste Entscheidung?
Ingo: Nein, absolut nicht, aber pass auf: Lustigerweise ist der Typ, der damals das Video gedreht hat, dieses Mal Kameramann gewesen.
Alex: Ach stimmt ja!
Ingo: Wir haben uns seitdem aber nicht gesehen und mittlerweile sind ja auch zwölf Jahre ins Land gegangen.
Jan-Dirk: Der hat uns die gleiche Idee einfach nochmal verkauft (alle lachen).

Der Song ist ja schon eine Ansage, gerade in Zeiten von Pegida. War das eine bewusste Entscheidung, ihn gerade wegen der Thematik als erste Single zu veröffentlichen?
Alex: Das war einer der ersten Songs, die wir für die Platte geschrieben hatten. Damals war das ganze Ding mit Pegida noch gar nicht absehbar. Dass sich da was zusammenbraute, hatte man aber schon im Gefühl. Es ging aber eher von der musikalischen und weniger von der inhaltlichen Seite aus, mit diesem Song loszulegen.
Ingo: Das war einer der ersten Songs, an dem wir umprobiert und alle ein Grinsen im Gesicht hatten. Deswegen ist es schön, dass wir mit dem Song loslegen, bei dem ich das erste Mal deutsch drüber gesungen habe. Einige der Passagen sind noch direkt aus dem ersten Take.
Alex: Genau, weil das so ein spezieller Moment war und alles, was wir später aufgenommen hatten, nicht mehr dieses Feuer hatte. Das war die Initialzündung für das ganze Album. Deswegen wollten wir damit auch starten. Es gibt aber auch Songs, in denen wir deutlich Stellung beziehen. Der Song „Dann ohne mich“ ist ja an sich ziemlich poppig und soll ein bisschen der Wolf im Schafspelz sein, weil er inhaltlich eine Ansage ist.
Ingo: Das ist ein gutes Beispiel. Die erste Version des Textes hatten wir schon komplett eingesungen gehabt, aber ich war die ganze Zeit nicht ganz zufrieden. Das war mir noch zu „Middle of the road“. Dann habe ich alles weggeschmissen, den komplett neu geschrieben, ihn den anderen präsentiert und die so: „Ja, natürlich! Genau so muss das sein!“ Auf einmal hast du ein ganz anderes Gefühl zu dem Song, weil er für dich und das Album wichtiger geworden ist. Ich habe jetzt auch gemerkt, wie viele Deutschpunk-Alben zeitlos sind, weil sich die Probleme nicht großartig geändert haben. Beispielsweise könnte Schweineherbst von Slime aktueller nicht sein, obwohl die Platte schon Asbach Uralt ist. Das ist der Anspruch, zu dem ich textlich auch hinwollte. Keinem auf die Füße treten, alle Probleme umschiffen und keine Position beziehen, ist einfach. Das ist aber nicht das, was wir wollten. Wenn das Penner und Idioten sind, kann ich ruhig sagen, dass das Penner und Idioten sind. So. Durch die deutsche Sprache klingt ihr auch gleich viel rauher.
Ingo: Ja, das stimmt.
Alex: Darüber haben wir uns auch gewundert und gefreut, weil es Freude gemacht hat, dass die Sprache auch in der Musik neue Synapsen angekitzelt hat. Alles ist losgebrochen, als würden wir zum ersten Mal Songs schreiben. Bei den ersten Sessions gab es nur Rasenmäher-Songs: laut, schnell, nur Geschrei. Das war geil und hat das Feuer geschürt, so weiterzumachen. Das bringt einen neuen Schwung und ein ganz neues Selbstbewusstsein mit sich. Macht Bock. Das habe ich jetzt schon zum zehnten Mal gesagt (alle lachen).

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Laut Promotext hast du dir viel Rosenstolz und Pur angehört, um zu wissen, wie du nicht deutsche Texte schreiben solltest. Was genau wolltest du vermeiden?
Ingo: Gefühlsduselei und Schwafelei mag ich überhaupt nicht. Pathos ist auch ganz fürchterlich, diese Unheilig-Becker-Faust, Kalendersprüche, Leute, die sich „Carpe Diem“ in die Küche tackern, das ist mir alles zu viel und gleichzeitig zu wenig. Meine Lieblingskünstler haben immer die direkte Ansprache gewählt oder waren extrem clever. Nimm zu Beispiel …But Alive, Slime, Dackelblut oder die alten Toten Hosen, das funktioniert super. Den Pathos hat ja Casper auf ein neues Level gehoben, obwohl er es auch clever verpackt.
Ingo: Ja, aber das würde ich eher eine gewisse Art von Teenage Angst nennen. Das ist ein ähnlicher Stil wie Muff Potter oder so. Jedenfalls die erste Platte, die zweite kenn ich nicht.

Hattet ihr Bedenken, dass eure Fans aus dem nicht-deutschsprachigen Raum jetzt ein wenig abgeschreckt werden?
Jan-Dirk: Tatsächlich werden wir die Platte auch nochmal auf englisch aufnehmen, um sie im Ausland zu veröffentlichen. Die Japaner haben zwar gesagt, dass für sie auf deutsch auch total geil wäre, weil sie eh beides nicht verstehen. Wir werden sie denen aber sicherheitshalber auch nochmal auf englisch rüberschicken. In den nächsten Tagen werden wir das mal angehen. Die Texte stehen schon. Sich da zu beschneiden, wäre schade.
Alex: Und auch das ist ein interessantes Experiment gewesen, die Texte jetzt eben auf englisch zu hören. Deutsch spricht dich viel direkter an.
Jan-Dirk: Guido meinte beim ersten Song, dass er zwar auch versteht, was auf englisch gesungen wird, aber es auf deutsch viel mehr knallt, weil es direkt bei dir landet.

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Das Artwork eurer Platte hat schon eine gewisse Ähnlichkeit mit Unknown Pleasures von Joy Division. Was war eure Idee?
Ingo: Ja, lustig, das sagen ganz viele.
Alex: Wir hatten verschiede Auswahlmotive von unseren Grafikern. Dann waren Ingo und ich bei denen im Büro und sie meinten, dass sie total an dieses Motiv glauben. Es sähe aus, als sei das ein Klassiker. Da haben wir auch gesagt: „Ja klar, weil es aussieht wie Joy Division!“ (lacht). Wir hatten noch nie so ein grafisches Cover gehabt. Wir haben es dann wirken lassen und irgendwas Geiles macht das. Es ist nicht als Joy Division-Verneigung geplant gewesen, aber wenn, ist es auch nicht die schlechteste.
Jan-Dirk: Es gab auch die typischen Vorschläge. Woran du halt bei Karacho denkst. Das war uns aber alles zu platt.
Guido: Ingo möchte halt Cover, die du dir tätowieren lassen kannst.
Ingo: Dieser Anspruch muss immer funktionieren. Es muss ein Element dabei sein, wo du dir sofort vorstellen kannst, wie das als Tattoo aussieht.
Alex: Ich finde, es ist bis jetzt unser bestes Cover und habe sogar eine Erinnerung auf meinem Handy: Groß ausdrucken und aufhängen.

Ihr seid seit zwanzig Jahren eine Band. Welche Meilensteine wollt ihr noch erreichen?
Alex: Ich finde das gerade eine abgefahrene Situation, eben dieses Album in Kürze rauszubringen. Das ist für uns etwas ganz Neues und fast so wichtig, wie unsere erste Platte, die wir je gemacht haben. Die Reaktion waren bisher echt toll und ich freue mich total.
Ingo: Ich würde gerne in zehn Jahren sagen können, dass ich noch großer Fan unserer Band bin. Das ist für mich viel wichtiger. Wenn du seit zwanzig Jahren mit Leuten unterwegs bist, dann musst du eine Familie sein, aber das muss dich auch immer wieder aufs Neue umhauen. Damit die Leidenschaft auch immer dabei ist. Ich habe im letzten Jahr in so vielen Momenten auf der Bühne gedacht, dass ich ein so großer Fan unserer Band bin. Ich bin Fan des Arbeitsethos, Fan der Unverkrampftheit, Fan unserer Crew, Fan unserer Fans und bin glücklich, dass wir das machen dürfen. Mach das mal zwanzig Jahre, das ist der eigentliche Meilenstein! Am 20.02. erscheint Karacho. Du kannst es bei Amazon oder iTunes kaufen.

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