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Interviews

Dust Covered Carpet sind wie Therapie—nur günstiger

Anlässlich ihres vierten Studioalbums haben wir mit der Band über Estland, blasses rauschen und Staubsauger geredet. Ja, Staubsauger.

Alle Fotos von Gersin Livia Paya

Als ich mir Pale Noise in der Redaktion angehört habe, war es mein größter Wunsch mich in ein Bett mit einer zehn Meter hohen Matratze zu legen, mich von einem eingeölten, nach Weißem Moschus riechenden Kerl massieren zu lassen und über das unbarmherzige, gemeine und harte Leben nachdenken. Gleichzeitig war mir auch danach, unter Drogeneinfluss in einer Schlucht spazieren zu gehen und wütend Geröll durch die Gegend zu kicken. Ihr seht schon, normal oder gar unberührt ist man beim Hören vom vierten Studioalbum des Quartetts nicht. Die Rede ist von Dust Covered Carpet. Die Band um Volker Buchgraber hat sich auf Pale Noise mit zwischenmenschlichen Beziehungen, Freundschaft und dem Rauschen auseinandergesetzt.

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Volkers halbjährige Aufenthalt in Estland hat das Album hörbar beeinflusst—nach Sonnenschein und partyesken Melodien kann man lange suchen. Stoisches zuhören ist aber auch nicht möglich. Irgendwie ist ihr Werk eine Ganzkörpererfahrung. Es fordert auf, sich zu ihrem Rauschen zu bewegen und Gedanken auf eine lange notwendige Reise durch die Selbstreflexion zu schicken. Ich bin geradezu ein bisschen high vom Staub, den Dust Covered Carpet in uns aufwühlen. Ab 4. und 5. September könnt ihr euch in Graz und Wien von der rauschenden Wirkung von Pale Noise selbst überzeugen.

Noisey: Mal die plakative Frage zuerst: Worum geht´s auf Pale Noise?

Volker: Es geht sehr viel um Distanz, ums Orte wechseln, darum, dass es den wirklich supersicheren Ort nicht gibt und man den in sich finden muss. Ich habe diesen Gedanken sehr stark mit dem akustischen Reiz des Rauschens kombiniert. In diesem Rauschen habe ich diesen Ort und auch ein Wohlbefinden für mich gefunden. Um das geht es zum einen. Sonst sind auch Freundschaft und zwischenmenschliche Beziehungen im generellen ein Thema.

Zwischenmenschliche Beziehungen innerhalb der Band?

Volker: Ja, in einem gewissen Lied geht es beispielsweise auch um Bandmitgliederinnen.

OK. Rauschen kann ja sowohl etwas Angenehmes als auch etwas Störendes sein. Welche Art von Rauschen ist denn dieser Wohlfühl-Ort für dich?

Volker: Darüber habe ich auch eine Diplomarbeit geschrieben. In der wollte ich feststellen, für welche Menschen welches Rauschen angenehm ist. Man unterscheidet zwischen Rauschfarben—das sind verschiedene Frequenzbereiche, in denen es rauscht. Da gibt es zum Beispiel das graue und das braune Rauschen. Mein Lieblingsrauschen ist genau dazwischen. Das habe für mich definiert, generiert und es „blasses Rauschen" genannt. Pale Noise ist dieser Ort.

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Und ihr fühlt euch mit diesem Rauschen auch wohl?

Magdalena: Ja. Es gibt eine Nummer, „Antenatal", bei der gibt es eine zeitlang rauschen, dann ist es kurz ganz weg und es gibt nur zwei Stimmen und ein bisschen Geräusch. Ich finde es schön, dass man durch die Stille erst merkt, wie es ist, wenn es nicht rauscht. Da merkt man den offensichtlichen Unterschied zwischen Stille und Geräusch.

Wie wichtig ist euch der erste Song eines Albums? Bei Pale Noise ist der Opener ja eine a cappella-Nummer.

Volker: Für mich ist er immer einer der wichtigsten. Man soll schon durch die erste Nummer ins Album eintauchen können. Ich bin ein Typ, der ungern einzelne Nummern und Hits hört, sondern am liebsten eine ganze Platte. Gerade bei dem Album war es für mich sehr offensichtlich, dass es mit Rauschen beginnen muss. Die a acappella-Nummer wurde geschrieben, nachdem es die zweite Nummer schon gab—für diese wollte ich dieses Intro schaffen.

Magdalena: Es klang auch sehr cool a cappella zu proben.

Habt ihr das erste Mal damit experimentiert?

Volker: Nein. Das zieht sich bei uns schon über Jahre hinweg.

Das ist das erste Album von euch, das auf Siluh Records erscheint. Fühlt ihr euch beim Label wohl?

Volker: Ja. Es ist ein cooles Label, auf dem auch andere wirklich gute Bands vertreten sind. Für die läuft es auch sehr gut—deshalb hatten wir auch keine Angst zu dem Label ja zu sagen. Die machen das super.

Als ich euer Album angehört habe, fand ich, das es perfekt zu einem verregneten und verkaterten Vormittag passt, an dem man auf der Couch dahinvegetiert. Ist das ein passendes Szenario um Pale Noise anzuhören?

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Volker: Das ist ideal. Ich würde unsere Musik sowieso größtenteils Sonntag vormittags empfehlen. Wir sind keine Freitag-Abend-Party-Aufleger-Band.

Vor ein paar Wochen habe ich eine SMS bekommen in der stand: Pathos, ich liebe dich. Hätte das von euch sein können?

Volker: Ich weiß nicht, ob ich den Pathos liebe, aber ich kann auch nicht ohne ihn. Er entsteht immer—oder er entsteht sehr leicht. Ich tue mir schwer, nicht in den Pathos zu verfallen, wenn ich Lieder schreibe.

Armin: Ja und ich spiele ja Schlagzeug…. Aber ich probiere Akzente zu setzen.

Was sind Instrumente für euch? Ein Arbeitsgegenstand, ein partner in crime, ein Spielzeug?

Armin: Der Name „Instrument" sagt es ja eh schon.

Magdalena: Ich finde das ist unterschiedlich. Mein Cello ist sehr schlecht. Ich habe das schon immer und es war billig. Ich habe mir überlegt, das Album mit einem neuen Cello aufzunehmen. Ich habe mich dagegen entschieden, weil ich es meinem Cello gegenüber unfair gefunden hätte. Seit ich zehn bin spiele ich damit, deshalb wollte ich es auch auf dem Album haben. Ich habe zum Instrument eine andere Beziehung als zu anderen Gebrauchsgegenständen. Ich rede jetzt nicht damit oder so, aber es gehört zu mir und ich schau drauf.

Volker: Ja. Zu einem Musikinstrument hat man schon eine eigene Beziehung. Bei uns sind sie größtenteils nur im Proberaum. Die sind da in diesem Keller und dann packt man sie wieder aus, baut sie immer gleich auf und ab—für mich ist das eine On/Off-Beziehung. Jetzt, wo ich keine Lieder schreiben muss, mache ich zu Hause keine Musik mehr.

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Nein?

Volker: Nein. Die Lieder auf dem Album habe ich auch ohne Instrumente geschrieben. Nur am Computer. Letztes Jahr in Estland. Ich habe die Instrumente am Computer nachgebaut, habe so die Lieder komponiert und die Texte geschrieben. Bis auf der Bühne und bei der Probe kann ich ganz gut ohne Instrumente.

Schreibst du die Texte auch auf dem Computer!?

Volker: Nein!

Das hätte mich jetzt auch gewundert. Gerade bei eurer Musik erwarte ich mir ein romantisches Songwriting!

Volker: Da kann ich dir ganz was romantisches erzählen: Die zweite Nummer Linnahall…ich war in Estland spazieren und es war wirklich kalt. Normalerweise habe ich—so romantisch bin ich wirklich—ein Heft und eine Füllfeder dabei. Es war aber so kalt, dass die Tinte gefroren ist. Ich hatte eine Idee, die ich aufschreiben wollte. Ein Handy zum Aufnehmen hatte ich auch nicht dabei, deshalb habe ich die Textzeilen immer wieder singen müssen, damit ich sie mir merke. So ist das gesamte Gesangs-Arrangement entstanden. Es hat ja 120bpm—Spaziergeschwindigkeit.

Du bist singend durchs verschneite Estland spaziert?

Volker: Ja, über das Eis gerutscht.

Wie viel Estland ist auf dem Album?

Volker: Es ist der Abschied von Wien drauf, aber auch das Neue. Ich habe nicht alle Lieder dort geschrieben, sondern auch in den zwei Monaten nach Estland. Die waren dann eine Reflexion auf die gesamte Sache—vom Wegfahren, vom dort sein und vom Abschied. Ein Drittel vorher, ein Drittel Estland, ein Drittel nachher.

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Ihr macht jetzt ja eine Tour. Auf welchen Ort freut ihr euch?

Armin: Ich freue mich immer auf Dresden.

Magdalena: Auf Rumänien!

Armin: Auf die Länder, in denen wir noch nie waren.

Volker: Sachen wie Berlin sind schön, aber auch routiniert. Da spielen wir meistens im selben Club. Das ist super. Aber es ist schön, an neue Orte zu kommen.

Magdalena: Vor allem wenn die Veranstalter nett sind. Der Kontakt aus Rumänien meinte, sie können uns zwar nicht viel zahlen, aber sie freuen sich sehr auf uns. Das ist schön.

Gibt es typische Reaktionen eures Publikums nach einem eurer Konzerte?

Volker: Ja. Ich will ja nicht prahlen—die Frage setzt das aber auch ein bisschen vorraus—die Leute sagen, es berührt sie anders als andere Konzerte, dass sie reinwachsen.

Magdalena: Ein Mädchen hat mal gesagt, es ist wie eine Therapiestunde—nur billiger.

Volker: Das ist eigentlich die Headline. Dann kommen bestimmt genug Leute zu unserer Show ins Flex.

Hat jemand von euch schon auf der Bühne geweint?

Volker: Die Zuschauer haben schon oft geweint.

Armin: Ich bin vor Aufregung mal fast ohnmächtig geworden. Ich habe eine halbe Minute vergessen. Am Video habe ich aber gesehen, dass ich wirklich dort war.

Volker: Als ich noch nicht so oft auf der Bühne gestanden bin, habe ich schon ausgeschüttet. Mache ich heute auch noch ein bisschen.

Was ist das fröhlichste Wort, das euch zu eurer Musik einfällt?

Armin: Emotion. Das wollen wir transportieren. Selbst bei einem Lied, bei dem ich nicht Schlagzeug spiele, bin ich mittendrin.

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Magdalena: Hoffnung. Obwohl es traurige, teilweise böse Themen sind, hat man nie das Gefühl, es sei aussichtslos. Es ist die Hoffnung, sich in etwas unangenehmen wohl zu fühlen. Passt das so?

Ja.

Volker: Gut, dass wir nicht so etwas wie „Gage" gesagt haben.

Ihr wart lange zu sechst. Was ist der Vorteil zu viert zu sein?

Volker: Weniger Stress mit dem Tontechniker. Mehr Platz im Bus, auf der Bühne, im Proberaum. Bei der Finanzierung der Albumproduktion ist es aber zu sechst schon angenehmer. Da haben alle reingesteckt.

Magdalena: Ich nie!

Volker: Bei sechs Leuten gruppiert es sich auch schnell. Wenn man auf Tour ist, gehen nicht alle gemeinsam rum, sondern einmal zwei usw. Zu viert ist das enger.

Magdalena: Zu viert kann man nicht verschwinden. Wenn man zu sechst ist, kann man mal zwei Tage nicht reden, sich um nichts kümmern oder bei einer Nummer einfach irgendwas machen, ohne, dass es auffällt, ob man gerade spielt oder nicht.

Wie sollte man euer Album am besten anhören?

Volker: Es ist so konzipiert, das man es auch auf Vinyl hört. Es gibt eine A-Seite die anders ist als die B-Seite. Die A-Seite fetzt mehr, ist ein bisschen dancy und die B-Seite holt einen wieder runter. Die soll eher zum Einschlafen sein.

Weils mich jetzt wirklich interessiert: Welche Art Staubsauger habt ihr?

Armin: Seit Mai gar keinen. Aber zwei Besen habe ich. Die machen das.

Volker: Ich habe einen Filterstaubsauger. Aber den benutze ich wegen den Katzen sehr ungern. Die werden panisch.

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Magdalena: Meiner ist klein—das weiß ich.

Dank euch habe ich bemerkt, dass ich keinen Teppich in meiner Wohnung habe. Ich fand bisher alle hässlich.

Volker: Ich habe immer nur gebrauchte gehabt. Entweder aus meinem Kinderzimmer oder vom Dachboden unserer Oma. Gekauft habe ich mir noch nie einen.

Armin: Ich hatte mal einen, weiß aber nicht mehr wo der ist.

Am Donnerstag spielen Dust Covered Carpet in Graz, am Freitag in Wien. Wir verlosen für beide Shows jeweils 2x2 Tickets unter allen die ein Mail mit dem Betreff „Dust Covered Carpet", ihrem Namen und der gewünschten Stadt an schicken.

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