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Klangkarussell ist vieles einfach passiert

Am Freitag erscheint das erste Klangkarussell-Album (ja genau, die mit „Sonnentanz“) namens „Netzwerk". Wir haben Tobias Rieser und Adrian Held getroffen und mit ihnen über Sampling, EDM und Ansprüche an die eigene Musik gesprochen.

Alle Fotos: Julian Haas

Den Umstand, dass Klangkarussell die Nacht zuvor am UAF spielten und bis zum Termin mit uns gefühlte 80 Interviews mit den gleichen fünf Fragen gaben, sieht man Tobias Rieser und Adrian Held irgendwie an, als ich sie an diesem Abend in der Gartensuite des Hotel Triest in Wien treffe. Eigentlich würde man die Jungs gerade lieber in Ruhe Deutschland gegen USA schauen lassen, wie der Rest der Welt es in diesem Moment tut. Dennoch, so ein neues Album auf dem Major-Label promotet sich halt auch nicht von selbst. Und hey—es gibt immer schlimmere Jobs. Wenn Tobias über die Anfänge des Projekts beziehungsweise vom Über-Hit „Sonnentanz“ erzählt, kann man zwei Typen vor sich sehen. Und eine Zeit, in der das Nintendo 64 in den Kinderzimmern nach und nach durch Crack-Versionen von Ableton und Cubase ersetzt wird und sich gleichzeitig die Markteintrittsbarrieren für Musik derart verändern, dass seitdem eben auch ein Bedroom-Producer mit den richtigen Kanälen über Nacht Hallen füllen kann. Die Nummer und all das, was danach kam, ist irgendwie einfach so passiert, ohne jegliches Kalkül, „und das ist ja auch gut so“. Eh. Mit dem bevorstehenden Album-Release und der neuen Live-Show, die quasi aus dem Boden gestampft werden musste, gilt es, gemessen an ihrem Durchbruch, relativ große Schuhe zu füllen.

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Zur Erinnerung: 2012 wurde der von ihnen auf Soundcloud veröffentlichte Track vom Online-Magazin trendmusik.de gefeatured und gelangte dann via hypem.com und allein 40 Millionen Klicks auf Youtube in den viralen Äther. Zwischen ihrem ersten Flex-Gig an einem Dienstag und der Show in einem ausverkauften Gasometer, zusammen mit Disclosure 2013, verging kaum ein Jahr. In Österreich, Deutschland, Belgien, Großbritannien, Schottland und der Schweiz schafften sie es in die Top 5, in den Niederlanden Platz 1, und auch einen in Ungnade gefallenen „Amadeus“ durften sie mit nach Hause nehmen. An dem erbarmungslos einprägsamen, omnipräsenten Saxophon-Sample kam niemand zwischen der Goa-Party im Waldviertel und dem Kater Holzig, niemand zwischen dem GTI-Treffen am Wörthersee und dem Montreux Jazz Festival, vorbei.

Auf Netzwerk legen sie potentielle Pop-Hits nach („Falls like Rain“, „Celebrate“), ohne die in den nächsten zwei Jahren zu erwartender Weise kein Summer Splash auskommen wird. Für den Wiedererkennungswert setzt man diesmal auf mehr Vocals und überschwängliche Eso Tribal Samples statt dem Saxophon. Daneben Tracks, die so klingen, als wollten sie ein bisschen weniger Pop und mehr Berlin Ende der 00er-Jahre sein (richtig, „Berlin“ etwa und „All Eyes On You“) und ein paar, die wie ein soundtechnisches Destillat der pop-housigen Schnittmenge von Booka Shade, Moonbootica, Marek Hemann und Stil vor Talent wirken. Die Chords bleiben in ihrer Vorhersehbarkeit wie gewohnt gefällig und die Breaks taugen in ihrer bis zum letzten ausgeschlachteten Sphärizität auch für die Großraumdisco. Das macht sich dann halt in den riesigen Festival-Shows ebenso gut, bei deren Umsetzung mit Band Musical Director und La Roux-Drummer William Bowerman ihnen mittlerweile zur Hand geht. Neben einer Version von Adam Freelands „We Want Your Soul“, die in Anlehnung an das Original für Klangkarussell verhältnismäßig dark klingt, gibt es ein noch Remix von Camo & Krooked und „Sonnentanz“ mit Vocal. Allzu weit aus dem Fenster lehnt sich hier niemand. Und trotzdem: Selbst wenn man Netzwerk scheiße finden wollen würde, es klappt nicht. Das Album muss einem persönlich nicht gefallen, ist aber grundsolide und ja, gut.

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Berührungsängste mit dem Mainstream gibt es bei den beiden so gut wie nicht. Eher sehen sie sich in der Mitte eines Kontinuums zwischen dem, wofür die FM4-Soundselection, und dem, wofür die Bravo Hits stehen. „Da darf man sich nicht so festlegen und sagen, das oder das ist das wahre.“, so der recht pragmatische Zugang. Dass gerade in dem Zusammenhang vielerseits dem Undergound nachgeweint wird, fällt für Klangkarussell mehr unter verklärte Sicht auf die Vergangenheit. Von Menschen, die „früher war alles besser“ auf ohnehin alles umlegen. „Ändern kann man's eh nicht.“

Eine von den Fragen, die alle anderen vermutlich auch stellen, möchte ich dann aber schon auch noch loswerden. Wie ist das denn nun mit dem Sampling und der Ethik des Musikschaffenden dahinter? Nachdem vergangenes Jahr ein Video eines niederländischen Radiohosts auftauchte, in dem er „Sonnentanz“ als Produkt mehr oder weniger unbearbeiteter Kits einer NuJazz Sampling-CDs enttarnte, ging ein Raunen durch die Reihen honoriger Musikschaffender und Konsumenten. Dass Universal das Video kurz darauf auf Youtube sperren ließ, machte die Sache nicht unbedingt besser. Ob sie Kritik diesbezüglich heute noch zu spüren bekommen und ob diese sie tangiert? „Ich hab das nie als Kritik verstanden. Wir haben da ja nie ein Geheimnis draus gemacht und das von Anfang an rumerzählt. Und es war ja nicht so, dass wir gesagt haben, wir machen einen Hit draus. Ich weiß nicht, wie manche sich das vorstellen, aber man sitzt halt zu Hause und nimmt das her und macht was draus und dann ist es fertig. Und beim nächsten Mal macht man halt was Neues.“, wie Adrian erzählt. Alles klar. Zumindest rechtlich gesehen spricht ja auch nix dagegen, wenn es sich wie in ihrem Fall um käuflich erworbene Samplingkits handelt.

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Aber ist die Kritik am „unkreativen Sampling“ für sie dennoch irgendwie nachvollziehbar, und ist Sampling gleich Sampling gleich Sampling? Tobias: „Klar, man kann super kreativ samplen wie J Dilla. Und klar gibt es da verschiedene Zugänge, ein Produzent, der das alles selber macht wird sagen, dass es ein extrem fauler Weg ist, wie wir das machen. Aber ich mag Sampling als Kultur. Und letztlich geht’s um die Musik, und darum, ob's den Leuten gefällt oder nicht. Darüber kann man streiten. Aber ich streit nicht mit.“ Ok. Ein paar Tage nach unserem Interviewtermin werden die Jungs ihre US-Tour starten. Ob die USA und der dort inzwischen alles überschattende EDM-Bereich ein Markt sind den es für sie bald zu erschließen gilt? Tobias: „Also Big Room House würd ich nicht machen, damit kann ich mich nicht anfreunden. Aber ich würd den Avicii schon supporten, wenn er down is. Also halt trotzdem unser Zeug spielen, aber ich hätte keine Angst davor. Die höchste Prämisse ist, dass du dein Ding machst und dazu stehen kannst.“ Ob die Schwierigkeit dabei, konkrete Antworten von den beiden auf irgendwas zu kriegen womöglich einfach mit dem Verkatertsein zu tun hat, oder eher mit dem Unwillen, sich irgendwo zu positionieren, ist mir, als die PR-Frau nach knappen 20 Minuten das Ende des Interviews mit Blick auf die Uhr andeutet, noch unklar. Vielleicht sind Klangkarussell aber auch einfach ein gutes Beispiel dafür, dass es sich mit einem einigermaßen naiven Zugang zu den Dingen, überschaubaren und flexiblen Ansprüchen und weniger Perfektionismus meist einfacher -und in ihrem Fall erfolgreicher- lebt, ob man's nun gut findet oder nicht.

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