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Wenn du Roisin Murphy nicht kennst, wirst du unglücklich und einsam sterben

Gegen Róisín Murphy können Beyoncé, Lady Gaga und Rihanna einpacken. Hier kriegst du eine Lehrstunde über die einzig wahre Pop-Ikone.

Beginnen wir diesen Text mit einer verdammt guten Nachricht: Róisín Murphy veröffentlicht nicht nur diesen Monat eine neue EP—Mi Senti heißt das Werk—sie hat zudem vor ein paar Tagen angekündigt, dass noch dieses Jahr ein neues Soloalbum erscheint, was mich nicht nur in haltlose Euphorie versetzt, sondern auch zu der Frage bringt, ob du, lieber Leser, überhaupt weißt, wer Róisín Murphy ist. Falls du Róisín Murphy nämlich nicht kennst, bist du ein armer Tropf. Falls du sie kennst, aber nicht magst, hasst du wahrscheinlich auch Babykatzen und sonnige Frühlingstage, bist also innerlich tot und hast noch viel schlimmere Probleme, als dass du dir unendliche Wogen der Glückseligkeit, verursacht durch Róisín Murphy, durch die Lappen gehen lässt. (An alle Róisín-Jünger: High Five! Und jetzt verschwindet hier und geht Róisín hören.) Falls du aber ein armer Tropf bist, dann will ich mal nicht so sein und kehre heute meine altruistische Seite nach außen. Weil ich einen guten Tag habe. Weil die Sonne scheint und ich mit einer Babykatze auf dem Schoß diesen neuen Kickass-Song von Freeform Five und Róisín Murphy „Leviathan“ anhöre.

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Was nun folgt ist eine argumentativ hieb- und stichfeste, vollkommen objektive Analyse der Großartigkeit dieser Pop-Göttin, investigativ zusammengetragen und aufgearbeitet. Gegen Róisín—bekannt geworden als Teil des Duos Moloko und längst eine etablierte Solo-Künstlerin—können Beyoncé, Lady Gaga und Rihanna einpacken. Obwohl das vielleicht ein unfairer Kampf ist, schließlich ist Lady Gaga musikalisch sowieso schon immer eine Nullnummer gewesen und Riri verlor sich schon vor Jahren in wahlweise billigen Bumbum-Kirmes-Sounds oder unglaublich waynen Balladen vom Kaliber der immer gleichen ESC-Schmandlappen, die man nutzt, um aufs Klo zu gehen. Und Beyoncé? Laaangweilig! Am Schluss dieser Ode wird es dir wie Schuppen von den Augen fallen, denn Madame Murphy hat auf allen drei Ebenen, die eine gute Sängerin zu einer Legende machen, schlichtweg das Sagen: fantastische Songs, Charisma ohne Ende und Authentizität. Klingt nach Plattitüden, ist aber wahr. Ich schwöre!

„Overpowered“ von Róisín Murphy, 2007

Erstens, hier bekommst du High Quality Dance-Pop, für den man sich nicht schämen muss. „Gibt's nicht!“, sagst du und wippst weiter verschämt und heimlich mit dem Fuß, wenn Icona Pop dich aus dem Radio anschreien? „Oh doch!“, sage ich und empfehle dir zum Einstieg ihre Hymne aus 2007 „Overpowered“. Du wirst tanzen, klatschen und mitsingen, ohne dass es dir peinlich ist. Róisín-Songs sind so voller Disco-Sounds und Groove, dass man einfach nicht stillhalten kann. Aber das musst du auch nicht, denn bei ihr hast du die seltene Gelegenheit mit dem Segen von allen Geschmacks-Autoritäten, die hierzulande festlegen, was „gute Musik“ ist, so richtig abzugehen. No more guilty pleasures!

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Und wo wir gerade bei Qualität sind: Róisín Murphy hat nicht nur eine unglaubliche Stimme und eine ziemlich abgefahrene Bühnenshow, sie macht tatsächlich niemals etwas falsch. Abgesehen, von den Live-Shows, die ich mit eigenen Augen gesehen habe, bestätigen das auch sämtliche Auftritte von ihr, die im Internet kursieren. Sie macht grundsätzlich keine Fehler beim Singen und hat sich bisher auch kein einziges Mal vertanzt. (Ich habe mir alle 81.400 Videos auf YouTube angeschaut und kann das beurteilen.) Es ist fast unheimlich, besonders weil sich hartnäckig Gerüchte darüber halten, dass Róisín, zumindest früher, auf Tour permanent besoffen gewesen sein soll. Womit wir bei Punkt zwei wären, der sie so großartig macht: Charisma und ihr Entertainment-Faktor.

„In Sentesi“ aus der neuen EP

Mi Senti

, 2014

Weißt du noch, wie Lady Gaga mal irgendwo in einem Kleid aus rohem Fleisch aufgekreuzt ist und sich alle fürchterlich darüber aufgeregt haben, weil es so scheiße aussah? Das könnte Róisín nicht passieren, sie sieht nämlich in allem aus wie eine Göttin. Bei einem Konzert von ihr kann man durchschnittlich 25 Kostümwechsel erwarten, wobei es nicht unwahrscheinlich ist, dass sich darunter ein Superhelden-Kostüm, ein riesiges Wollknäuel, ein Meter breite Schulterpolster oder Indianer-Kopfschmuck befinden. Be jedem anderem Menschen wäre das wohl lächerlich, aber Róisín trägt alles mit so viel Grandeur, Style und Divenhaftigkeit, dass dich ihr verfluchter Kaleidoskop-Poncho vor Ehrfurcht erzittern lässt, bevor sie dich damit ins Delirium tanzt. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass sie selbst mit dem Pharell Williams-Hut fantastisch aussehen würde. Welchen Grad an Coolness musst du erreicht haben, dass du in einem überdimensionalen Harlekin-Kostüm herumlaufen kannst, ohne dass irgendwer das albern findet? Wenn die Leute in so einer Situation zudem nicht einfach nur die Klappe halten, sondern auch noch voller ehrlicher Faszination Komplimente für dein Aussehen verteilen: Das nenne ich Charisma.

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Doch obwohl Róisín glamourös und geheimnisvoll genug wäre, das offizielle Nonplusultra der Gleichgültigkeit—König Karl Lagerfeld—zu beeindrucken, ist sie sehr nett und redselig. Wenn sie sich nicht gerade die Seele aus dem Leib performt, erfreut sie ihre Mitmenschen gerne mit einem Schwank aus ihrem Leben. Zum Beispiel wenn sie mit ihrem charmanten, leichten irischen Akzent erzählt, wie sie letzte Nacht ihre Bandkollegen unter den Tisch gesoffen hat. Und wir alle wissen, Saufgeschichten sind die besten und zeugen von Bodenständigkeit.

„Sing it Back“ von Moloko, 1998

Apropos auf dem Boden geblieben: Da wären wir auch schon bei Punkt drei. Während bei allen anderen Pop-, Disco-, Sonstwas-Diven überambitionierte Eltern, Castings, Pop-Akademien oder mindestens nervige Art School-Pretentiousness unvermeidlich dazu gehören, ließ sich Róisín einfach ganz lässig und unprätentiös ZUFÄLLIG entdecken. Und zwar in irgendeinem Club in Manchester, von einem Typen, der sie eigentlich nur flachlegen wollte, aber zufälligerweise auch Musiker war: Mark Brydon. Der Legende nach sagte sie zu ihm: „Do you like my tight sweater?“, ihm gefiel aber nicht nur ihr Pulli, sondern auch ihre Stimme und Moloko war geboren. Sie hatte niemals Tanz- oder Gesangsstunden und ist zu hundert Prozent kein Produkt irgendeiner Pop-Manufaktur, sondern einfach ein gottverdammtes Naturtalent. Ist das nicht wundervoll?

Und weil sie eben nicht irgendeiner Erfolgsmaschinerie entsprungen ist, hat Róisín auch nicht besonders viel Bock auf Promo. Lieber tourt sie sich den Arsch ab und spielt auf 150 Festivals im Jahr. Das ist nicht nur wahnsinnig sympathisch und macht sie (Ja, ich sage es wieder!) authentisch, das Beste daran ist, dass du keine Angst haben musst, dass Götter-Róisín sich auf einmal im ZDF Fernsehgarten zum Affen macht, weil sie ihre Karriere ins Rollen bringen will. Erinnerst du dich? Sie macht niemals etwas falsch. Wie du siehst, ist es eine rundum sichere Angelegenheit, Róisín Murphy zu lieben. Sie wird dich sehr, sehr glücklich machen.

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Die EP Mi Senti erscheint am 26. Mai bei Vinyl Factory Music. Bestell sie dir bei iTunes oder Amazon.

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