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Zedd ist ADHS in Musikform

Oder ist er Musik gewordenes Ritalin, als Droge für ADHS-Teenies?

Zedd heißt eigentlich Anton Zaslavski, aber wer sich so einen Künstlernamen ausgedacht hat, wird natürlich nie wieder mit Anton angesprochen: Zedd klingt ein bisschen wie sich Marketing-Fuzzis Mitte der 90er Produktnamen der Zukunft vorstellten, ähnlich wie Traxx oder Skrillex. Moment, da war doch was? Genau, der unscheinbare Anton aus Kaiserslautern ist tatsächlich der beste Freund von eben diesem und in Amerika schon jetzt ein Star, mit prallem Konto, vom Label geschenktem Studio und ausverkauften Hallen.

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Jetzt will Zedd sich auch in seiner Heimat ähnlichen Fame abholen, also macht er ein bisschen Promo für sein Debütalbum Clarity, dessen Artwork ziemlich genau so aussieht, wie sich Grafikdesigner in den 90ern die Zukunft vorgestellt haben. Aber lassen wir mal unsere Arroganz beiseite und gehen ganz offen und freundlich auf Zedd zu, denn irgendwas muss er ja haben, dass ihn schon jetzt tausende Teenies vergöttern.

Noisey: Es liegt für einige Journalisten nahe, dich als Wunderkind, am besten gleich als „Deutsches Wunderkind“ zu bezeichnen. Was hältst du davon, bist ein Wunderkind?
Zedd: Das würde ich von mir natürlich nie behaupten. Ich bin einfach jemand, der das Glück hatte, in einer Familie aufzuwachsen, die viel Wert auf Musik gelegt hat. Meine Eltern spielen Instrumente, demnach bin ich da einfach reingewachsen.

Du spielst aber nicht Klavier oder Geige, sondern …
Doch, ich …

Ja ich weiß, du kannst es. Aber du machst was anderes.
Ich mache das indirekt, denn meine Lieder entstehen oftmals so, dass ich einfach an meine Klavier oder Keyboard spiele. Beispielsweise ist „Spectrum“ so entstanden, ich habe auf dem Keyboard gespielt und dann habe ich diese Akkordfolge gespielt, aufgenommen, am nächsten Tag habe ich angefangen, das Ganze in ein Lied zu packen und dann wurde es erst elektronisch.

Und du glaubst auch, dass dieser zunächst klassische Ansatz wichtig für deine Musik ist.
Ich weiß, dass man auf gewisse Sachen nicht kommt, wenn man‘s nicht spielt. Man kann alles programmieren und das habe ich auch eine Zeitlang gemacht, aber man ist begrenzt. Von daher glaube ich, dass wenn man ein Instrument spielt, man einen großen Vorteil hat, etwas Außergewöhnliches zu machen.

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Du sagst, deine Eltern spielen Instrumente und haben dich zu Musik gebracht. Was sagen sie denn dazu, dass du auf dem Klavier eine schöne Melodie entwickelst, nur um sie nachher brutalstmöglich zu zersetzen?
Meine Eltern sind stolz und froh …

Ja, aber mögen die deine Musik?
Ähm, sie hören mein neues Album …

Gerne? Also hören die das wirklich, weil sie es schön finden?
Ich glaube schon.

Oder sind sie nicht ganz ehrlich zu dir?
Ich glaube schon, dass sie ehrlich sind, weil der Kern meiner Lieder immer noch die Musik ist, die Akkorde und die Melodien und ich glaube, die haben sich nicht verändert, seit ich mit acht Jahren Lieder am Keyboard gemacht habe. Die Emotion stand schon immer bei mir im Vordergrund und ich glaube, dass meine Eltern das verstehen und dass denen das gefällt.

Aber …
… sie hören keine elektronische Musik. Sie waren nie auf eine Rave oder sowas. Aber das ist nicht das, was sie an der Musik schätzen würden, sondern eher die Komposition. Die, ääh, kann ihnen durchaus gefallen.

Vermutlich würden sie dich aber lieber in einem Konzertsaal sehen als in einem Club.
Ich kann mir das schon vorstellen, aber ich würde mich auch eher in einem Konzertsaal sehen als in ein Club.

Ehrlich wahr? So grundsätzlich?
Ja, ich lege sehr, sehr selten in Clubs auf.

Warum?
Ich weiß nicht, das hat sich so ergeben. Die Venues in denen ich in den USA spiele sind meistens Räume mit einer großen Bühne und die Leute schauen Richtung Bühne. Es ist nicht so wie damals als DJ, wo ich stundenlang aufgelegt habe. Mein Set dauert anderthalb Stunden, ich lege sehr schnell auf, sehr viele Lieder, viel live und das ist wie ein Konzert. Das ist nicht wie im Club.

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Was machst du dabei live?
Also ich habe meine Lieder natürlich, die ich spiele und dann mache ich neue Versionen von Liedern, die ich nie rausbringen werde und die Remixe, die ich im Studio nur mache, um sie live bringen zu können. Ich versuche fast jede Minute ein neues Lied zu spielen.

Krass.
Ja, ich versuche sehr schnell, sehr interessant und sehr vielseitig zu mixen.

Das wären 90 Songs in einem anderthalbstündigen Set.
Ja, so viel haut leider natürlich nicht hin, weil ich gewisse Lieder von mir ausspielen muss, aber ich habe letztens in einer Stunde 32 Lieder gespielt, was unheimlich viel ist. Oftmals dann nur eine Gitarre von einem Lied, den Gesang von einem anderen—aber die Leute erkennen die Lieder und das macht‘s einfach interessant.

Für mich klingt das nach ADHS. Entweder von dir oder von deinen Fans.
Die Leute haben nicht mehr so die Geduld. Ich kenn‘s von mir selbst. Wenn mir jemand ein Album schickt, ich werd‘s mir nicht anhören, weil ich die Zeit nicht habe. Wenn mir jemand ein Lied schickt, höre ich mir das sicherlich an. Genauso ist es live, Leute wollen nicht sieben Minuten lang ein Lied hören. Die wollen den Part, den sie lieben, und dann können sie gern schon das nächste hören. Dann werden sie ungeduldig.

Widersprichst du dir da nicht selbst, schließlich sitzen wir hier, weil du gerade ein Album rausbringst.
Wieso?

Wenn du sagst, die Leute hören keine Alben, du selbst hörst noch nicht mal ein komplettes Album …
Sehr selten.

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Du bringst aber ein Album raus und produzierst Stücke, die über sieben Minuten gehen.
Die Leute haben ein bisschen mehr Zeit—hoffe ich doch—als ich. Ich habe an einem Tag vielleicht eine freie Stunde, vielleicht zwei. Ich muss die Zeit nutzen, um Interviews zu machen, um Emails zu beantworten, um mich auf die Shows vorzubereiten und um neue Sachen zu machen, Bootlegs, Remixe. Wenn ich mir eine Stunde nehme, um ein Album durchzuhören, dass mir eventuell nicht gefällt—das kann ich mir einfach nicht leisten. Ich höre auch deswegen kaum Musik.

Das bedeutet, dass die Musik, die dich geprägt hat, schon älter ist. Man liest bei Wikipedia, dass Justice dein Erweckungserlebnis waren.
Justice, aber auch Radiohead, Silverchair, King Crimson, Thrice … ganz alte Sachen. Was ich damals gehört habe, finde ich immer noch wesentlich inspirierender als viel Elektro. Ich finde, es gibt nicht sehr viel elektronische Musik heutzutage. Oder um es anders zu formulieren, ich finde, es gibt nur sehr, sehr wenig gute elektronische Musik.

Und das, was du machst, entspricht natürlich dem, was du für gut hältst.
Das ist das, was meinem Ideal entspricht, natürlich. Sonst würde ich meine Namen nie da drunter setzen.

Du bist in Amerika viel bekannter als hier. Hören die Leute da andere Musik?
Ich glaube, dass die in Amerika momentan musikalisch ein, zwei Jahre voraus sind. Zumindest in diesem Genre, weil die das so groß gemacht haben. Natürlich gab es in Europa elektronische Musik schon vor 20 Jahren, aber es ist nicht das gleiche. Das ist der Punkt, den die Leute hier nicht ganz verstehen. Die sagen: „wir haben das doch hier schon alles gehabt“. Aber das ist nicht ganz das gleiche. Das ist ein anderes Level und eine andere Art von elektronischer Musik und die wurde in Amerika in kurzer Zeit sehr groß gemacht und ich glaube, das ist noch nicht so rübergeschwappt.

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Du bist auch deshalb groß in Amerika, weil Skrillex dich entdeckt hat. Wie ist das passiert?
Ich habe ihm eine Myspace-Message geschickt. Die er gelesen hat.

Das war alles?
Das war alles. Er hat sie gelesen, fand das Lied super und das war so ziemlich alles.

Seid ihr gute Freunde?
Absolut, ja. Er ist einer meiner besten Freunde, ich verbringe mehr Zeit mit ihm als mit meiner Familie.

Was macht ihr denn so, Backstage abhängen, Bierchen …
Absolut. Wir sind ganz normal. Gehen essen, hängen ab, wir verbringen einfach so viel Zeit wie geht miteinander und dann spielen wir unsere Shows.

Du wirst musikalisch sehr oft mit David Guetta in einen Topf geworfen. Was hältst du davon?
Das liegt in meinen Augen nicht so fern. Er macht elektronische Musik, die eine große Masse anspricht. Natürlich gibt es in unserer Musik Unterschiede, aber ich bin ein Fan von David Guetta und ich bin der Meinung, dass er einer der Gründe ist, warum ich heute machen kann, was ich lieb. Es gibt sehr arrogante Sichten auf Guetta, auf Skrillex …
Absolut. Für mich unverständlich. Meiner Meinung nach sind David Guetta und Skrillex die zwei, die es geschafft haben, elektronische Musik und Dubstep den Leute nahezubringen. Dafür sollte man denen danken. Egal ob‘s einem gefällt oder nicht.

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Ayke bei Twitter: @tamidemusic

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