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Warum sich die Zensur auf Instagram und Co ändern muss

Viele weibliche Popstars wie Rihanna, Miley Cyrus und Madonna kämpfen gegen die Zensur auf Instagram und anderen Plattformen.

Um 2014 so viele Menschen wie möglich anzupissen, brauchte es nicht viel. Vor allem als Frau musstest du lediglich in der Öffentlichkeit explizit auf einen Teil deines Körpers hinweisen oder diesen entblößen. Rihanna hatte es gewagt, Nippel zu haben, und wurde dafür für sechs (unglaublich öde) Monate von Instagram verbannt. FKA Twigs hatte es gewagt, Schenkel zu haben, und so wurde jede Erwähnung ebendieser aus allen Radiodarbietungen und Fernsehperformances ihrer Single „Two Weeks“ entfernt. Direkt zu Beginn von 2015 wagte es Rita Ora dann, um 19 Uhr im Fernsehen einen tiefen Ausschnitt zu tragen, was 400 Personen so sehr aufregte, dass sie sich darüber beim Sender beschwerten.

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Frauen sind schon, das dürfte dem ein oder der anderen schon aufgefallen sein, seit längerer Zeit im Besitz eines Körpers und fast genau so lange scheinen Menschen sich davon angegriffen zu fühlen. Die Präsenz dieser Körper in der Welt des Pop fühlte sich in den letzten 12 Monaten besonders stark an, weil die Frauen sie einsetzten, um sich gegen den geifernden männlichen Blick zu wehren, der die Popkultur 2013 und so ziemlich jedes Jahr davor dominiert hat. Der weibliche Körper wurde zunehmend zu einem Symbol des fick-dich, anstelle des fick-mich. Du musst dir nur Beweisstück a) anschauen: Nicki, wie sie mit einem Maschinengewehr besagten geifernden, männlichen Blick ins Visier nimmt.

Aber auch Abseits der Welt großer Musikvideoproduktionen haben Rihanna, Miley Cyrus und Madonna alle ihre Körper (oder die anderer Frauen) eingesetzt, um Zensoren einer Plattform den Kampf anzusagen, die in der heutigen popkulturellen Landschaft ungemein wichtig geworden ist: Instagram. Rihanna teilte nicht nur ihr eigenes Oben-Ohne-Magazincover, sondern unterstützte auch Scout Willis Brustwarzenattacke, indem sie einen Retweet von Scouts leichtbekleideten New York-Spaziergang postete. Madonna wiederum wehrte sich mit Händen und Füßen gegen Instagrams #hypocrisy, nachdem das Unternehmen ein Bild von Madonnas Account gelöscht hatte, auf dem der Nippel eines Models zu sehen gewesen war. In der Zwischenzeit hat Miley angefangen, den #FreeTheNipple Hashtag mit einer derartigen Vehemenz zu verbreiten, die man bei ihr sonst eigentlich nur in Bezug auf Pizza und Gras kennt. Auch von ihr wurde im Dezember ein Bild entfernt, auf dem Brustwarzen zu sehen waren.

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FreeTheNipple ist eine in New York ansässige Bewegung, die für das Recht kämpft, dass Frauen sich in der Öffentlichkeit und auf sozialen Plattformen wie Instagram barbusig zeigen können. Uns steht zwar wahrscheinlich noch eine komplizierte Debatte darüber bevor, inwiefern man gegen den geifernden männlichen Blick protestieren kann, wenn man ihn gleichzeitig mehr oder weniger ermutigt (man muss sich nur mal zu Gemüte führen, wie viele schmierige Typen die #FreeTheNipple-Kampagne unterstützen), aber das große Ziel am Ende ist etwas, auf das wir uns wohl alle einigen können: „Eine ausgewogenere Zensurpolitik und das Recht jeder Frau, in der Öffentlichkeit zu stillen.“

I fully support @Scout_Willis and her conquest against @instagram #FreeTheNipple.. those are some great boobs! keep on rockin

— Alexander Banksy (@DOPE_MusicBlog) May 28, 2014

Den Aktivisten hinter #FreeTheNipple geht es weniger darum, dass wir uns nicht mehr komisch fühlen, wenn wir beim Einkaufen plötzlich eine entblößte Brust sehen, sondern sie wollen hinterfragen, warum für die Zensoren von Instagram, Facebook und Co der weibliche Busen zu den anstößigsten Dingen überhaupt gehört. Miley macht auf diesen Umstand besonders eindringlich mit einigen jüngeren Instagramposts aufmerksam. Dort hat sie mit Photoshop ihren eigenen Mädchenkopf aus alten Bildern ausgeschnitten und auf (zensierte) Körper von nackten Frauen gesetzt hat. Die Aussage dahinter lautet: Instagram hat kein Problem mit der Sexualisierung von Kindern, solange keine Nippel zu sehen sind. Hier ist der Kopf eines Kindes auf dem Körper einer nackten Frau—kein Problem für Instagram solange die anstößigen Nippel mit schwarzen Balken versehen sind. Aber eine stillende Frau? Geht gar nicht! Instagram würde lieber eine Baby mit Brüsten sehen, als ein Baby, das an einer Brust nuckelt.

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Generalverbote für weibliche Körperteile funktionieren einfach nicht als effektive Zensurmethoden und alles wird noch schlimmer, wenn sie durch sexistische Ansichten motiviert sind. Ich kann doch nicht die Einzige sein, die es fragwürdig findet, wenn J-Lo das Wort „booty“ im Zusammenhang mit, „dance up on that man because he wants you to“, unendlich oft im Radio wiederholen darf, während Twigs es noch nicht einmal erlaubt ist, das wesentlich unverfänglichere „thighs“ im Zusammenhang mit, „get between my thighs because I want you to“, zu singen.

2015 muss sich alles um den Kontext drehen. Nehmen wir mal das englische Bang Radio, die letztes Jahr eine löbliche Vorreiterrolle in Sachen Zensur gespielt haben, indem sie Jay Zs Verse aus „Drunk In Love“ entfernt haben, weil, „die Lyrics [„Eat the cake, Anna Mae“] kontroverserweise ein Situation schwerwiegender häuslicher Gewalt imitieren.“ Man fügte noch hinzu, „wir sind der Meinung, dass Musik für und nicht gegen Frauen sein sollte und wir dulden keinerlei Gewalt—sei es häusliche oder andere.“ Bang Radio hatte den Nagel tatsächlich auf den Kopf getroffen, indem sich darum bemühten, ihre Frequenz frei von verabscheuungswürdigen Aussagen zu halten, anstatt einfach nur blindlings alle unanständigen Sachen rauszufiltern. Radio 1 tat es ihnen gleich, wohingegen andere Sender wie Capital besagte Stelle einfach unberührt ließen und stattdessen „Can’t I keep my fingers off it, baby“ zensierten, weil dort vage auf weibliche Masturbation angespielt wird.

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In einem Interview mit the FADER aus dem letzten Jahr hat #FreeTheNipple-Gründerin Lina Esco gesagt: „Es ist großartig, wenn du darüber mit den ganzen jungen Leuten sprichst, die 17 oder 18 Jahre alt sind. Die verstehen es sofort. Wenn du darüber mit der älteren Generation sprichst, also Menschen die 40, 50, 60 sind, dann fangen sie sofort an, mit dir darüber zu streiten … Meine Generation und die, die jünger sind, sind alle dafür. Es ist das alte System, das sich unbedingt an der Spitze und diese Mentalität am Leben halten will.“ Aber Moment mal, sind es nicht die ganzen hippen, jungen Leute, die heutzutage eigentlich die Kontrolle über alles haben? Junge Unternehmen, die von jungen Menschen geführt werden (ja, ihr seid gemeint, Instagram, Facebook, Twitter), könnten hier wirklich ihren Einfluss spielen lassen und die Scheinheiligkeit alteingesessener Medien attackieren, die Frauen ohne Probleme barbusig in Tageszeitungen abbilden, aber keine sprechende und handelnde Frau, die etwas Ausschnitt zeigt, im Vorabendprogramm in England haben möchten.

Im Internetzeitalter kannst du deine Kleinen einfach nicht davor bewahren, irgendwo einen blanken Nippel zu sehen. Sie haben Google. Das einzige, was dir noch bleibt, ist ihnen mit guten, alten, hierarchischen Zensurmethoden die richtigen Werte einzutrichtern, zu diktieren, wer wann wie die Körper von Frauen in der Öffentlichkeit entblößen, beschreiben und begaffen darf. Jetzt mal ehrlich: Lassen wir doch endlich mal die alte Vorstellung Brüste = Böse hinter uns und schauen uns den weiblichen Busen in seinem größeren Kontext an. Den besagten Kontext bilden, wie du vielleicht schon erraten hast, denkende und fühlende Frauen, die sehr wahrscheinlich ihre ganz eigene Meinung über ihren Körper haben.

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