FYI.

This story is over 5 years old.

Features

Breaking: Rechte haben gemerkt, dass die Toten Hosen links sind

Campino hat mit seiner Aussage sehr viel Aufmerksamkeit aus der rechten Ecke auf sich gezogen.

Foto von Campino via Flickr | Alterna 2 | CC BY 2.0 | Screenshot via Facebook

Die Toten Hosen machen seit 1982 Musik, die man unter dem Überbegriff Punkrock einsortieren kann. Das Wort „politisch“ liegt da eigentlich recht nahe. Am Samstag ist genau dieses Politische klar hervorgetreten: Die Toten Hosen sind bei „Voices For Refugees“ aufgetreten und Frontmann Campino sprach sich in diesem Rahmen ganz klar gegen Heinz Christian Strache aus. „Wien, ihr seid so eine tolle Stadt. Lasst euch diese Stadt nicht wegnehmen von diesem Karl-Heinz-Christian Strache. Würde unter ihm so ein Abend möglich sein?“ Ich glaube, Campino hatte auch kurz Tränen in den Augen—vielleicht, weil er gehört hat, dass Strache Musik (vor allem den Titel „Tage wie diese“) von den Hosen auf seinen Wahlveranstaltungen spielt. Er hat den FPÖ-Spitzenkandidaten dazu aufgefordert, die Musik von den Toten Hosen nicht mehr zu spielen: „Herr Strache. Unterlassen Sie das. Dieses Lied ist nicht für Sie geschrieben!“

Anzeige

Bei einer so deutlichen Ansage ist klar, dass das manchen nicht in ihren braun gefärbten Kram passt. Den Rechten fiel plötzlich wie Schuppen von den Augen, dass die Toten Hosen tatsächlich links sind. Breaking News! Seit Samstag hagelt es nun Kritik für die Hosen. Auf ihrer Fanpage herrscht die Empörung.

Die Toten Hosen sind plötzlich Volksverräter, das Deutsch- bzw. Österreichertum an sich wird von einer gereiften Punkband bedroht. Ich frage mich, wer „uns in Österreich“ ist, denn sehr viele Menschen sind für diese Ansage von Campino dankbar. Dieses „uns“ ist also nur ein Teil von „denen“. Campino hat eine laute Stimme und es war wichtig, dass jemand mit dieser Reichweite seine Meinung kundtut. Die rechte Ecke aber, die scheißt jetzt urplötzlich auf die Musik einer Band, von der sie sicher ein paar verstaubte Alben in ihrem CD-Ständer haben. Diese „wüsten“ und eher peinlichen Beschimpfungen, die auf der Facebookseite der Toten Hosen gerade getätigt werden, können Campino herzlich egal sein. Aber warum die große Überraschung bei den Strache-Fans?

An dieser Stelle bitten wir um eure Aufmerksamkeit, ihr wütenden und total überraschten Menschen, damit das das nächste Mal nicht mehr passiert, wenn sich der Sänger der Band äußert: Campino ist seit langer, sehr langer Zeit ein Paradebeispiel für einen Frontmann einer (links)politischen Band. Gerade im August hätten euch ein paar Schlagzeilen auffallen können: Die Toten Hosen haben in einem deutschen Dorf gespielt, in dem viele Rechtsextreme wohnen. In dem Dorf hatte ein Brandanschlag stattgefunden, weshalb sich die Toten Hosen kurzfristig entschieden hatten, an einem Musikfestival gegen rechte Gewalt teilzunehmen.

Anzeige

Tatsächlich ist Campino seit „Sascha—ein aufrechter Deutscher“ ganz offen gegen die rechte Szene. Das ist jetzt 23 Jahre her, liebe Strache-Fans. Als sie den Song bei ihrem Auftritt bei Rock gegen Rechts 1992 in Frankfurt gespielt haben, hat Campino das so kommentiert: „Wir haben euch ein Lied mitgebracht. Musikalisch verhältnismäßig recht ruhig, aber ich denke trotzdem eines der zornigsten und wütendsten, das wir in den letzten Jahren geschrieben haben. Es haben sich schon ein paar Menschen beschwert, die es im Radio gehört haben […] Dieses Lied ist das Portrait über einen jungen Vollidioten, wie er zur Zeit zu Tausenden auf unseren Straßen rumläuft und wer das nicht hören möchte, der macht sich immer noch was vor.“ Dieser Sascha, von dem da die Rede ist, pinkelt auf ein Judengrab, hat kurze Haare und viel mehr muss man gar nicht erklären.

Haben die jetzt so Empörten nicht mitbekommen, dass die Hosen einen Sampler mit dem Titel Nazis Raus herausgebracht haben? Oder, dass sie die Kampagne „Kein Bock auf Nazis“ supporten? Wer die Toten Hosen mit Nationalstolz in Verbindung bringt, der hat etwas nicht verstanden: Die Toten Hosen sind eine Band, deren Publikum bei einem Massenevent wie dem Rock am Ring lauthals „Nazis raus“ schreit. Im Juni diesen Jahres hat Campino (ebenfalls beim Rock am Ring) Folgendes gesagt: „Es ist nicht so, dass wir denken, wir könnten mit einem Lied irgendwelche rechten Idioten rumdrehen, aber es tut einfach gut, wenn ihr das ruft. Es ist wichtig, zu sehen, dass man nicht alleine ist mit seiner Meinung.“ Ist euch jetzt der Hass ein bisschen im Hals stecken geblieben? Noch immer überrascht?

Anzeige

Die Toten Hosen haben schon so viel gegen die rechte Bewegung getan, dass es selbst zu den Leuten durchsickern hätte können, die sich nicht so oft, sagen wir mal, informieren. Vor ziemlich genau einem Jahr haben sie beispielsweise eine jüdische Auszeichnung für ihr jahrzehntelanges Engagement gegen Rechtsextremismus bekommen. Seht ihr, da steht jahrzehntelang.

Ihr hättet aber auch die Texte der Band genauer studieren können. Sowohl bei „Sascha“ oder einem Song wie „Willkommen in Deutschland“, der 1993 veröffentlicht wurde. In dem Lied thematisiert Campino etwas, dass auch in Österreich viele Menschen nicht verstehen zu vermögen: „Dies ist das Land, in dem man nicht versteht, dass fremd kein Wort für feindlich ist.“ All das ist vor einiger Zeit passiert und jetzt seid ihr plötzlich überrascht? Besser spät als nie, nicht war? Ihr sagt ihr braucht Campino und seine beschissene Meinung nicht? Das sieht er umgekehrt bestimmt sehr ähnlich.

Isabella auf Twitter: @isaykah

**

Folgt Noisey bei Facebook und Twitter.