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Interviews

„Ich würde sterben, wenn ich mich nicht entwickeln würde“—Vega im Interview

Vega hat 30 Kilo abgenommen, ist vegan geworden, einen Haufen Schulden angesammelt und seinen Manager rausgeschmissen. Aber sonst scheint es ihm gut zu gehen.

Vega war schon immer jemand, der gerne zu großen Worten neigte. Pathetisch und persönlich und immer nach außen gekehrt. Wenn man allerdings nichts zu erzählen hat, dann hat man ein Problem. Und so dauerte es dieses Mal zwei Jahre, bis der Frankfurter wieder etwas zu erzählen hatte. Und das war einiges. 30 Kilo weniger, mal eben vegan geworden, eine neue Liebe, Trennung von Manager Hadi El-Dor und 100 Mille Schulden. Man könnte meinen, dass sich Vega auf Kaos wahlweise in Selbstmitleid oder Durchhalteparolen verlieren könnte, doch überraschenderweise scheint das Freunde von Niemand-Oberhaupt viel mehr mit sich im Reinen zu sein als noch auf Nero oder Vincent. Nicht jeder Track ist die bedeutungsgeschwängerte Deepness in Reinform, dementsprechend gelassener aber nicht weniger hart klingt Kaos. Damit könnte es dieses Mal all jene ansprechen, die nie zugeben würden, dass sie sich auch in den Schlaf weinen.

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Noisey: Du schienst nicht so glücklich, als du eben nach Soja-Milch gefragt hast.
Vega: Ich bin nicht so der Soja-Milch-Fan. Ich steh auf Mandel-Milch, das ist viel geiler. Aber die meisten Läden haben leider nur Soja-Milch.

Mandel-Milch hört sich teuer an.
Ich muss sagen, dass ich dir das nicht genau sagen kann. Ich habe ja selten Alternativen, von daher muss ich häufig das einkaufen, was es gibt. Aber ich gehe mal davon aus, dass es teuerer ist als normale Milch.

Ich habe immer gehört, dass Veganismus als Lebensstil nicht günstig ist.
Das kommt drauf an. Du hast ja immer deinen Stock an Sachen, um überhaupt kochen zu können. Und wenn man den hat, dann kann man loslegen. Dann macht es preislich auch keinen großen Unterschied mehr.

Wie viel hast du abgenommen?
30 Kilo.

Kam der Gewichtsverlust durch deine Umstellung auf die vegane Ernährung?
Nein, den Gewichtsverlust hatte ich schon vorher. Aber es ist auch ein Irrglaube, dass man durch vegane Ernährung gleich abnimmt. Dort gibt es ja Hummus und solche Geschichten.

Freust du dich noch über die Komplimente?
Ich fische jetzt nicht nach Komplimenten, aber natürlich freut man sich, wenn es anderen aufgefallen ist, dass man sich positiv verändert hat. Ich habe ja abgenommen, als Eintracht nicht gespielt hat und daraufhin Leute gesehen, die ich normalerweise wöchentlich sehe. Die fanden es natürlich auch schick, als die mich gesehen haben.

Du sagst auf dem Album, Rapper in Leggings seien deine Feinde. Glaubst du, du würdest als Veganer so gut in deinen Texten wegkommen?
Das ist jetzt kein Feindbild, dass ich gegenüber denen habe, das heißt einfach, dass ich keine Männer feier, die hautenge Hosen wie Leggings tragen. Aber Veganismus ist nichts, wofür man mich anfeinden könnte. Das ist eine gute Alternative. Ich glaube nicht, dass man die beiden Dinge vergleichen kann.

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Beides weicht ja von der HipHop-Norm ab.
Der Irrglaube ist ja, dass Fleischessen männlich sei. Und somit HipHop. Ich glaube, dass Veganismus gar nicht so weit weg ist von HipHop. Die Rapkultur hinterfragt ja und richtet sich von der Kultur her gegen den Mainstream. Vegan zu sein, bedeutet das Gleiche.

Wie rebellisch ist für dich Rap, wenn es mittlerweile auch zum Mainstream geworden ist?
Wenn man sich Straßenrap und die erfolgreichen Künstler anschaut… Farid Bang, Kollegah oder Haftbefehl haben ja ihre Musik nicht verändert, die ist nicht weniger hart oder oder rebellisch. Nur versteht der Mainstream mittlerweile die Kunst dahinter.

Hast du das Gefühl, dass viele diese Künstler einfach nachahmen?
Das ist ja normal. Selbst meine Generation ist ja komplett schon von Deutschrap beeinflusst worden. Meine Vorbilder waren auch ein Azad, ein Savas oder ein Curse. Das Problem ist, dass wahrscheinlich alleine in dieser Straße drei oder vier Leute wohnen, die rappen. Es ist sehr einfach geworden. Du nimmst dir Beats aus dem Internet und rappst in dein Macbook rein und am Ende des Tages hast du irgendwie Mucke gemacht. Dadurch gibt es unglaublich viele und somit auch unglaublich viele schlechte Nachahmer. Am Ende kristallisiert sich aber heraus, wer die innovativen Jungs sind und wer die sind, die hinterherlaufen.

Ihr versucht euch bewusst abzugrenzen. Freunde von Niemand sagt es schon.
Der Gedanke bei Freunde von Niemand war nicht: „Wir sind gegen jemanden“ sondern „Wir sind alleine“. Als wir das gegründet haben, hatte ich einen krassen Abturn auf die Szene. Straßenrap war überhaupt nicht am Start und wurde auch boykottiert, als sich plötzlich alle auf Casper und die Orsons gestürzt haben. Wir wollten uns deswegen von dem distanzieren, was vorne stand.

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Ihr habt ja wirkliche Anhänger. Was glaubst du, womit die sich bei euch identifizieren können?
Man muss sagen, wir haben ja Freunde. Savas, Motrip, Raf, Liquid Walker, aber es sind halt wenige. So ist aber auch das Leben. Man hat ein paar echte Freunde und dann kommt ein ganz großen Bekanntenkreis, die aber eigentlich egal sind. Wir wollten nicht so tun, als ob wir mit jedem cool sind, sondern es so darstellen, wie es wirklich ist.

Wirtschaftlich gesehen ist das vielleicht nicht der beste Ansatz.
Das stimmt natürlich. Für viele bei FvN ist die Musik der komplette Lebensinhalt und so nah an unserem Leben, dass wir nicht mit jemandem cool sein können, den wir nicht auch im echten Leben feiern. Man muss aber auch sagen, dass unsere Freunde zufälligerweise alle wirtschaftlich erfolgreich sind. Ohne, dass wir sie deswegen feiern würden.

Glaubst du, das geht Hand in Hand?
Natürlich gibt es auch Arschlöcher, die erfolgreich geworden sind. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es sich langfristig auszahlt, wenn man ein guter Mensch ist.

Die erste Singleauskopplung „Wir sind die 1“ ist ja auch auf Gegenwehr bei den Hardcore-FvN-Fans gestoßen. Beschäftigt dich das?
Klar, beschäftigt das einen und es baut Druck auf. Man arbeitet zwei Jahre an einem Album und natürlich will man, dass die Leute das feiern. Die Leute wollen geliebt werden für das, was sie erschaffen, das ist ganz normal. Ich kann aber nicht zulassen, dass es meine Mucke beeinflusst. Da muss man in seiner eigenen Blase bleiben. Manchmal muss man auch die Anhängerschaft ein klein wenig in eine Richtung drücken. Die Meinung zu dem Song hat sich auch mit der Zeit geändert, weil die Leute gecheckt haben, dass das ganze Album nicht so wird. Man darf das alles nicht zu sehr an sich heranlassen.

Wollen die Leute nicht noch weitere Facetten von dir kennenlernen?
Das ist die Frage. Der Mensch ist einfach ein krasses Gewohnheitstier. Die Leute wollen am liebsten immer das Gleiche und die Songs, die sie feiern. Aber so funktioniert ein Künstlerdasein nicht. Ich würde sterben, wenn ich mich nicht entwickeln würde. Und meine Fans müssen sich dann einfach mitentwickeln oder, so hart es klingt, sich jemand anderen suchen.

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