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Ich habe den ganzen Tag Audiodrogen ausprobiert

In Saudi-Arabien und im Libanon gehen die Behörden gegen solche „Digital Highs“ bereits verstärkt vor. Grund genug, sie auszuprobieren.

Musik macht high. Zumindest fühlt es sich manchmal so an. Das dürfte jeder von uns in irgendeiner Situation schon einmal erlebt haben, wenn auch auf wissenschaftlich sicher schwer erklärbare Weise. Wie unsere Kollegen von Vice News diese Woche berichteten, gehen Behörden in Saudi Arabien und dem Libanon nun aber tatsächlich im großen Stil gegen gewisse „Audio Highs“ vor, weil sie ihrer Meinung nach eine reale Gefahr darstellen.

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Die Rede ist hier aber nicht etwa vom neuen U2-Album—die vermeintliche Gefahr geht von sogenannten „binauralen Beats“ aus. Das Prinzip dieser binauralen Beats ist (in Kurzform) relativ leicht erklärt: Man wird auf dem linken und dem rechten Ohr mit jeweils einem Ton beschallt (das ganze funktioniert daher auch nur mit Kopfhörern). Diese beiden Töne haben leicht unterschiedliche Frequenzen. Durch den Frequenzunterschied bekommt man als Hörer das Gefühl, im Kopf einen dritten Ton zu hören. Letztendlich ist es also eine akustische Täuschung, die je nach Frequenzbereich angeblich auch Auswirkungen Befinden und Psyche haben soll.

Die Debatte um diese binauralen Beats und deren Wirkung ist eigentlich gar nicht so neu, das ganze wird schon seit Jahren diskutiert. 2012 forderte ein renommierter arabischer Forscher etwa, solche Audio-Highs mit THC oder MDMA gleichzustellen. Das Ausmaß der tatsächlichen Wirkung ist laut Experten aber höchst umstritten und fragwürdig. Auf Youtube wimmelt es nur so vor binauralen Beats, die angeblich die Wirkung von so ziemlich allen erdenklichen Drogen imitieren, und ganz ähnliche Reaktionen im Gehirn auslösen sollen. Als tugendhafter und unerschrockener Noisey-Journalist, welcher der Wirkung dieser angeblichen Audio-Drogen auf den Grund gehen will, sehe ich mich im Angesicht der aktuellen Ereignisse leider gezwungen, ein kleines aber waghalsiges Selbstexperiment zu starten, und an einem Vormittag möglichst viele digital Highs auszuprobieren.

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09:00 Uhr: Cannabis

Normalerweise vermeide ich es tunlichst, frühmorgens stoned in der Redaktion aufzukreuzen. Aber wie hoch ist die Chance schon, dass diese Audioclips tatsachlich eine Wirkung auf mich haben? Ich will es heute auf einen Versuch ankommen lassen. Auf Youtube finden sich sogar unterschiedliche Weed-Sorten. Ich entscheide mich für Orange Kush, setze schon zum Zähneputzen in aller Herrgotts Früh die Kopfhörer auf beginne mein Permantentbeschallungs-Experiment.

In den ersten zehn Minuten am Weg zur U-Bahn stelle ich fest, dass dieser monotone Sound gar nicht so schlecht auszuhalten ist. Interessanterweise wird mir aber ein bisschen mulmig und schlecht—keine Ahnung, ob das mit den binauralen Sounds zusammenhängt. Hey, was sagen eigentlich die Youtube-User in den Kommentaren zu dem Video ?

Auch ich werde ein bisschen schläfrig. Das könnte natürlich daran liegen, dass ich erst vor einer halben Stunde aufgestanden bin, aber ich habe schon das seltsame Gefühl, dass es irgendwie mit diesen Klängen zu tun hat. Und das Bauchgefühl ist ja bekanntlich ziemlich verlässlich. Erstaunlicherweise kann ich mich trotz (oder wegen) des monotonen Summen in meinen Kopfhörern beim Arbeiten erstaunlich gut konzentrieren. Nach 45 Minuten-Dauerbeschallung bin ich mir aber sicher: Ich bin definitiv nicht stoned.

Ich beschließe doch noch die Weed-Sorte zu wechseln—die letzte Viertelstunde läuft also sie Sorte Purple Haze in meinen Kopfhörern. Die Frequenz ist noch tiefer als die von Orange Kush, und irgendwie wirkt auch dieser binaurale Beat entspannend. Letztendlich macht es mich aber noch weniger high.

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10:00 Uhr: LSD

Bei Vice hat es ja lange Tradition, dass Autoren alle möglichen und unmöglichen Aktivitäten auf LSD praktizieren, und dabei ziemlich lustige Dinge erleben.
Deshalb sind meine Erwartungen an das digitale LSD-High hoch—ich werde aber schnell enttäuscht. Die Töne in meinem Kopfhörer sind wesentlich höher und schriller als bei den Weed-Sorten, und der LSD-Beat geht mir nach kurzer Zeit gewaltig auf den Arsch. Außerdem hat er absolut gar keine Wirkung auf mich.

Ich will ja niemanden abstreiten, dass dieses nervige Piepsen auf ihn eine besondere Wirkung hat. Für mich ist dieses verfluchte Geräusch aber einfach nur lästig. Irgendwie erscheint es mir ja auch komplett absurd, dass ein Audiofile auch nur in irgendeiner Weise wie eine psychoaktive Droge wirken soll. Das ist doch alles Humbug. Die Youtube-User halten auch nicht mit ihrem Sarkasmus zurück.

11:00 Uhr: Opiate

Ok, Audio-LSD war scheiße. Ich will aber nicht vorzeitig aufgeben und wage mich nun an die Opiate. Und siehe da: Die tiefen, dumpfen Frequenzen machen mich bereits nach fünf oder zehn Minuten müde. Also so richtig müde. Ganz ohne Scherz. Ich falle vor Müdigkeit mit dem Gesicht fast auf die Tastatur. In letzter Zeit war ich vormittags eigentlich immer putzmunter, deswegen bin ich tatsächlich ein bisschen erstaunt.

Auch wenn ich weiterhin meilenweit davon entfernt bin, mich so zu fühlen, als wäre ich unter Drogeneinfluss (insofern man das überhaupt beurteilen kann, wenn man die echte Droge noch nie konsumiert hat) scheint dieses Audio tatsächlich irgendeine Form von Wirkung zu haben. Vielleicht sind die Youtube-Kommentare auch deswegen ein bisschen weniger spotthaft, als bei den vorherigen Videos:

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12: 00 Uhr: Kokain

Wow, dieser blöde Opiat-Beat hat mich tatsächlich ziemlich mitgenommen. Ich bin sogar wirklich froh, als das Audio nach 30 Minuten endet, weil ich meine Augen kaum noch aufhalten kann. Jetzt brauche ich irgendwas mit einer Gegenwirkung, irgendwas aufputschendes. Ich überlege kurz Ectasy als Abschluss des Selbstversuches zu wählen, entscheide mich dann aber für Kokain.

Dieser binaurale Sound ist auf jeden Fall der, der am spookiesten klingt. Gott sei Dank macht er mich nicht so verflucht müde wie der vorige. Putzmunter oder völlig aufgedreht macht er mich aber auch nicht wirklich. Wenn das wirklich Kokain sein soll, dann ist es ganz sicher ein fürchterliches, gestrecktes Dreckspulver, und ganz sicher kein superpures Zeug aus Kolumbien. Das Beste an diesem Youtube Clip sind definitiv wieder die Comments:

Fazit:

Wenn ihr mich fragt, haben binaurale Beats kaum etwas mit echten Drogen gemeinsam. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass sie unter gewissen Umständen eine brauchbare Wirkung auf manche Hörer haben können—vor allem, wenn es darum geht, sich zu entspannen, zu konzertieren, oder wenn man Probleme beim Einschlafen hat. Unterschreiben würd ich ihre Wirkung aber nicht. Ich freu mich jetzt jedenfalls auf Soundcloud zu gehen und wieder richtige Musik zu hören.