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Punk ist das dämlichste Wort in der Musikwelt

Wenn alles Punk ist, dann ist nichts Punk.

Hört auf damit!

Kennst du das beschissene Gefühl, wenn du das Wort „Höschen“ hörst? Ich brauche nicht mal auf deine Antwort warten, wenn du ein normales, menschliches Wesen bist, wird das Wort eine Welle von Schamgefühl durch deinen Körper senden, dass du denkst, du bekommst gleich einen Eintrag in die nationale Sexualstraftäterkartei. Es gibt ein musikalisches Äquivalent zum Wort „Höschen“ und das lautet „Punk“.

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Das Wort „Punk“ ist ein ausnahmslos dämliches Wort und dafür, dass ich es hier nutze, sollte ich wahrscheinlich in das Gefängnis der Musikstraftäter eingekerkert werden. (Ich hab keine Ahnung, wer da noch so schmort, aber höchstwahrscheinlich der Typ, der „Hey Soul Sister“ geschrieben hat und all die Leute, die auf Konzerten Band-Shirts tragen.) „Punk“ steht an der Stelle meiner Lieblingswörter ganz hinten, obwohl ich es doch wohl knappe 900 Mal am Tag nutze, weil es eigentlich die Art von Musik bezeichnet, die ich ganz gerne höre. Ich sage „eigentlich“, weil eine Eigenschaft das Wort in der Gänze kennzeichnet: es ist verdammt ungenau.

In erster Linie bezeichnet Punk Ethos und Ideale, so dass alles, was unter diesen gigantischen Oberbegriff fällt, als „Punk“ etikettiert wird. Und dann gibt es da auch noch die ganzen Subgenres des Punks, mit ähnlich widerwärtig klingenden Namen, zum Beispiel Hardcore. Dieses Wort verwirrt die Leute so sehr, dass als ich das erste Mal meiner Mutter erzählte, dass ich Hardcore höre, sie nur antwortete: „Nein, das tust du nicht. Das ist Pornografie“. Dann gibt es da auch noch Emo—wenn ich das Wort nur in den Mund nehme, möchte ich mich am liebsten auf der Stelle gleich selbst zusammenprügeln. Oder Screamo, Ska, Pop-Punk, Post-Punk, Grindcore und all die anderen Millionen Subgenres, die die Leute erfunden haben, um sich auf ihren Dating-Plattformen zu profilieren. Eigentlich ist doch alles „Punk“.

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Das lässt einige tiefgehende, philosophische Fragestellungen in mir aufkommen. Ist Punk ein Musikgenre oder ein Daseinszustand? Kannst du ein Genre definieren, dass sich von Grund auf gegen eine Kategorisierung sträubt? Wie zur Hölle kann Anti Flag 25 Jahre lang als Band existieren? Um diese grundlegenden Fragen beantworten zu können, habe ich meinen Kumpel Brendan Kelly zu Rate gezogen, der seit mindestens 15 Jahren als Punkrocker unterwegs ist und in der Band The Lawrence Arms (ziemlich Punk) spielt. Brendan, dann leg mal los: „Wenn Crass Punk ist, und Good Charlotte und Madball und Fifteen und die Misfits und die Cro-Mags auch alle Punk sind (und das sind sie, weil es keine Regeln gibt), dann ist der Terminus ideologisch gesehen doch komplett sinnentleert. Das bedeutet letztendlich, dass es einfach nur ein Weg ist, um etwas zu verkaufen—und Wege etwas zu verkaufen, sind entweder langweilige Marketing-Strategien oder Propaganda“. Wenn alles Punk ist, dann ist im Grunde genommen nichts Punk. An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal darauf hinweisen, dass Punk das einzige Musikgenre ist, bei dem diese Art von Diskussionen entstehen kann. Kein Motown-Fan würde einem anderen während einer Diskussion, was nun Motown ist und was nicht, jemals an die Gurgel gehen: „DIE TEMPTATIONS SIND KEIN RICHTIGER MOTOWN, DU VERFICKTER POSER“!

Ein weiterer Grund, weshalb „Punk“ ein so abscheuliches Wort ist, ist das Image, das damit assoziiert wird. Die meisten Leute, die heutzutage Punk hören, stehen auf Bands wie Dillinger Four oder Teenage Bottlerocket und kleiden sich für gewöhnlich ziemlich unauffällig in Jeans und Band-Shirts. Aber wenn der gelegentliche Musikliebhaber das Wort „Punk“ hört, dann denkt er sofort an die lächerlichen Kostümierungen, die von solch Spät-70er-Bands wie den Sex Pistols getragen wurden. Kleines Update für all diese Leute: Niemand, der heutzutage Punk hört, kümmert sich noch einen feuchten Dreck um die Sex Pistols. Im Großen und Ganzen sind die Punks mit grünem Irokesenschnitt, Bondage-Hosen und Nietenlederjacke ausgestorben. Manchmal trifft man in der Wildnis durch Zufall auf ein Exemplar dieser Spezies und das ist dann ungefähr so, als würde man einen Kobold finden. Sie sehen aus wie mythische Figuren, die gerade aus der Zeitmaschine gekommen sind und aus einer Ära stammen, als man sich noch mehr als einen Scheiß um Ronald Reagan kümmerte.

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Echt jetzt. Hört doch einfach auf damit!

Brendan, was sagst du um Thema Punk-Fashion? „Die Idee etwas als Anti-Establishment und Gegenkultur zu bezeichnen und es im gleichen Zug mit Mode und ihren strikten Dogmen in Verbindung zu bringen, ist schon mal ein ziemlich beschissener Ausgangspunkt. Und wenn du damit argumentieren willst, dass Punk von Anfang an ein Modeding war (und das könnte ich sogar verstehen), dann ist ‚Punk‘ auf jeden Fall kein bisschen cooler als ein Jersey Shore-Italo oder ein ‚Rocker‘ oder ein ‚Hippie‘ zu sein“. Ein ‚Hippie‘ zu sein, ist sowieso das schlimmste“. Okay, gut gesagt, Brendan und danke dafür, dass du meine italienische Herkunft hier angreifst.

Ich denke, dass wir hier bereits in ziemlich tiefes Territorium bezüglich des ganzen Punk/Nicht-Punk-Dings vorgedrungen sind, also lasst uns auch nochmal daran denken, dass „Punk“ im Grunde genommen so ist, als würde man mit Fingernägeln auf einer Tafel entlangkratzen, aufgrund des dämlichen, außermusikalischen Gebrauchs des Worts. Wie in Dirty Harry, als Clint Eastwood fragt: „Do I feel lucky? Well, do you, punk”? Im Prinzip soll das wohl Rabauke, oder Bengel bedeuten. Ich glaube ich erzähle den Leuten jetzt, dass ich Rabauken-Rock höre, da wissen die Leute wenigstens etwas mit anzufangen.

Da ich das Wort „Punk“ nun gefühlt eine Million Mal genutzt habe, werde ich mich jetzt für den Rest des Tages mit meinen Klamotten unter die kalte Dusche stellen und dabei schluchzend Rancids And Out Come The Wolves mitsingen. Bis dann, Punks.

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Dan Ozzi betreibt unseren Lieblings-Punk-Blog, Jaded Punk. Er überlegt gerade, ob ihn nicht vielleicht doch umbenennen sollte. Du kannst ihm bei Twitter folgen - @danozzi

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