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Ich möchte kein Teil dieser Jugendbewegung sein—Warum Tocotronic nervt

Ich war kein Punk, aber mit der Dirk von Lowtzow wollte ich noch weniger zu tun haben.

Foto: Michael Peterson

Mein Problem mit Tocotronic beginnt in den 90ern, als die alternative Szene in meiner oberösterreichischen Heimat entweder aus Punks oder Second-Hand-Adidas-Jacken tragenden Menschen bestand. Ich war kein Punk, aber mit der Dirk von Lowtzow wollte ich noch weniger zu tun haben. Das lag vor allem daran, dass ich zwar wehleidig war, mich von der Welt unverstanden fühlte und auch dieser intellektuelle Zugang irgendwie gepasst hätte (im Gymnasium hab ich so getan, als würde ich Freud lesen), aber als jemand, der seine Ausbildungsstädte gehasst hat, wäre es mir nicht im Traum eingefallen, mich zu einer Schule (und schon gar nicht zur Hamburger Schule) zu bekennen. Meine Idole waren fucked up wie Kurt Cobain oder voller Wut und Wahnsinn wie Billy Corgan. Tocotronic dagegen machten auf mich wild pubertierenden Buben immer den Eindruck, als würden sie gerne ein wenig Rock’n’Roll machen, aber dann schnell das verschwitze T-Shirt loswerden, weil man sich ja verkühlen könnte und das verdiente Geld in den Bausparer einzahlen. Wer kommt um sich zu beschweren, sollte meiner damaligen Meinung nach kein jämmerliches Lied mit komischen Reimen schreiben, sondern gefälligst den Grund zur Beschwerde anzünden. Oder es zumindest versuchen. Etwas später hab ich es noch einmal mit K.O.O.K. versucht, beziehungsweise über die Variationen einen Rechtfertigungsgrund vor mir selbst gefunden, warum es doch irgendwie ok ist, dieses langweilige Gedudel anzuhören. Ich mag den DSL Remix von „Let There Be Rock“ noch immer irgendwie, obwohl es eigentlich ein perfektes Bespiel dafür ist, was mich an Tocotronic stört. Schon die erste Strophe mit den Schlagwörtern „Ausbeutung des Menschen“, „Gartenbaukunst“ und dem Bezug auf die Jugendlichen, die sich „alles selbst aufgebaut“ haben, kommt mir furchtbar überheblich vor. Ich hab nicht das Gefühl, Tocotronic wollen mir keine Geschichte erzählen, sondern stattdessen ein Image des Nachdenkers verkaufen, das bei den Menschen besonders gut ankommt, die auch lieber das Image des Nachdenkers haben, statt sich tatsächlich Gedanken zu machen. Moment, damit tu ich ihnen unrecht, denn diese Band will nicht einmal etwas verkaufen, was das ganze in meinen kapitalistischen Augen noch unsympathischer macht.

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Mir ist völlig klar, dass diese Einschätzung unfair ist, denn entweder man fühlt ES—oder halt eben nicht. Das trifft in der Form genauso auf Bob Dylan oder halt

Tocotronic zu, auch wenn es mir gerade weh tut,

dass ich beide in einem Satz erwähnt habe. Und es gibt auch die eine Ausnahme, „Jackpot“, das Lied, das ich trotz der bemühten Lyrics als Eins-A-Liebeslied anerkenne. Es wäre eigentlich ein sehr guter Popsong, wenn Tocotronic sich nicht dagegen entscheiden hätte, keine Popsongs zu schreiben.

Neben den Variationen besitze ich noch ein zweites Tocotronic Album. Es ist das weiße Album, ich habs in dieser Kartonverpackung und falls es irgendjemand von euch haben möchte—ich schenk es euch. Seit dem Erscheinen dieses Albums sind 13 Jahre vergangen, es ist eine Doku über Kurt Cobain erschienen und Billy Corgan noch verrückter geworden. Es könnte sein, dass mir Tocotronic mittlerweile sogar gefällt, weil ich inzwischen selbst wie meine Eltern geworden bin. Ich werds mir dieses Liebes-Konzept-Album jedenfalls mal anhören.

Jonas sieht das wie so oft ganz anders als David. Lest hier seinen Bericht zum Tocotronic-Konzert im B72 in Wien. Im Sommer könnt ihr euch an mehreren Terminen in AT und CH davon überzeugen.

11.06. Luzern, B-Sides Festival (CH)

19.07. Wien, Arena Open Air (AT)

12.10. Zürich, X-Tra (CH)

07.11. Linz, Ahoi Pop (AT)

08.11. Graz, Orpheum (AT)

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