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Wie Top Dawg Entertainment den Anfang von 2014 beherrscht haben

Gute Rap-Crews haben ganze Epochen geprägt. Diesem Jahr werden TDE ihren Stempel aufdrücken.
Ryan Bassil
London, GB

Gute Rap-Crews prägen ganze Epochen. NWA, die Soulquarians und Atlantas Dungeon Family haben in den 1990ern den Blick von Spielzeugen aus Cornflakes-Packungen und Grunge in Richtung Inner-City Neo-Soul, G-Funk und dreckigem Southern-Rap gelenkt. Wenn du an die frühen 2000er zurück denkst, sollten dir die Farb-Arrangements von Dipset, der kommerzielle Erfolg von G-Unit und die weltumspannende Romantik von Young Money in den Sinn kommen.

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An wen werden sich die Menschen wohl erinnern, wenn sie später auf die heutige Zeit zurückblicken? Sie werden über Top Dawg Entertainment sprechen—das Label, das um die Black Hippy-Mitglieder Kendrick Lamar, Schoolboy Q, Jay Rock und Ab-Soul entstanden ist.

Natürlich ist TDE nicht die einzige Rap-Crew, auf die man durch goldgetönte Brillengläser zurückblicken wird. A$AP Mob und Pro Era waren für kurze Zeit das große Ding an der East Coast, Guccis Brick Squad hatte einige Achtungserfolge und Odd Future waren so gut darin, Rap, Business und das Internet miteinander zu verbinden, dass sie 2034 garantiert ein zweistündiges Spezial auf einem Kultursender bekommen werden. Aber niemand von ihnen hat 2014 bisher so grundlegend geprägt wie TDE. Ja, das Jahr ist erst zwei Monate alt, aber die Crew hat schon zu Beginn des Jahres allen gezeigt, dass sie niemand sind, mit dem du dich anlegen willst.

Mit nicht weniger als sieben Grammy-Nominierungen bescherte Kendrick TDE einen perfekten Start ins neue Jahr. Am Ende gewann er zwar keinen einzigen davon—aber wen interessiert das? Die Jury sprach Kendricks Musik mit den Nominierungen eine Bedeutung zu, und die nahezu einhellige öffentliche Meinung, dass er die Preise verdient hätte, festigten seine Position als Sieger der Herzen.

Sein Album Good Kid, M.A.A.D City aus 2012 ist das Fundament für dieses Ansehen. Aber es sind die vielen Arbeiten, die er zusätzlich nebenbei ablieferte, die seinen Status letztlich manifestiert haben. Jeder kennt seine Zeilen in „Control”, aber das ist nicht das Einzige, was Kendrick 2013 gemacht hat. Letztes Jahr wirkte er bei 31 Tracks mit, 12 davon waren offizielle Single-Veröffentlichungen. Von Emeli Sande über 50 Cent bis zu The Lonely Island—Kendricks Präsenz machte ihn zum Star. Diesen Ansatz verfolgt auf einem kleineren Level auch der Rest der TDE Familie—Schoolboy Q, Ab-Soul und die Anderen schrauben die Anzahl ihrer Gastauftritte ebenfalls ordentlich nach oben. Obwohl kein Künstler 2013 eine eigene Platte veröffentlichte, war es wahrscheinlich das ereignisreichste Jahr für TDE. Anthony ‚Top Dawg’ Tiffiths kündigte an, dass das Label dieses Jahr sieben Veröffentlichungen plant—TDE haben also bereits einiges vorbereitet.

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Den Anfang machte das Album Cilvia Demo des aus Tennessee stammenden Isaiah Rashad, dem ersten nicht-Kalifornier in der Crew. Rashad passt perfekt in die TDE-Familie und pusht den Dungeon-Family-meets-next-gen-Cali-Flow richtig. In Klangwelten, die gleichermaßen von Andre 3000 und West-Coast-HipHop beeinflusst sind, setzt er sich mit Selbstbetrachtungen und Ängsten auseinander, während er pausenlos Hooks raushaut, die Chance The Rapper vor Neid erblassen lassen würden.

Die Hooks der beiden Vorzeige-Songs auf dem Album gehen auf die Kappe von TDEs neustem Familienmitglied, SZA (ihr Track „Aftermath” von 2013 ist die Krönung jeder zuckersüßen Kuschelpop-Playlist). Der erste, „Ronnie Drake”, ist ein melancholischer Shout-Out an die Family, „the strippers, the hoes” richtet sich gegen Diskriminierung durch die Polizei. Im zweiten Song, „West Savannah”, geht es darum, die ganze Nacht wachzubleiben, OutKast zu hören und nicht über Selbstmord zu reden. Die Stimme von SZA schafft es, dass die Musik von Top Dawg sich selbst bei passiven Zuhörern im Gedächtnis festsetzt. Sie produziert nicht nur ihre eigene Musik, sondern liefert gleichzeitig die zugänglichen Vocals für die Hook der Refrains. Das wissen auch TDE, die sie auch auf ihrer zweiten Veröffentlichung von 2014 unterbrachten, Schoolboy Qs Oxymoron.

Es passt super, dass Rashads Cilva Demo und Schoolboys Oxymoron mit nur einem Monat Abstand erschienen sind. Schoolboy ist auf „Shot U Down”, dem Schlusstrack von Rashads Platte, zu hören. Einem Song, der schön in den ersten Track von Oxymoron überleitetet und die Ruhe vor dem Sturm von Schoolboys „Gangsta, Gangsta, Gansta”-Shouts bildet. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Künstler bei TDE gegenseitig ergänzen. Alle haben die gleichen musikalischen Wurzeln, schlagen aber leicht unterschiedliche Richtungen ein, und beginnen so, ihr eigenes Reich aufzubauen.

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Oxymoron wurde auch gerade veröffentlicht, aber fast doppelt so oft vorbestellt, wie Good Kid, M.A.A.D City—was zeigt, wie sehr TDE ihr Einzugsgebiet im letzten Jahr vergrößert haben. Das Album selbst ist ein wilder Ritt. Songs wie „Gangsta” und „Los Awesome” mit Jay Rock setzen dich hinter das Steuer eines koksweißen Escalades, mit dem du, einen Blunt nach dem anderen durchziehend, über die Autobahn bläst. Das Album hat aber auch seine putzigen Momente. Im Track „Grooveline Pt 2” mit Suga Free werden Zeilen wie „your pussy juice being super sweet” über Musik, die aus einem von D’Angelo inspirierten Rap-Cosplay-Porno stammen könnte, gelegt. Vielleicht ist es aber auch nur die Vertonung von total bekifftem Rumgeficke. Was habt ihr erwartet—Umarmungen und eine Schachtel Pralinen? Schoolboy Q geht halt hart ab.

Die Rohheit von Oxymoron ist ein schönes Gegenstück zum friedlichen und in sich gekehrten Charme von Isaiah Rashad. Rashads Sachen sind auf eine andere Art roh: Sie sind ehrlich und wenden sich direkt an den Zuhörer. In einem Interview mit Complex sagte er: „Es geht nicht darum, dich damit anzufeuern, das ist nicht mein Style. Ich will nur, dass du dich damit identifizieren kannst, dass du eine gute Zeit hast und es dich in eine bestimmte Stimmung versetzt. Es ist sehr friedfertig, sehr beruhigend.”

In einem Interview mit The Breakfast Club stellte Schoolboy Q fest, dass die Konkurrenz innerhalb des TDE-Camps die einzelnen Mitglieder dazu bringt, noch besseres Material zu veröffentlichen. „Als ich bei TDE landete, hat mich das wirklich motiviert. Ich bekam diesen Kendrick-Hype mit und sah, wie das Ganze wuchs und wuchs. Am Anfang kamen dreißig Leute zum Konzert, zum nächsten dann schon hundert. Dann ging’s von hundert auf zweihundert und immer weiter. Mittlerweile sind alle ausverkauft. Du verstehst, was ich meine? Das hat mich tierisch motiviert. Ich sagte mir, das nächste Projekt werde ich richtig intensiv angehen; richtig, richtig intensiv.”

So wie Wu-Tang New York geprägt haben oder Death Row die Straßen von Compton, wird Top Dawg Entertainment dieses Jahr HipHop im heutigen Kalifornien prägen. Und dieses Jahr kommen noch vier weitere Alben raus. Verdammt!

Folgt Ryan auf Twitter: @RyanBassil