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Lehnen haben uns einen Tourbericht geschickt

Lehnen waren auf US-Tour. Für uns haben sie aufgeschrieben, was sie dort erlebt haben.

Ein typisch amerikanisches Bühnenbild

Seit etwas mehr als einer Woche bin ich zurück von der dritten Lehnen US-Tour. Im Rückblick sind die drei Wochen, die wir unterwegs waren, ein einziges Amalgam aus Auto fahren, Konzerte spielen, schlafen, Leute treffen und Fast Food essen. Aus Fotos und Notizen konnte ich aber doch noch den folgenden Reisebericht rekonstruieren:

Beten vor der allmächtigen Anzeigetafel, damit der Flug nicht gestrichen wird.

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Schon bei der Anreise warf die Erkenntnis, dass Eis und Schnee die größten Feinde einer tourenden Band sind, ihren Schatten voraus. Nach einem 10 Stunden Flug und 7 Stunden Wartezeit am Flughafen Washington ist mein Anschlussflug nach Denver wegen frostigem Wetter zwar fast 3 Stunden verspätet, im Gegensatz zu vielen anderen Flügen fällt er aber immerhin nicht ganz aus. Im späteren Verlauf der Tour fahren wir zwei Mal durch einen Schneesturm, zwei Konzerte fallen wetterbedingt aus und in Memphis schaffen es zwei Bandmitglieder beim Überqueren der Straße zur selben Zeit auf Eis auszurutschen und sich Arm, bzw. Bein zu verletzten. Heimlich hoffen wir immer noch, dass eine Überwachungskamera diese Slapstick-Einlage gefilmt hat und eine Aufzeichnung davon demnächst irgendwo im Internet erscheint.

Ganz nach dem Pfadfinder-Motto „Be prepared!“ decken wir uns vor der Tour mit Gaffa, Taschenlampen, Handschuhen und Messern bei Jax ein. Hier gibt es alles, was man auch nur irgendwie zum Überleben brauchen könnte, von der Sonnenbrille bis zur Handfeuerwaffe. Außerdem gibt es Samstag und Sonntag gratis Popcorn. Kurz gesagt: Jax ist das Disneyland für Survival Freaks.

Four Loko ist das schlimmste Getränk der Welt. Schlimmer als ich es in Erinnerung hatte. Aus alter Tourtradition kippt jeder von uns am Lagerfeuer eine Dose in sich hinein. Jeder Schluck ist eine Qual. Dummerweise wird das ganze auch noch in 0,5 Liter Dosen abgefüllt… Das alte Rezept wurde in einigen Staaten verboten, weil nach dem „Genuss“ dieser teuflischen Mischung aus Energy Drink und Malt Liquor (Geschmacksrichtungen zum Beispiel: Wassermelone, Erdbeer, Margaritha) reihenweise Teenager in Ohmacht gefallen sind und es sogar zu Todesfällen kam.

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Ein weiteres flüssiges Highlight auf dieser Tour ist ein Oyster Shot, den wir in Maryland serviert bekommen. Er schmeckt ein bisschen nach Bloody Mary, nur dass vor dem Runterkippen des Shots noch eine Auster in den Drink geleert wird. Zusätzlich zum Shot wird uns auch der delikate Fun Fact serviert, dass Familienmitglieder der Kellnerin Champions im Bisamratten-Häuten sind. Hier der Videobeweis, Ansehen auf eigene Gefahr.

An diesen Bildern lässt sich ganz gut erahnen, wie gut ich meinen Vorsatz, mich auf Tour gesund zu ernähen, eingehalten habe.

So herzlich wurden wir in Trenton, New Jersey empfangen

Veranstalter in Amerika tendieren oft zu einem wilden Stilmix von Bands an einem Abend. Eine ganz besondere Mischung erleben wir gleich am ersten Abend der Tour. Eröffnet wird der fröhliche Reigen von einer 17jährigen Singer/Songwriterin an der Akkustikgitarre, die ein bisschen nach Taylor Swift klingt. Ihr Themengebiet lässt sich ganz gut mit einer ihrer Ansagen zusammenfassen: „Also da war ein Junge und ich fand den süß und ich hab ihm gesagt: 'Hey, ich find dich süß' und er hat gesagt: 'Ja, ich dich auch' und dann… ist nichts passiert.". Es folgt ein Rocktrio (Gitarre/Bass/Schlagzeug), das sein Konzert mit einem Rage Against The Machine Cover eröffnet (ohne Bass, der Bassist muss nämlich rappen bei dem Song), kurz nach Mars Volta klingt und schließlich ihr Set mit Dubstep (jetzt nur noch Playback und Schlagzeug) abschließt. Nach uns spielen dann noch drei Typen, die eigentlich aussehen, als ob sie in einer Metalband spielen würden, dann aber irgendwann mit Akustikgitarren und Banjo auf der Bühne stehen um dem verbliebenen, teils schwer alkoholisierten, Publikum eine Mischung aus grandiosen Ansagen („My Herpes got gonorrhea and that pisses my aids off.“), ins Mikrofon furzen (Ja, das ist wirklich passiert…) und Herzschmerz-Countrysongs um die Ohren zu hauen.

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In den "Sunshine Studios" findet auch ein Mal im Jahr das "Gutfest" statt - ein zweitägiges Deathmetal-Festival, bei dem insgesamt 45 Bands mit so klangvollen Namen wie „Machete Dildo“ spielen. Früher kam es oft zu Schlägereien und Knochenbrüchen, aber seit Marihuana in Colorado legalisiert wurde, ist es ein einziges Fest der Liebe und Umarmungen - nur eben mit Metalgegrunze als Soundtrack. Verschiedene Firmen stellen beim Festival ihre Stände auf und verteilen Freibier, Süßigkeiten und ein Vaporizer-Zelt.

Manchmal hat man aber auch extremes Glück mit Bands, die man auf Tour trifft. Mit InAeona waren wir eine Woche gemeinsam unterwegs und vom ersten Treffen an war es Instant Love. Nicht nur, dass sie eine großartige Live-Band sind, als unser Laptop (von dem wir Samples abspielen) in Boston aufhört zu funktionieren, richten sie über Nacht einen ihrer Laptops her, damit wir ihn für den Rest der Tour verwenden können.

Allgemein ist es unglaublich, wieviel Unterstützung wir auf dieser Tour bekommen haben. Sei es durch Schlafplätze (einer der schönsten Sätze, die man auf Tour zu hören bekommt: „I've got two bedrooms and a couch for you guys.“), oder dass uns bei einem Konzert jemand eine Flasche Whiskey und 200 Dollar zusteckt. Auch wenn es an manchen Abenden nicht so gut läuft, wenn dann Leute so begeistert von der Musik sind und einem so viel Unterstützung entgegen bringen, weiß man ja doch wieder, warum man sich das überhaupt alles antut.

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Worum es bei so einer Tour eigentlich wirklich geht? Drei Typen fahren in einem Bus herum, der jeden Tag ein bisschen schlechter riecht, vegetieren dahin und unterhalten sich irgendwann nur noch durch Zitate aus Serien (in erster Linie Trailer Park Boys), in seltsamen Lauten und selbst ausgedachten kurzen Songs (zum Beispiel diese Hymne auf Big City Burrito). Diesen Bus haben wir in 3 Wochen 11.300 km und durch 23 Staaten gefahren. And it was good.

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