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Interviews

Lilly Wood & The Prick sind genauso entspannt wie ihre Musik

Das Pariser Pop-Duo distanziert sich von zu hohen Ansprüchen an die eigene Musik, interessiert sich für Mode und genießt das Tourleben. Ganz Laissez-faire.

Foto: Aljoscha Redenius.

Lilly Wood & The Prick—das sind die beiden französischen Mittzwanziger Nili Hadida und Benjamin Cotto, die in ihrer Heimat schon mit dem Debütalbum zu einer Hausnummer avancierten, und nun auch über die Landesgrenzen hinweg immer bekannter werden. Ein YouTube-Video, in dem flauschige Tierkostüme zu sehen sind, waren mein erster Berührungspunkt mit dem Duo. Dass hinsichtlich der Klickzahlen die Mille schon längst überschritten wurde, kann man bei der niedlichen Choreographie absolut nachvollziehen. Genauso entspannt und süß geben sich die beiden Musiker auch im Interview, wobei aufgrund der besseren Englischkenntnisse Sängerin Nili fast alle Fragen alleine beantwortet.

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Noisey: Ihr macht einen sympathischen Eindruck. Wo habt ihr denn den Scheißkerl (the Prick) gelassen?
Nili: Als wir begannen, spielten wir nur für Freunde in kleinen Bars, und dachten nicht, dass jemals wer danach fragt, oder es größer wird. Hätten wir gewusst, dass wir mal Alben veröffentlichen, hätten wir wahrscheinlich einen anderen Bandnamen gewählt. Aber das ist jetzt so, und wir haben beschlossen, den beizubehalten. Wir sind schließlich kein Produkt, das die Bezeichnung ändert, weil es besser ankommen will. Zu der Zeit, als wir die Band gründeten, waren wir um die 20, und fanden das witzig. Wir wollten etwas, dass kontrastreich klingt, da wir auch viele Kontraste in unserer Musik haben. Die klingt nämlich ziemlich poppig und süß, aber die Texte sind teilweise etwas grober. Aber das ist nicht auf uns als Personen bezogen, so dass ich Lilly Wood wäre und Benni, the Prick. Wir haben da offensichtlich nicht den besten Namen gewählt.

Wo wir gerade in der Vergangenheit sind. Wie habt ihr euch kennengelernt?
Ich befand mich zu der Zeit in verschiedenen beschissenen Jobs und war allgemein nicht so zufrieden. Ich hatte vorher nie in einer Band gesungen. Ben spielte hier und da ein bisschen Gitarre, aber arbeitete eigentlich für ein Modemagazin. Ein gemeinsamer Freund hielt es für eine gute Idee, uns einander vorzustellen. Also haben wir uns in einer Pariser Bar getroffen, aber nicht wirklich miteinander geredet, sondern in erster Linie Nummer getauscht, da wir eher schüchterne Teenager waren. Ich rief ihn ein paar Tage später an und besuchte ihn anschließend. Wir kannten uns nicht und sprachen nicht sehr viel über uns, aber schrieben gleich ein paar Songs von denen wir dachten, sie wären richtig gut, aber das war nicht der Fall. Sie waren sogar ziemlich mies.

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Das klingt so, als hätte sich eure Karriere eher zufällig entwickelt.
Ich weiß, dass Bens älterer Bruder Gitarre spielte, und ihn auf Bands wie Depeche Mode oder die Talking Heads gebracht hat. Bands, die diese 80er Attitüde verkörpern. Ich bin auch ein großer Fan der französischen Szene dieser Zeit. Da gibt es viel verrückten Klischeekram, den wir aber sehr mögen. Meine Lieblingskünstler sind The Pixies oder Otis Redding. Das sind so die Ursprünge. Wir haben keine professionelle musikalische Ausbildung absolviert. Daher ist das ein wenig drauf los, aber deshalb nicht ohne Geschmack. Es ist Pop, klingt nach allem und nichts. Es ist einfach, unsere Musik zu hören und nicht anspruchsvoll oder kompliziert.

Du hast eine Zeit angesprochen, in der Musik noch ganz anders verbreitet wurde. Wie siehst du das Internet aus Sicht eines Künstlers?
Über das Internet konsumieren wir Musik in einer sehr zwiegespaltenen Art. Wir haben unbeschränkten Zugang zu jeglicher Musik und hören oft auch nur ein paar Songs aus einem Album. Es ist die große Frage: War das Leben vor dem Internet besser? Es spielt keine Rolle, ob es besser oder schlechter war. Es ist, wie es ist. Der vereinfachte Zugriff auf Musik ist unserer Kultur jedenfalls sehr zuträglich. Du kannst hören, was und wann immer du willst. Ich glaube, in den 80ern war es noch so, dass du nur dazu Zugang hattest, was im Radio gespielt wurde—was nicht immer die beste Wahl war. Natürlich hat man mit dem Mehr an Musik, auch ein Mehr an schlechter Musik. Aber das liegt dann an deinem Geschmack, herauszufinden, was du magst. Auch die Musikindustrie ist eine andere. Es gibt noch immer Bands, die von der Musik leben, so wie wir. Vermutlich werden wir nie mit einem Porsche durch die Gegend fahren, aber das ist okay. Wenn du Musik wirklich liebst, machst du Musik nicht des Geldes Willen. Wenn du damit etwas verdienst ist das gut, aber nicht die Hauptsache.

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Euer aktuelles Album trägt den Titel The Fight. Wogegen musstet ihr in eurem bisherigen Leben kämpfen?
Das ist eine schwierige Frage. Wir hatten zum Glück nie eine schwere Krankheit. Ich denke, das Hauptthema, dass wir in unseren Texten haben, ist sehr geläufig und auch sehr universell. Das reicht vom Aufwachsen als Kind bis hin zur jetzigen Phase, in der wir langsam auf die Dreißig zugehen. Das ist es, worüber wir schreiben. Es ist nicht einfach, denn wir sind recht sensibel. Wir hatten eine schwere Zeit, in der wir versucht haben, unseren Platz zu finden, zu erfahren wo wir stehen und wie wir uns verhalten sollen. Das ist vermutlich unser größter Kampf. Wir haben das Album so genannt, da unser erstes Album in Frankreich ziemlich gehypt wurde. Wenn sich das erste Album sehr gut verkauft, und du aus dem Nichts kommst, erwartet jeder, dass du beim zweiten Versuch scheiterst. Durch diesen enormen Druck war uns wirklich sehr bange. Das ist der Grund, warum wir es The Fight genannt haben. Außerdem haben wir festgestellt, dass das Wort in den Texten sehr oft auftaucht.

Hast du deinen Platz im Leben mittlerweile greifbarer vor dir?
Nein. Ich denke, ein Mensch zu sein, heißt immer sich zu verändern. Niemand weiß wirklich, wer man ist. Wir sind immer noch recht jung mit 27, und für eine Weile werden wir das auch noch bleiben. Was wir heute darstellen und sind, ist aus der Erfahrung mit der Band geformt. Das Touren hat uns zu dem gemacht. Aber wir wissen, dass wir uns auch wieder verändern werden.

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Ich habe erfahren, dass ihr in Kürze die Musik zu einer großen Parfüm-Werbekampagne beisteuert.
Wir hatten das schon mal gemacht. Damals für Guerlain. Und jetzt steht auch wieder eine große Sache bevor. Darüber dürfen wir aber aktuell noch nichts sagen. Wir sind nicht besessen von Parfüm. Wenn die Musik für Joghurt-Werbung verwendet wird, macht uns das glücklich, wird sie für Parfüm verwendet, macht uns das noch glücklicher. Es ist eine tolle Unterstützung, im Fernsehen zu laufen. So tickt die Industrie heutzutage. Bestandteil der Werbung zu sein, gehört da genauso dazu. Anfangs hatten wir das abgelehnt, weil wir uns nicht selbst verkaufen wollten. Aber es ist toll, mit einer coolen Marke in Verbindung gebracht zu werden.

Gibt es auch Unternehmen, mit denen ihr keinesfalls zusammenarbeiten würdet?
Hmm, vielleicht Fleischwaren oder Tampons… so Kram. Genau genommen, wurden wir sogar zu einem Tampons-Spot angefragt.

Aber ihr habt abgelehnt?
Man weiß nie, was Menschen für Geld alles tun. Wir waren nicht darauf angewiesen und haben das abgelehnt. Wir haben beide ein Faible für die Modebranche, und da kooperieren wir eben sehr gerne. Ben und ich waren vorher in der Branche tätig, haben für Fashion-Shows in Paris gespielt und haben Freunde, die als Designer arbeiten. Davon abgesehen…vielleicht noch Apple. Ich bin ein besessener Applemaniac, und habe kürzlich Steve Jobs Biographie gelesen. Aber darauf würde ich jetzt nicht setzen, dass das klappt.

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Vielleicht in der Zukunft? Everything is possible.
Ja, das ist was Steve Jobs gesagt hat. (lacht)

Du bist in Tel Aviv geboren, und hast in Großbritannien und Kalifornien gelebt. Was hat das für einen Hintergrund?
Meine Mutter hat meinen Vater gehasst. Also nahm sie mich zurück nach Frankreich, als ich drei Monate alt war. Dann kam ich ins Internat, weil ich ein unausstehliches Kind war. Nach einiger Zeit habe ich das wieder verlassen, weil ich ein unausstehliches Kind war. Danach wurde ich zu meinem Dad nach Kalifornien geschickt…weil ich ein unausstehliches Kind war. Da blieb ich, bis ich mit der Schule fertig war.

Du wirkst jedenfalls nicht wie ein unausstehlicher Erwachsener.
Ich versuche, ein besserer Mensch zu sein. (lacht)

Mit welcher dieser Kulturen kannst du dich am meisten identifizieren?
Ich habe nie wirklich in Israel gelebt, aber glaube die israelische Mentalität ist wirklich cool. Wahrscheinlich aufgrund der Situation dort. Die haben größere Probleme als wir hier. Grundsätzlich liegt es aber mehr am Charakter eines Menschen und weniger an kulturellen Umständen. Die Möglichkeit, dass Menschen heutzutage so viel reisen können und Zugang zu so unterschiedlichen Lebensweisen haben, ist großartig. Daher formt es dich nicht mehr so umfassend, woher du kommst. Das ist gut.

Als Musiker hast du ja die besten Voraussetzungen zum Reisen.
In einem Bus mit Freunden herumzufahren, Clubs zu füllen, damit etwas verdienen, einfach Musik zu machen. Das ist das Beste überhaupt.

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Erfüllt ihr auch ein paar Rockstar-Klischees?
Touren in der Fantasie und Touren in der Realität unterscheidet sich doch ziemlich. In letzterer sitzen wir in einem Tourbus, in dem wir auch schlafen. Das bedeutet lernen, wie man auf engstem Raum miteinander klarkommt. Die ganze Zeit, ohne Dusche. Was aber sehr wichtig für uns ist: Ich habe einen Blog auf der französischen Elle-Website. Wir schreiben darin über dieses Tourleben. Dabei wollen wir den Leuten auch zeigen, dass wir nicht in Klischees der 70er leben, mit Groupies im Backstagebereich flachlegen und den ganzen Kram. Wir informieren darüber, was es zu essen gibt, wie die Backline aussieht oder was ein Lichtmann macht. Das ist sehr interessant und macht Spaß.

Dann seid ihr ja selbst auch journalistisch aktiv.
Ben: Wir haben eine Leidenschaft fürs Filmen. Ich mache Dokumentationen mit meiner Produktionsfirma. Vor Allem über Themen wie Politik, Mode und Kino.
Nili: Meine Sache ist einfach Musik. Das hat dann verschiedene Facetten. Dazu gehört auch das Schreiben für die Elle oder Filmmusik zu machen. Aktuell starten wir mit unserem neuen Projekt. Es wird eine große französische Romantikkomödie. Wir tun die Dinge einfach, egal ob gut oder schlecht, wir versuchen es. Da Ben so gerne filmt, haben wir in diesem Sommer auch viele andere Bands interviewt. Das hat sich backstage angeboten, da wir auf zahlreichen Festivals gespielt haben.

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Das klingt interessant. Wen habt ihr schon getroffen?
Sébastien Tellier und Kavinsky haben wir schon interviewt. Half Moon Run haben wir auch zweimal getroffen. Ich habe mich in deren Musik verliebt, und live sind sie am besten. Das erste große Festival hatten wir in Paris. Da spielten wir Tischtennis mit MGMT. Touren bedeutet manchmal auch, Bands zu begegnen, von denen man ein Fan ist. Das ist cool. Es ist schwer, eine Band gut zu finden, wenn du weißt, dass die Mitglieder Idioten sind. Viele mögen Oasis, und ich hasse sie. Es gibt ein paar gute Songs, aber ich finde, sie sind so verdammte Arschlöcher, dass ich ihre Musik nicht mögen kann. Ich verstehe nicht, wie sich Menschen so verhalten können. Vielleicht ist das dumm, aber der Vibe, den du sendest, ist wichtig.

Das Album The Fight von Lilly Wood & The Prick bekommt ihr bei Amazon oder iTunes.

Aktuelle Tourdaten:
26.09.2013 Munich, Strøm
27.09.2013 Berlin, French Waves Festival
28.09.2013 Hamburg, Reeperbahn Festival
29.09.2013 Cologne, Luxor
30.09.2013 Frankfurt, Zoom

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