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Features

Zwölf abgedrehte Rock’n’Roll Cartoons. Absolut nichts für Kinder.

Drogen, Sex und Gewalt—und noch mehr Drogen. Die Zeichentrickfilme aus der goldenen Ära des Rock.

Standbild aus ‚Heavy Metal’

Von Anfang an pulsierte der Rock'n'Roll vor dynamischer Vorstellungskraft, fließenden Grenzen und einer schier unendlichen Palette kreativer Möglichkeiten, anhand derer Ideen und Emotionen eingefangen und kommuniziert werden konnten, die zu groß, zu wild oder einfach zu bizarr waren, als das sie mit irgendeiner anderen Kunstgattung hätten ausgedrückt werden können. Kein Wunder also, dass Rock und Zeichentrick schnell zueinander fanden. Immerhin war dies die eine Filmgattung, mit der so ziemlich alles, was sich ihr Schöpfer vorstellen kann, zum Leben erweckt werden kann (und wird). Eine der ersten großen Produktionsfirmen, die erkannten, dass die Kombination von lauter Musik und abgefahrenen Animationen ihre ganz eigene Attraktivität hatte, waren die Walt Disney Studios. 1969 kam das musiklastige, proto-psychedelische Meisterwerk Fantasia nicht nur erneut in die Kinos, sondern wurde von Disney explizit für ein drogenaffines Publikum als „The Ultimate Experience“ vermarktet—inklusive psychedelischem Schwarzlicht-Poster.

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Seitdem haben sich auch einige andere animierte Projekte ordentlicher Rock Soundtracks angenommen, und dabei etwas heraufbeschworen, das eigentlich schon fast als eigenständiges Genre bezeichnet werden kann. Hier sind jetzt zwölf der verdrogtesten Rock’n’Roll-Cartoons überhaupt. In diesem Sinne: Tune in, toon up, let fly!

Heavy Metal (1980)

Heavy Metal hat einfach alles: Hardrock, explizite Sexszenen und eine kompromisslos-zugedröhnte Science-Fiction-Ästhetik. Daraus entsteht ein perfekter, kosmischer Sturm aus Schund und visueller Pracht. Kein Wunder also, dass der Streifen schon schnell zu einem absolut nicht jugendfreien Klassiker mutierte, der mittlerweile schon mehreren Generationen als Midnight Movie und Initiationsritus gedient hat. Bei Heavy Metal, einer Adaption des gleichnamigen Fantasy Magazins, dreht sich alles um einen böse leuchtenden Weltraumstein, der abgefahrene Geschichten über abgespacete Heldentaten in verschiedenen Dimensionen erzählt. Als wäre das noch nicht cool genug, wird auch noch jede einzelne Story musikalisch von Black Sabbath, Cheap Trick, Blue Öyster Clut, Sammy Hagar und anderen langhaarigen Radio-Ikonen der frühen 80er Jahre untermalt. Wirklich bemerkenswert ist, dass der Film auch heute noch extrem unterhaltsam ist. Seit Ewigkeiten kursiert außerdem das Gerücht, dass es bald eine Hightech-, 3D-, IMAX-Neuauflage geben wird, bei der namhafte Regisseure wie James Cameron, David Fincher, Quentin Tarantino und Guillermo Del Toro Regie führen werden. Das heißt jetzt aber nicht, dass du auf den neuen Film warten sollst. Mach es dir mit deinen liebsten Rauchwaren bequem und begib dich auf eine Reise in eine fremde Welt!

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Yellow Submarine (1968)

Die Ultra-Mega-Mondo Psychedelic Extravaganza der Beatles hat jetzt an sich nichts zu bieten, was nicht für Kinderaugen bestimmt wäre. Hätte man aber je einen LSD-Trip noch detailgetreuer auf der Leinwand dargestellt, dann würde wahrscheinlich keine normaldenkende Person mehr existieren, die darüber berichten könnte. Die Fab Four begeben sich an Bord des titelgebenden Vehikels, nachdem sie von Sgt. Pepper persönlich damit beauftragt worden waren, vom Ozean der Zeit zum Ozean der Löcher zu reisen, um Pepperland gegen die Blaumeisen und ihre riesige fliegende Hand mit den scharfen Zähnen zu verteidigen. Die Jungs werden dabei von einer pelzigen, clowngesichtigen Kreatur namens Jeremy Hillary Boob begleitet. Die musikalische Untermalung des Abenteuers geschieht passenderweise durch einige der pychedelischsten Beatles-Songs, die je geschrieben wurden—darunter auch „Lucy in the Sky With Diamonds”, „A Day in the Life”, „Baby, You’re a Rich Man” und natürlich auch der bekannte Titelsong. Der Film endet in einer derartig halluzinatorischen Kakophonie, dass du wahrscheinlich nie wieder LSD nehmen musst—oder du willst mehr. Jetzt sofort!

Pink Floyd: The Wall (1982)

Die großartigen, fesselnden und auch oft angsteinflößenden animierten Sequenzen des begnadeten Zeichners Gerald Scarfe tauchen in der cineastischen Interpretation des Regisseurs Alan Parkar von Pink Floyds Blockbuster-Konzeptalbum von 1979 immer wieder auf und geben diesem Midnight Movie seine ganz eigene Spraches. Bob Geldorf, damals noch bekannt als Frontmann der Boomtown Rats, spielt Pink, einen abgebrannten Rock Superstar, dessen voranschreitender Wahnsinn schließlich auch brutale Fantasien von Faschismus und einer Mauer beinhaltet, die immer größer und stärker wird. Scarfes immer wieder auftauchende Cartoonsequenzen illustrieren dabei Pinks innerlichen Kollaps—oftmals wortwörtlich. Zu den bemerkenswertesten Szenen von The Wall gehören die zu Swastikas gekreuzten Hämmer, die zerstörungslüstern vorbeimaschieren, wie auch der Höhepunkt des Films, „The Trial“, bei dem alle Schrecken, die zuvor thematisiert worden waren, in einer wunderbar grotesk animierten Form zurückkehren.

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The Great Rock’n’Roll Swindle (1978)

1977, zur Hochzeit des Punk, waren hastig drei verschiedene Sex Pistols-Filme in Auftrag gegeben worden: Das Team von Russ Meyers und Roger Eberts Blumen ohne Duft (Beyond the Valley of the Dolls) arbeitete an Who Killed Bambi?; Julien Temple wiederum arbeitete an der semi-Mockumentary The Great Rock-n-Roll Swindle; und dann gab es noch einen unbenannten Zeichentrickfilm in Spielfilmlänge, für den lediglich Testanimationen fertiggestellt worden waren. Anstatt daraus dann einen vernünftigen Film zu machen, wurden diese einfach in den einzigen Film der drei eingebaut, der am Ende auch fertig wurde: der angemessen großartige und irgendwie auch angemessen furchtbare The Great Rock-n-Roll Swindle. Wenn man sich diese schnoddrigen Sequenzen anschaut—und vor allem die eine, die musikalisch von der Abtreibungshymne „Bodies“ untermalt wird—dann wünscht man sich, dass jemand den Zeichentrickfilm vollendet hätte.

Tom Waits for No One (1979)

Der Künstler John Lamb gewann mit Tom Waits for No One den Oscar für den besten animierten Kurzfilm. Sein Werk ist eine beeindruckende, sechseinhalbminütige Zeichentrickumsetzung der poetischen Gossengeschichten des vom Pech verfolgten Liedschmiedes Tom Waits. Die Schöpfer dieses Kurzfilms (darunter auch Waits selber) hofften damals, ihre Arbeit zu einem abendfüllenden Spielfilm ausbauen zu können. Dafür wurden sogar weitere Szenen angefertigt, die aber leider durch die Zeit und mangelndes Interesse mittlerweile als verschollen gelten. Trotzdem, das, was uns von Tom Waits for No One geblieben ist, ist ein trauriges, gefühlvolles und Freude bringendes Kleinod. Gerade die Unfertigkeit des Films passt auch wunderbar zu der rauen Ästhetik und dem mühseligen Blick auf das Leben, den der Künstler im Zentrum des Geschehens immer wieder kultiviert hat.

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Fire and Ice (1983)

Der Pionier des Erwachsenencartoons, Ralph Bakshi (Fritz the Cat, Wizards) erweckte in diesem Film die ikonischen Bilder des Künstlers Frank Frazetta zum Leben. Frazetta ist der Schöpfer legendärer Pulp-Art, dessen lüsterne Barbaren, Warlords und Göttinnen einige der großartigsten Albencover der Rock- und Metalgeschichte geschmückt haben (hier kannst du dir seine großartigen Arbeiten für Molly Hatchet, Nazareth, Dust, Yngwie Malmsteim, Wolfmother und mehr anschauen). Fire and Ice ist darüber hinaus auch noch ein erstklassiges Fantasy Adventure, das extrem lebendig von Bakshi per multimedialer Rotoskopie eingefangen wurde. Der Film lässt sich einen auch fragen, was wohl gewesen wäre, wenn sich Bakshi durchgesetzt hätte und Led Zeppelin den Soundtrack zu seiner 1978er Zeichentrickadaption von Herr der Ringe gemacht hätten. Die Band hatte damals schon zugesagt, aber dem Filmstudio waren Led Zeppelin zu teuer. Robert Rodriguez will sich jetzt nach Sin City an einer Realfilmversion von Fire and Ice versuchen—es wird aber schwer für ihn, mit dem Original mitzuhalten, selbst wenn Led Zeppelin den Soundtrack machen.

Rock & Rule (1983)

In einem futuristischen Universum, das von Atom-Mutanten bevölkert wird, entführt ein böser Rockstar eine Sängerin mit einer engelsgleichen Stimme—in der Hoffnung mit ihrer Hilfe einen Dämonen heraufzubeschwören. Es liegt dann an ihrer Band ihn und seine finsteren Pläne zu durchkreuzen. Die Musik dazu lieferten Blondie, Cheap Trick, Lou Reed, Iggy Pop und Earth, Wind and Fire. Rock & Rule ist der einzige richtige Film des kanadischen Studios Nelvana und resultierte aus dem Versäumnis der Firma, Heavy Metal zu produzieren. Auch wenn er auf seine eigene Art durchaus unterhaltsam ist und einige nostalgische Qualitäten hat, ist Rock & Rule nicht halb so abgedreht wie die Fernsehspecials, die Nelvana in den 70ern geschaffen hatte. Dazu gehören A Cosmic Christmas, Rome-0 and Julie-8, The Devil and Daniel Mouse (worauf Rock & Rule größtenteils basiert), so wie das Zeichentricksegment des berüchtigten Star Wars Holiday Specials, für das das Studio die Figur des Kopfgeldjägers Boba Fett einführte.

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American Pop (1981)

Mit American Pop landete der Fritz the Cat-Verfilmer Ralph Bakshi unerwarteterweise einen Mainstream Hit. Der Film ist eine farbenprächtige Odyssee durch die amerikanische Geschichte des 20. Jahrhunderts, wie sie aus der Sicht von verschiedenen Generationen einer Musikerfamilie wahrgenommen wird. Die Geschichte nimmt ihren Anfang im Vaudeville, geht über die Folkszene in den 60ern und die LSD-Ära bis hin zum Stadionrock. Wirklich großartig wird American Pop, wenn der Film Hits von Künstlern wie den Doors, Jimi Hendrix, Lynyrd Skynyrd, den Sex Pistols und anderen zum Leben erweckt. Die ganze Sage kulminiert dann mit Bob Seger, der sich, auch wenn es im ersten Moment abwegig wirkt, dann als ausgezeichnete Wahl herausstellt. Animiert konnte Seger doch ganz ordentlich rocken.

Hey, Good Lookin’ (1982)

Und wieder Ralph Bakshi: Hey, Good Lookin’ ist der gerade-irgendwie-so veröffentlichte Film des umtriebigen Regisseurs, der vom Aufwachsen im Brooklyn der 50er Jahre zwischen Greasern und Goofballs handelt. Zu seiner Zeit war das ein durchaus populäres Thema, aber anstatt den Film mit alten Pophits zu untermalen, wie das Martin Scorsese bei American Graffiti machte, beauftragte Bakshi die beiden Songwriter Ric Sandler und John Madara damit, den Soundtrack zu erstellen. Das Ergebnis ist ein musikalisches Gebräu, das klingt wie 50er Jahre Rock durch 80er New Wave neu interpretiert. Die Musik erlangte dann letztendlich auch einen größeren Kultstatus als der Film selbst. 2006 dann, nachdem die Fans schon fast ein Vierteljahrhundert lang untereinander Bootlegs ausgetauscht hatten, erschien dann endlich ein offizieller Hey, Good Lookin’-Soundtrack.

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B.C. Rock (1980)

Der belgische Cartoonist machte sein Debüt im Zeichentricksegment für Erwachsene mit dem 1975er Tarzoon, einer vulgären Tarzanadaption, die für den amerikanischen Markt noch den Titelzusatz Shame of the Jungle bekam. Für die Stimmen waren die damals noch aufstrebenden Komiker Bill Muray, John Belushi und Christopher Guest verantwortlich. Für Pichas 1980er Nachfolger, die Slapstick Höhlenmenschen Farce B.C. Rock, konnten für die Stimmen wieder Murray und Guest gewonnen werden. Dazu gab es dann aber noch einen abgefahrenen Soundtrack mit Rick Wakeman von Yes, Clarence Clemmons von Bruce Springsteens E Street Band und den frühen MTV-Wundern Steel Breeze, die mit „You Don’t Love Me Anymore“ ihren größten und einzigen Hit landeten.

Down and Dirty Duck (1974)

Um etwas Fritz the Cat-mäßig Geld in die Kassen zu spülen, verhalf B-Movie-Mogul Roger Corman dem Undergroundcomic Dirty Duck des Zeichners Bobby London auf die große Leinwand. Obwohl Down and Dirty Duck ohne viel Aufhebens ziemlich schnell wieder in der Versenkung verschwand, handelt es sich dabei auch heute noch um einen unterhaltsam-anstößigen Streifen. Den recht absonderlichen Soundtrack dazu lieferten Flo und Eddie, die beiden Pop-Satiriker, die zuvor noch unter dem Namen The Turtles und als Leadsinger von Frank Zappas The Mothers of Invention bekannt waren. Obendrein hat Zappa persönlich einen Cartoonauftritt in dem Film.

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The Point (1971)

The Point ist ein wunderschönes, bewegendes und in der Tat pointiertes musikalisches Märchen für Kinder. Es stammt aus der Feder des Singer-Songwriters Harry Nilsson, der sich in einem ganz bestimmten Geisteszustand befand, als ihm die Idee dafür kam. „Ich war auf LSD“, erklärte er die kreativen Ursprünge ziemlich direkt. Angelegt als Gute-Nacht-Geschichte und ursprünglich von Dustin Hoffman eingesprochen (und in späteren Versionen dann von Ringo Starr, Nilssons gutem Freund), erzählt The Point die Geschichte des rundköpfigen Jungen mit dem Namen Oblio, der mitten unter missmutigen spitzköpfigen Menschen lebt. Er wird gezwungen, einen spitzen Hut tragen, bis er dann eines Tages mit seinem Hund Arrow loszieht, um einen Ort zu finden, an dem er so akzeptiert wird, wie er ist. Psychedelisch animiert und für seine Zeit exemplarisch ist The Point eine bewusstseinserweiternde Lektion in Akzeptanz, Risikobereitschaft und den unzähligen Möglichkeiten des Lebens. Außerdem gibt es reichlich wunderschöne Lieder und eindrucksvolle Bilder zu bestaunen. Kinder lieben den Film und ich habe noch keinen Kiffer getroffen, der auch nur ein schlechtes Wort darüber verloren hat.

Mike McPadden ist in Technicolor und bei Twitter—@mcbeardo

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