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Kanye West kehrt zum Bonnaroo zurück, damit er es ein für allemal erobern kann

Wir werfen einen Blick auf Kanyes desaströsen Auftritt beim Bonnaroo 2008, um herauszufinden, warum er beschlossen hat, dieses Wochenende nochmal dort aufzutreten.

Kanye 2008 auf dem Bonnaroo, wahrscheinlich wird er gerade ausgebuht.

Dieses Wochenende soll Kanye West zum zweiten Mal in seiner Karriere das Bonnaroo-Festival headlinen. Das erste Mal hat er 2008 auf dem Festival gespielt. Er wurde ursprünglich für einen Auftritt um 8 Uhr abends auf der Which-Bühne gebucht, hat aber in letzter Minute verlangt, um 2 Uhr nachts auf der Hauptbühne des Festivals zu spielen. Zu sagen, dass dies schlecht ausging, wäre untertrieben. Nachdem er ein verspätetes und gekürztes Set, das um beinahe sechs Uhr morgens zu Ende war, abgeliefert hatte, verließ Kanye die Bühne in einem Meer aus Buhrufen, nur um ein paar Tage später auf seinem Blog dem Bonnaroo-Festival selbst die Schuld zu geben.

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In einem Interview mit dem Relix Magazin hat der Veranstalter des Festivals, Rick Farman, über Kanye gesagt: „Jeder ist darüber hinweg—das ist Vergangenheit. Wir sind glücklich, dass er nochmal beim Bonnaroo-Festival auftreten will und Lust darauf hat.“ Da ist allerdings noch eine Sache und zwar: Kanye West macht keine halbherzigen Sachen und er macht Sachen nicht einfach um ihretwillen. Jeder Schritt, den er macht, hat einen Zweck. Um zu verstehen, warum er nochmal auf einem Festival spielen will, das ihn so im Stich gelassen hat, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, was in dieser verhängnisvollen Nacht passiert ist. Glücklicherweise war ich da und kann dir alles darüber erzählen.

Es war im Jahr 2008. Ich war 19 und hatte gerade das erste Jahr College hinter mir. Meine Freunde und ich sind in Massen aus North Carolina nach Bonnaroo in Manchester, Tennessee geströmt, da das nun mal eine dieser Sachen ist, die du machst, wenn du 19 bist und nichts Besseres zu tun hast. Wir haben nur einen Steinwurf von der Hauptbühne entfernt gezeltet, nah genug, dass der Freitagnacht-Headliner Metallica die Versuche meiner Freunde, Pilze von einem leichenblassen, weißen Typen mit Dreadlocks und einem Grateful Dead T-Shirt zu kaufen, übertönt hat. Das Bonnaroo ist keine besonders gastfreundliche Umgebung. Die Sonne weckt dich um sieben Uhr morgens, indem sie dein Zelt in eine Sauna verwandelt; alle stinken furchtbar, da die einzige Möglichkeit, sich zu waschen, ist, zehn Dollar für eine Dusche in einem Anhänger zu bezahlen; außerdem musst du dein eigenes Essen mitbringen oder du läufst Gefahr, 80 Dollar am Tag für grenzwertiges Jahrmarkt-Essen auszugeben, von dem du aufgrund der Hitze kotzen musst. Eine achtstündige Autofahrt zum Festival wird als kurzer Anfahrtsweg betrachtet und da du und eine Menge anderer Leute auf einem Feld campen, gibt es keine Möglichkeit, dein Handy aufzuladen und selbst wenn es sie gäbe, hättest du kein Netz, da alle anderen Leute ebenfalls versuchen, ihre fast leeren Telefone zu benutzen. Darüber hinaus gibt es eine grundlegende Spannung zwischen den Besuchern des Festivals, da das Publikum aus normalem Musikfans einerseits und Hippies andererseits besteht, die noch ein Überbleibsel aus der Zeit sind, als Bonnaroo ein Festival war, auf dem jeder mit seiner Band auftreten konnte, und die zum Inventar des Festivals gehören. Es ist eine angespannte, hermetisch abgeriegelte Welt, in der jeder schwitzt und stinkt und betrunken und high ist und in der der richtige Funke den Zorn der Leute entfachen kann.

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2008 war dieser Funke Kanye West, der statt um 2 Uhr nachts um 4:45 Uhr morgens angefangen hat zu spielen und im Zuge dessen ein ganzes Feld voller Musikfans gegen sich aufgebracht hat.

Bis zu diesem Zeitpunkt war das Festival eine solide Angelegenheit. M.I.A., die gerade auf der Welle ihres zweiten Albums Kala schwamm, war ein Highlight. My Morning Jacket haben bei ihrem nächtlichen Auftritt Kirk Hammett von Metallica auf die Bühne geholt und Jim James hat während der zweiten Hälfte seines Auftritts einen Zaubererumhang getragen, was genau ein Grund ist, warum die Leute auf das Bonnaroo fahren. Vampire Weekend haben nachmittags auf einer Nebenbühne gespielt, da sie noch nicht die Vampire Weekend von heute waren. Ich weiß, dass ich damals verwundert war, dass meine Freunde Tiesto sehen wollten, hauptsächliche weil er damals wie heute scheiße war. Aber auf was wir wirklich gewartet haben, war Kanye. An dem Tag, an dem Graduation herauskam, habe ich die Platte zusammen mit None Shall Pass von Aesop Rock gekauft. Ich habe keine Ahnung warum, aber aus irgendeinem Grund mochte ich das Aesop Rock-Album anfangs mehr. Aber im Laufe des Jahres hat das Kanye-Album mich begeistert. Ich bin jeden Morgen zum Intro von „Good Morning“ aufgewacht und habe die Platte bis „Can’t Tell Me Nothin“ durchgehört, während ich mich für die Uni fertig gemacht habe. Zu dieser Zeit haben die Rapfans Kanye noch als einen von den Guten wahrgenommen, einen enthusiastischen Jedermann mit einem übergroßen Ego, der es trotzdem gut meint. Beim Bonnaroo hat sich das geändert.

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Mein Freund Russell und ich standen in der Nähe der Bühne und haben auf den Auftritt von Kanye um 2 Uhr nachts gewartet, als uns über die riesige Leinwand mitgeteilt wurde, dass sich Kanyes Glow in the Dark-Show um eine Stunde verzögert. OK, kein Problem. Die Leute haben diese Neuigkeiten mit Buhrufen bedacht, na klar. Es ist scheiße, sich die Beine in den Bauch zu stehen und gesagt zu bekommen, dass du auf das, was du sehen willst, noch eine Stunde länger warten musst. Es hatte trotzdem noch den Anschein, als wäre das Publikum auf seiner Seite. Aus 2 Uhr wurde 3 Uhr. Immer noch kein Kanye. Die Buhrufe wurden stärker; die Leute fingen an, aus Frustration Flaschen auf die Bühne zu werfen. Um 4 Uhr war das Publikum auf dem Höhepunkt der Frustration und in diesem komischen Zustand, in dem sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, aber trotzdem mächtig angepisst waren, dass sie drei Stunden auf etwas warten mussten, was sie wirklich sehen wollten. Als Kanye um 4:45 Uhr auf die Bühne kam, hatte er kaum eine Chance.

Meine Erinnerungen an den Auftritt selbst sind ziemlich verschwommen. Ich erinnere mich daran, dass „Gold Digger“ ein Highlight war und ich erinnere mich daran, dass ich abwechselnd amüsiert und genervt war von dem, was Kanye zu dieser Zeit gemacht hat, nämlich sich mit seinem Computer zu unterhalten. „Spaceship“, ein Song darüber, beschissene Jobs im Einzelhandel zu machen, wurde zu einem Song über ein tatsächliches Raumschiff. An einem bestimmten Punkt seiner falschen Reise hat Kanye bei den Lautsprechern halt gemacht und „Don’t Stop Believin“ gespielt, da es 2008 war und solche Sachen noch für eine zumindest einigermaßen gute Idee gehalten wurden. Kanye hat „Stronger“ beendet als die Sonne aufging und das war es dann. Die Leute waren verwirrt; er hatte nur ungefähr eine Stunde gespielt.

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Was bemerkenswerter als die Musik war, war das Publikum und Kanyes Versuch, es zu kontrollieren. Vor einem Festivalpublikum zu spielen, ist bereits eine seltsame Herausforderung, denn selbst wenn du der Headliner bist, ist niemand wirklich dort, um speziell dich zu sehen. Füge dieser Tatsache noch Kanyes Beharrlichkeit hinzu, dem bereits verärgerten Publikum eine hochkonzeptionelle Show wie die seiner Glow in the Dark-Tour präsentieren zu wollen und es ist ein Wunder, dass sie ihn überhaupt dabei haben wollten. Nicht, dass er es nicht versucht hätte. Du konntest sehen, dass er sich in die Songs reingeschmissen hat und versucht hat, uns wieder auf seine Seite zu bringen. Unterstützung für ihn gab es stellenweise—für den sich steigernden Aufbau eines Songs waren wir bei ihm, bis jemand eine Flasche nach ihm schmiss und der Damm brach und die Buhrufe wieder einsetzten. Als das Publikum realisierte, dass es ein gekürztes Set ist, sind sie ausgerastet. Wir waren noch nicht mal auf dem Campinggelände angelangt, da fanden wir schon ein frisches „FUCK KANYE“-Graffiti an einer Wand.

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Vor dem Bonnaroo-Festival hat Kanye in den Medien gerne die Rolle des „netten Typen“ gespielt. Als der Rolling Stone ihn am 20. September 2007 auf ihrem Cover 50 Cent gegenüberstellte, war die Aussage klar: 50 Cent mit seinem finsteren Blick und seiner zerfurchten Augenbraue war der Bösewicht des HipHop, während Kanye, der cool und herausfordernd in 50 Cents Gesicht schaute, der Gute war. Es schien, als wolle der Rolling Stone HipHop als die Macht porträtieren und Kanye und 50 für die helle und die dunkle Seite besetzen. Und Kanye hat, obwohl er wesentlich komplexer ist, zugestimmt, in diesem Binärsystem mitzuwirken. Nach dem Bonnaroo schien es so, als hätte er nicht länger Lust, dort mitzuspielen. „LASST UNS DIE MAUERN DIESER TRUMAN SHOW EINREISSEN“, sagte er in einem Blog-Post kurz nach dem Fiasko, um anschließend zu veranschaulichen, was an diesem Tag falsch gelaufen ist. „PEARL JAM HABEN EINE STUNDE ZU LANG GESPIELT!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! ZU DIESER ZEIT HABEN WIR BEREITS GEGEN DIE SONNE GEKÄMPFT!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“, erklärte er. Obwohl er behauptet hat, so hart getippt zu haben, dass er fast seine MacBook Air zerstört hat, kannst du erahnen, dass es Kanye selbst war, der drohte, aus allen Nähten zu platzen.

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In den darauffolgenden Tagen sah der Kanye, der sich der Welt präsentierte, weniger aus wie der freundliche Doofmann von The College Dropout und mehr wie der Kanye, den wir heute kennen, einen in Leder gekleideten Soldaten der Wahrheit, der beleidigende Polemiken ablässt, Kritiker verwirrt und Babys in Kim Kardashians millionenschweren Unterleib pflanzt. Es schien, als hätte Kanye nur darauf gewartet, durch die öffentliche Wahrnehmung beim Bonnaroo eine Kehrtwende machen zu können. Das Rapgame wurde bedeutungslos und nach dem Bonnaroo 2008 hat Kanye mit den Spielen aufgehört. Im folgenden Herbst ist er nach Hawaii geflüchtet, um seine schwierigste Platte, das Sad Robot-Meisterwerk 808s and Heartbreak zu veröffentlichen. Ein Jahr später hat er Taylor Swift bei den VMAs das Mikro aus der Hand gerissen, um den wahrscheinlich prägendsten Moment seines Trotzes abzuliefern, die „Ich werde dich ausreden lassen!“-Rede.

Kanyes Rückkehr zum Bonnaroo ist hauptsächlich eine symbolische Geste—sie soll dazu dienen, sich gegenüber den wenigen Wesen, die sich ihm gegenüber behauptet haben, zu behaupten. Er ist Luke Skywalker, der Darth Vader wieder gegenübertritt, nachdem dieser ihm die Hand abgeschnitten hat. Er ist Eminem in 8 Mile, der er es endlich schafft, die Free World Gang in einem Rap-Battle zu besiegen. Er ist Jerry und Elaine aus Seinfeld, die beschließen zu ficken, nachdem sie sich getrennt haben. Und ähnlich wie bei den Helden, die ich gerade beschrieben habe, habe ich keine Zweifel, dass auch er Erfolg hat. Dieses Mal wird er reichlich Zeit haben, ohne Verzögerungen seine Bühne so aufzubauen, wie er will. Er wird wahrscheinlich stundenlang spielen, Elton John auf die Bühne bringen, der am Ende „All of the Lights“ mit ihm spielt und die Bühne mit einem umgekehrten Fallschirmsprung in einen wartenden Hubschrauber verlassen. Keine Sorge, der umgekehrte Fallschirmsprung ist keine große Sache, ich bin sicher, DONDA erfindet das bis zum Wochenende.

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Drew Millard hätte sich von den Zerstörern seiner Träume die Selbstachtung nehmen lassen können, hat stattdessen aber seine Arroganz als Antrieb benutzt, um seinen Twitter-Account zu füttern—@drewmillard

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