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Popkultur

114 Gründe, warum Hollywood echt nach Hause gehen kann

Europas größtes Studentenfilm-Festival steht an. Und wenn ein Filmfestival Uwe Boll als Schirmherr will, verspricht das schon mal einiges. Hier könnt ihr Tickets gewinnen.

Geh mir bloß weg, Hollywood! Szene aus ‚Leshy' | Foto: Sehsüchte

Ein Mädchen, das in ihrem Zimmer Bomben baut—und dann nicht weiß, wohin damit. Ein Sohn, der die Vergewaltigung seiner Mutter durch alte Filmaufnahmen rekonstruiert. Und eine Handvoll Afrikaner, die sich in ein komplett fremdes Universum katapultiert sehen, nämlich in ein tief-bayerisches Nest: Wenn Studenten Filme machen, dann trifft das ziemlich genau den Nerv der Zeit und ist gerade deswegen manchmal auch sehr abgedreht.

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114 solcher Filme aus 28 Ländern zeigt das Festival „Sehsüchte" von Mittwoch bis Sonntag in der deutschen Filmuniversität Babelsberg. Ganz in Eigenregie haben die Studenten das Festival auf die Beine gestellt, ohne Profs, die reinreden, und ohne Manager und Produzenten, die das Programm nach Werbeträger-Freundlichkeit frisieren. Jedes Jahr übernimmt eine andere Abschlussklasse die Leitung, 2016 schon zum 45. Mal. Nur bei der Jury und den Medienpartnern kommen professionelle Macher mit dazu, auch VICE ist mit dabei.

13 Kategorien gibt es insgesamt. Da läuft so ziemlich alles von Schwäbisch Noir übers Musikvideo von They Might Be Giants bis zum russischen Jugendrama, und um die 7.000 Menschen schauen zu. Die Festivalmacher haben alles einmal durch den Mixer gedreht: Ein Mashup gibt einen guten Einblick, wie wild es bei den Sehsüchten dieses Jahr wird. Und schön:

Am Sonntag werden dann die Preisträger gekürt—nicht ganz wie in Hollywood, aber mit Promis, Moderator und „I would like to thank…"-Dankeshymnen.

Festival-Leiterin Charlotte Keuer erklärt, was ihr auf keinen Fall verpassen solltet:

VICE: Was bedeuten denn die komischen Punkte in eurem MottoS.P.A.C.E."?
Charlotte: Die Frage kam bisher leider viel zu selten. Wir sind große Genre-Fans und lieben Science-Fiction. Die Idee mit den Punkten hatten wir, als wir uns auf das Motto festgelegt haben. Space heißt übersetzt Raum, und wir schaffen Raum zwischen den Buchstaben, dachten wir uns. Und dann steht es auch für: Spatial Perspective At Cinematic Encounters. Ich weiß, das ist ganz schön sperrig. Aber jeder ist eingeladen, sich selbst zu überlegen, was S.P.A.C.E. für ihn bedeutet. Die Leute sollen einfach dran hängenbleiben und sich Fragen stellen.

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Wie ist es, zum ersten Mal ein Filmfestival zu organisieren?
Es macht Spaß! So viele Leute stecken so viel Energie rein. Aber es kostet auch Energie. Wir machen das ja komplett ehrenamtlich, ohne Geld. Man steht früh auf und sitzt bis spät. Aber es fühlt sich nicht wie Arbeit an.

Die Filmbranche ist eine riesige Industrie. Geht ihr neben denGroßen" nicht völlig unter?
Na ja, wir messen uns ja gar nicht mit denen. Die Berlinale oder das Münchner Filmfest sind viel professioneller organisiert. Wir fühlen uns sehr wohl in unserer Nachwuchsnische.

Was unterscheidet euch von denen?
Gerade weil wir kleiner sind, können wir viel mehr ausprobieren. Wir sagen oft: Wir machen das jetzt einfach mal, und wenn es nicht gut ankommt, schlägt es nicht so hohe Wellen. Wir können mutiger sein. So wollten wir Uwe Boll als Schirmherr haben, der ein sehr umstrittener Regisseur ist. Hat dann leider nicht geklappt, aber zumindest das Grußwort kommt von ihm. Bei großen Festivals fragt man viel mehr danach: Was muss man machen, kann man das, darf man das?

Sicher wollt ihr aber alle irgendwann einmal dahin?
Nicht unbedingt. Wir haben alle ganz unterschiedliche Ziele. OK, bei ein paar Leuten merkt man, die fassen schon Fuß in der Filmbranche.

Anfänger sein, heißt auch Fehler machen. Welche sind eure?
Das klassische Studentenproblem: Alles auf den letzten Drücker machen. Aber es ist nichts katastrophal schiefgegangen.

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Ihr wollt „zurück zu den Wurzeln"? Heißt das, wieder so wie vor 45 Jahren bei den Filmtagen der FDJ?
Mit der FDJ-Vergangenheit setzen wir uns nicht besonders auseinander. Es ist ja schon schwer zu nachzuvollziehen, wieso etwas wie vor zwei Jahren gemacht wurde. Schließlich ist es jedes Jahr ein neues Team. Wir wollten aber alles ein bisschen kleiner haben. Dass man sich wohlfühlt, rumhängen kann, ein Kickerturnier mitmachen kann.

Wie viele Stunden saßt ihr für die Vorauswahl vorm Bildschirm?
Wir haben an der Schule Kinosäle, das ist schon mal viel schöner, als zu Hause auf dem Rechner zu streamen. Unser Auswahlteam hat sich über zwei Monate lang, von Montag bis Freitag, 10 Uhr morgens bis in den Abend Filme angeschaut. Manchmal auch am Wochenende. Wir hatten ganze 3.500 Einreichungen. Ich hatte das Glück, dass ich selber nicht in der dieser Gruppe war. Ich war nur mal für zwei Tage dabei. Da taucht man wirklich in eine ganz andere Welt ab. Nachher kommt man da wie ein Maulwurf aus dem Saal. Wichtig sind viele Kaffeepausen.

Die Gewinner stehen schon fest?
Genau, aber sie wissen es noch nicht.

Die Genrefilm-Kategorie ist ziemlich horrorlastig geworden, oder?
Ja, etwas. Aber Horror ist ein wunderbares Genre, und das waren einfach die besten Filme, die reingekommen sind.

Was sollte man sich unbedingt anschauen?
Leshy, der läuft in der Genrefilm-Kategorie, und ist sehr, sehr toll gemacht. Café Waldluft ist auch toll, in dem eine Besitzerin ihr Hotel geschlossen hat und jetzt Flüchtlinge dort unterbringt. Wie die in dem bayerischen Bergdorf eine neue Heimat zu finden versuchen—das ist witzig und schön anzusehen. Mehr will ich nicht verraten.

Das ganze Programm gibt es hier.