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Musik

Das Comeback der Swedish House Mafia zeigt, wie kaputt heute alles ist

Die EDM-Supergroup ist nach fünf Jahren Pause zurück. Aber kann sich über hedonistische Feelgood-Musik noch jemand freuen?
Swedish House Mafia Comeback
Foto: imago | ZUMA Press

Wann hast du das letzte Mal Musik von der Swedish House Mafia gehört? Wenn es dir wie mir geht, ist das gefühlt eine Ewigkeit her. Dabei ging die kurze, aber prägende Ära des schwedischen EDM-Trios erst vor fünf Jahren zu Ende. Jetzt haben Axwell, Sebastian Ingrosso und Steve Angello mit einem Facebook-Live-Interview – samt zweistündigem Mystery-Countdown – verkündet, dass sie bald wieder auf Tour gehen und an neuer Musik arbeiten. Ein Comeback! Nostalgie! Nur ist die Nostalgie in diesem Fall eher ein mulmiges Gefühl.

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Rückblickend spiegelt der rasante Aufstieg und Zerfall der Swedish House Mafia auch den von EDM als Mainstream-Genre. Die erste Single, "One (Your Name)", etablierte das Trio 2010 sofort als tragende Kraft des EDM-Booms. Nur drei Jahre später, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und der EDM-Welle, löste sich die Mafia aber schon wieder auf. Wenig später verlor das Genre an Mainstream-Relevanz.

Weil ich fünf Jahre keinen Gedanken an die Swedish House Mafia verloren habe, wirft die blosse Erwähnung des Namens schon eine kleine Zeitmaschine in meinem Kopf an. Das Flashback trifft mich härter als ein Martin-Garrix-Drop: Das war eine krass andere Zeit. Damals war im Vergleich zu heute noch alles in Ordnung.


Thump-Video: Eimal Gabber, immer Gabber


2018 ist die Welt ziemlich abgefuckt. In Amerika regiert statt eines halbwegs sympathischen Afroamerikaners ein weisser, alter Twitter-Troll, der mit sexuellen Übergriffen prahlt. In Deutschland sitzt mit der AfD eine rechte Partei im Bundestag, deren Vertreter den Holocaust bagatellisieren, Homosexuelle einsperren wollen und fliehende Menschen zum Abschuss freigeben würden. Rechtspopulismus, Alltagsgewalt, Armut, Vertreibung, Rassismus und Sexismus werden heute nicht mehr als Randphänomene abgetan. Seit der Auflösung der House Mafia dominieren diese Themen zunehmend den weltweiten Diskurs.

Da darf man sich schon fragen, ob Songs wie der letzte Swedish-House-Mafia-Hit, "Don't You Worry Child", in diese Zeit passen. Man muss heute verdammt naiv sein, um zu singen, dass man sich keine Sorgen machen müsste, der Himmel hätte schon einen Plan für uns. Diese Unbekümmertheit ging 2012 noch, aber nicht 2018.

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Vielleicht liegt darin das Problem: EDM hat sich nie um politische Missstände geschert. Es ging nur um Ekstase. Jeder Drop wurde so produziert, dass er möglichst viele Hände in die Luft katapultiert. Feuerwerk! Aber heute ist die Ära des Party-Hedonismus endgültig vorbei. Selbst die bisher apolitische Taylor Swift bezieht mittlerweile Stellung und Brands wie Nike betreiben mit Social Justice Marketing.

So wirkt alles wie in einer Zeitkapsel konserviert, wenn ich mir heute Aufnahmen vom Tomorrowland 2018 anschaue: Dieselben DJs spielen die gleich klingenden Tracks auf derselben Bühne vor demselben Publikum, das genauso tanzt wie damals, als es die Swedish House Mafia noch gab. Wen interessiert's, dass die Welt untergeht? Schmeisst eure Hände in die Luft, and wave 'em around like you just don't care! Solange man das nicht ironisch meint, ist das realitätsfremd. Mehr leider nicht.

Aber irgendwie scheinen das alle Star-DJs noch ernst zu meinen. Und die Swedish House Mafia auch, wenn man sich ihren Auftritt am diesjährigen Ultra Music Festival ansieht. Dort haben sie so ziemlich das gleiche Set gespielt wie bei ihrem Abgang vor fünf Jahren – samt "Don't You Worry Child".

Gleichzeitig halten die Schweden ihre Musik immer noch für das Grösste aller Zeiten. Im Comeback-Ankündigungs-Interview antwortet Axwell auf die Frage, was sich in der Musikindustrie verändert habe, seit die Gruppe sich aufgelöst hat: "Abgesehen von unseren eigenen grossartigen Songs, weiss ich das nicht wirklich."

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Sicher stopft das Trio nun mit seinem Comeback das fette Loch, das im kollektiven EDM-Herzen klafft. Bloss ist dieses Herz geschrumpft und der EDM-Zirkus nicht mehr die Attraktion, über die jeder redet. Aber vielleicht ist Axwell und Co. einfach scheissegal, wie sich die Welt in ihrer Abwesenheit verändert hat. So wie Rockbands wie Guns N' Roses oder Bon Jovi, die in einem Mikrokosmos abseits von Realität und Relevanz unbeirrt ihr Programm abspulen: Als Relikt der Vergangenheit jährlich auf Reunion-Tour, um aus der Nostalgie-Zitrone Geld zu pressen.

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