Menschen

Deshalb schmeißen Männer so gerne Felsbrocken ins Wasser

Videos von Typen, die aus hoher Höhe Steine auf Gewässer prallen lassen, werden in den sozialen Medien millionenfach geklickt. Aber was genau steckt dahinter?
Ein Mann steht in einem kleinen Teich und wirft einen Stein ins Wasser; Steine von hohen Höhen in ein Gewässer zu werfen, ist ein neuer Trend in den sozialen Medien; wir haben geschaut, was dahinter steckt
Symbolfoto: Image Professionals GmbH / Alamy Stock Photo

Klar, nicht nur Männer lieben es schon seit Urzeiten, schwere Sachen durch die Gegend zu werfen, sondern alle Menschen. Derzeit erlebt das Ganze eine Art zweiten Frühling – auch weil man dieses "Talent" dank Social Media jetzt für ein Millionenpublikum zur Schau stellen kann. 

Bei YouTube gibt es unzählige Videos, in denen überwiegend Männer ganz aufgeregt Autos, Spielekonsolen und Snackautomaten aus hohen Höhen fallen lassen. Und bei TikTok werfen Hunderte Typen große Steine von Brücken, der Hashtag #ThrowingRocks hat bereits über vier Millionen Views gesammelt.

Anzeige

Die meisten Wurfvideos laufen dabei ähnlich ab: Aufgeregt giggelnde Männer brechen unter dem Gewicht eines schweren Felsbrocken halb zusammen, sie schleppen ihn zur Brüstung einer Brücke und werfen ihn ins darunter liegende Gewässer. In den Kommentaren bekommen sie dann von anderen Typen digitale Schulterklopfer: "Das Beste, was ich heute gesehen habe", "Besser als Drogen" oder "Noch mal, bitte" heißt es zum Beispiel in den Kommentaren. Und natürlich sollen beim nächsten Mal noch größere Steine aus noch höheren Höhen geworfen werden.

In einem der erfolgreichsten Videos dieser Art wirft der TikToker @jayteeemm eine 56 Kilo schwere Steinplatte von einer Brücke. Sie fliegt ewig durch Luft, bevor sie mit einem lauten Knall in einen Fluss kracht. Über 48 Millionen Menschen haben sich dieses Video angeschaut. Viele der Reaktionen scheinen dabei von Männern zu stammen – Männer, die es ebenfalls lieben, Steine zu schmeißen.

Bei TikTok wird deutlich, wie viele Männer anscheinend darauf abfahren. Das konnte die 25-jährige TikTokerin Phoenix selbst erfahren.

"Meine Videos zielen definitiv mehr auf Frauen und queere Menschen ab. Mit einem eigenen Steinwurf-Video wollte ich mich einfach auf eine nette Art bei meinen männlichen Followern bedanken", sagt Phoenix. Sie ließ einen Kieselstein über einen See schnippen, das Video davon ging direkt durch die Decke. "In den ersten drei Tagen folgten mir 60.000 neue Leute", sagt sie. "Insgesamt bekam ich durch das Video knapp 100.000 neue Follower."

Anzeige

Nach diesem Schub sah sich Phoenix die Gender-Statistik zu ihren Followerinnen und Followern an: Der Anteil von Männern war von 20 auf fast 60 Prozent gesprungen. Zudem wurden in den Kommentaren ihrer Videos plötzlich ganz häufig neue Steinwürfe gefordert. Inzwischen kommt Phoenix jeden Montag diesen Forderungen nach und wirft Steine von Brücken ins Wasser oder zerbricht Steine auf anderen Steinen. Alles "für die Jungs".

Laut dem Archäologen und Geologen Dr. Reid Ferring werfen Menschen wohl schon seit Hunderttausenden Jahren riesiges Zeug durch die Gegend. Während der späten Homo-erectus- oder frühen Neandertaler-Phase sei das Schmeißen von Steinen ein gemeinschaftliches Ereignis gewesen. Das Ganze hinge außerdem mit dem Überleben zusammen: Mit Steinen konnte man damals Säbelzahnkatzen verscheuchen.

"Alleine hat man mit einem Stein keine große Chance. Das ist so, als hätte man nur eine Kugel in der Pistole", sagt Ferring. In der Gruppe könne man hingegen ordentlich Steine hageln lassen.

Dieser Ursprung des Steinewerfens könnte erklären, warum das Ganze für den modernen Mann so ansprechend ist: Es handelt sich im Grunde um eine Erfahrung, die verbindet. In vielen Videos ist zu sehen, wie mehrere Typen zusammen einen Felsbrocken, der für eine Person alleine viel zu schwer wäre, von irgendwo herunterschmeißen. Aber selbst die Clips, in denen nur ein einziger Typ Steine wirft, liefern Gesprächsstoff für Tausende Social-Media-User.

Anzeige

"Als kleine Jungs haben wir auch ständig Steine geschmissen. Wenn man dabei ein Fenster einwerfen und danach wegrennen konnte, hat das Ganze noch viel mehr Spaß gemacht", sagt Ferring. "Wir wollten immer wissen, wer einen Stein am weitesten werfen konnte. Steine zu schmeißen, ist einfach eine spaßige Möglichkeit, um herauszufinden, wer der Stärkste in der Gruppe ist."

Man darf aber auch das ästhetische Element nicht vergessen. Es ist einfach wunderschön, wie das Wasser Wellen schlägt und spritzt, wenn ein Stein die Oberfläche durchbricht. Das ist auch der Anreiz für den 22-jährigen Vincenzo Carbone, der sich selbst als "Rock throwing guy" bezeichnet. Sein erfolgreichstes Steinwurf-Video wurde elf Millionen mal angeschaut. Motiviert habe ihn dabei eine Mischung aus Konkurrenzkampf und Katharsis, so Carbone.

"Ich kann dabei super Stress abbauen", sagt er. "Und ich versuche, dass es bei jedem neuen Wurf noch mehr platscht und spritzt. Wenn ich mit Freunden unterwegs bin, ist das Ziel immer, weiter zu werfen als die anderen. Manchmal fühle ich mich dadurch besser. Manchmal wollen wir so herausfinden, wer der Beste ist." 

Männer seien eben sehr simple Wesen, so Carbone. "Wenn wir einen Stein sehen, wollen wir ihn werfen. Wenn wir einen Ast sehen, wollen wir damit hohes Gras ummähen", sagt er. "Ich glaube nicht, dass es dafür einen tieferliegenden Grund gibt. Uns bereiten einfach auch kleine Dinge viel Freude."

Folge VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.