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Popkultur

Die 'Hart aber fair'-Diskussion über Flüchtlinge war der feuchte Traum eines jeden AfD-Wählers

Schon im Vorfeld wurde der Sendung vorgeworfen, Stimmungsmache zu betreiben. Wie sehr Moderator Frank Plasberg in rechten Gewässern fischte, war dann aber doch überraschend.
Annalena Baerbock von den Grünen und Moderator Frank Plasberg || Foto: WDR | Oliver Ziebe

Wer am Montag den Abend entspannt ausklingen lassen wollte, der hat die ARD wahrscheinlich gemieden. Ab 20.15 Uhr wurde dort nämlich erst Das Mädchen und der Flüchtling ausgestrahlt. Die 45-minütige Dokumentation beleuchtet zwei Mordfälle, die im Dezember 2017 im Abstand weniger Tage stattfanden. Zwei junge Frauen wurden von Männern aus ihrem direkten Umfeld umgebracht. Die Fälle sorgten auch deshalb für heftige Diskussionen, weil die Täter zwei Geflüchtete aus Afghanistan waren.

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"Stehen diese Einzelfälle wirklich für eine besorgniserregende Entwicklung, oder werden diese Taten instrumentalisiert, um Stimmung zu machen?", fragt Frank Plasberg im Anschluss bei Hart aber fair. Zumindest seine Redaktion hatte die Frage schon deutlich vor der Ausstrahlung beantwortet: Ein Ankündigungstext zur Sendung las sich wie eine Pressemitteilung der AfD. Ob junge, männliche Flüchtlinge "überhaupt integriert werden" könnten, stellte das Hart aber fair-Team in den Raum. Und: "Wie unsicher wird Deutschland dadurch?"

Bildblog-Autor Lorenz Meyer bezeichnete die Ankündigung in einem längeren Facebook-Post als "Saat von Verunsicherung, Ablehnung und Angst". Auf Twitter fragten Nutzer, ob man sich im Ersten nun bewusst als Sprachrohr der AfD sehe. Die Talkshow-Redaktion zeigte sich uneinsichtig. Man dürfe ja wohl noch ein gesellschaftsrelevantes Thema so darstellen, "wie es ist". Und der Ist-Zustand, wie ihn Plasbergs dann gleich zu Beginn der Sendung definiert, lautet: "Junge Männer, geflohen aus Krieg und archaischen Gesellschaften, machen vielen Menschen Angst."

Statt sich dem Thema allerdings "hart aber fair" anzunehmen, entschied sich Plasberg für "halbsteif aber wild entschlossen" und versuchte über 75 Minuten verzweifelt, die geladenen Gäste dazu zu bewegen, doch bitte auf den Angstzug aufzuspringen. Und das von der ersten Frage an.

'Hart aber fair' scheint nur eine Aufgabe zu haben: den Leuten zu zeigen, dass ihre Ängste berechtigt sind

Das Zusammenführen von jungen Flüchtlingen und gleichaltrigen Deutschen sei im Fall der ermordeten Mädchen "schrecklich schiefgelaufen", stellt der Moderator fest. Und wendet sich anschließend an den Integrationsforscher Ruud Koopmans: "Was kann man daraus folgern? Wo kann Integration gelingen und wo nicht?" Koopmans ist Dozent an der HU und musste sich dort bereits den Vorwurf gefallen lassen, ein "Nationalist" zu sein. Scheinbar wurde er eingeladen, um noch etwas Islamkritik in den Themenkomplex Zuwanderungsangst hineinzurühren, und so antwortet der erst einmal, dass es insbesondere in muslimischen Ländern einen ganz anderen Umgang mit Sexualgewalt gäbe. Plasbergs Nachfrage, ob er verstehen könne, wenn Eltern nicht wollen würden, dass ihre Tochter Kontakt mit jungen Flüchtlingen hat, wollte er dann so aber doch nicht unterschreiben.

Integration funktioniert eben nicht, wenn die Leute von der Gesellschaft ferngehalten werden, in die sie sich integrieren sollen. Das scheint jedoch nicht in die Richtung zu gehen, die Frank Plasberg sich für seine Talkrunde vorgestellt hatte. Wo bleibt die Angst? Wo das Zugehen auf die Zuwanderungsgegner, mit deren Weltbild seine Redaktion und er sich in der Recherche für die Sendung auseinandergesetzt haben wollen?

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Jetzt muss CSU-Generalsekretär Markus Blume ran. Wie oft er in Bayern hören müsse, dass Leute die Flüchtlingspolitik dafür verantwortlich machen, wenn Straftaten passieren, will Plasberg wissen. Ganz so einfach lässt sich Blume aber doch nicht zu populistischen Aussagen hinreißen. Er will lieber darüber sprechen, dass Zuwanderung natürlich begrenzt werden müsse und in Sachen Integration bisher einiges schiefgelaufen sei. Dass es trotzdem selbstverständlich wichtig sei, offen auf die wirklich Schutzbedürftigen zuzugehen. Ein Punkt, den er im Lauf der Sendung immer wieder macht.


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Plasberg, anscheinend nach wie vor entschlossen, sich nicht mit differenzierten Antworten abspeisen zu lassen, setzt nach. "Meine Frage war, wie oft sie den pauschalen Satz gehört haben: Wenn sie die nicht reingelassen hätten, dann gäbe es diese Taten nicht", sagt er. Das sei natürlich stark verkürzt, aber "sowas hört man". Wo genau und von wem man so etwas hört, verrät der Moderator nicht.

Schon nach den ersten Minuten wird klar, dass Hart aber fair an diesem Abend einen Auftrag hat: den Leuten da draußen zeigen, dass ihre Ängste berechtigt sind. Es wird nur nicht ganz klar, was sich die Redaktion davon verspricht. AfD-Wähler dazu bringen, nun doch GEZ zahlen zu wollen? Oder doch eine Sendung machen, die für möglichst viel öffentliche Aufregung sorgt – auch wenn Zuschauerzahlen für das Öffentlich-Rechtliche eine untergeordnete Rolle spielen sollten?

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Frank Plasberg will, dass endlich jemand aus der Rolle fällt

WDR-Journalistin Isabel Schayani soll beantworten, wie sie die Bilder von Aktivisten bewertet, die 2015 mit Teddybären und Plakaten ihre Unterstützung für Flüchtlinge deutlich machten. So als sei in der Zwischenzeit sehr viel passiert, was uns dazu bringen sollte, abgekuschelte Plüschtiere doch lieber auf Ebay zu versteigern, als bedürftigen Zugewanderten in den Arm zu drücken. Als wolle er ganz unbedingt, dass irgendjemand in der Runde endlich komplett aus der Rolle fällt, zusammenbricht und brüllt: "Sie haben Recht! Wir alle haben einen großen Fehler gemacht!"

Und tatsächlich beginnen seine Bemühungen, Früchte zu tragen. Schayani kommt ihm inhaltlich etwas entgegen und spricht zumindest von einem "Beifang" an Leuten, die man vielleicht nicht wolle, die aber eben mit ins Land kämen, "wenn die Türen auf sind".

Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts, erklärt, dass die Kriminalitätsrate bei Zuwanderern auch deswegen höher sei, weil unter ihnen viele junge Männer seien, die ganz generell öfter straffällig würden. Koopmans nutzt diese Vorlage allerdings, um die in seinen Augen "völlig unkontrollierte Zuwanderung" nach Deutschland zu kritisieren. Grünen-Chefin Annalena Baerbock, die insbesondere CSU-Politiker Blume immer wieder wütend fixiert, grätscht verbal dazwischen und betont die schwierige Situation, in der sich viele Geflüchtete befänden. Zugewanderte hätten oft Traumatisches mitgemacht und wüssten nicht, wie es ihren Familien geht.

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Integrationsexperte Ruud Koopmans (links) und BKA-Präsident Holger Münch waren sich einig, dass die hohen Kriminalitätszahlen bei Zugereisten besorgniserregend sind || Foto: WDR | Oliver Ziebe

Warum man dann nicht einmal mal zu den Familien gehe und gucke, wie es denen geht, will Plasberg daraufhin allen Ernstes wissen. Schließlich würden die sich teilweise in Ländern befinden, in denen andere Urlaub machten. Als Schayani als einzige Person in der Runde mit Migrationshintergrund über ihre Erfahrungen in der Arbeit mit Menschen aus Afghanistan berichten möchte, wird sie ständig vom Integrations-Experten Koopmans unterbrochen. Dem ist es so wichtig zu betonen, dass Frauen in islamisch geprägten Ländern nicht respektiert würden, dass er dafür auch die Frauen, die neben ihm sitzen, nicht aussprechen lässt.

Die Debatte wird nun deutlich hitziger, bleibt aber bei den klassischen Flüchtlingspolitik-Positionen. Ja, Integration ist wichtig. Menschlichkeit und das Recht auf Asyl auch. Aber nichts ist einfach und wenn Menschen Vorurteile haben, dann muss man das auch verstehen, irgendwie. Immer wieder sagt Plasberg, er wolle noch mal auf das Thema junge Männer zurückkommen, die Reaktion seitens der Gäste bleibt aber aus.

Die Diskussionsrunde spricht über Flüchtlinge, nicht mit ihnen

Mit dem Sozialarbeiter Asmen Ilhan, der im Rahmen des Projekts "Heroes" integrationsfördernde Workshops gibt, darf dann zumindest noch mal jemand etwas sagen, der ganz konkrete Beispiele dafür nennen kann, was junge, männliche Zugewanderte wirklich umtreibt. Ein Einspieler zeigt einen Workshop-Teilnehmer, der offen zugibt, geschockt gewesen zu sein, als er in Deutschland das erste Mal ein schwules Pärchen auf der Straße gesehen hat. In seiner Heimat gäbe es so etwas nicht. Mittlerweile habe er sich aber daran gewöhnt. In einem anderen Ausschnitt erklärt er, dass Frauen selbstverständlich ein Recht darauf hätten, über ihren eigenen Körper zu entscheiden.

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"Ist das glaubwürdig", fragt Plasberg Ilhan ungläubig, während CSU-Politiker Blume interessiert aufhorcht. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften? Na wenn das mal kein Thema ist, wo auch Teile seiner Partei noch nicht optimal in unser freiheitlich-liberales Deutschland integriert sind.

Ilhan betont, dass es falsch sei, sich immer nur auf Negativmeldungen zu konzentrieren und wünscht sich, dass mehr mit Flüchtlingen gesprochen würde – nicht nur über sie. Ein Punkt, der deutlich macht, wie inhaltsleer und oberflächlich Hart aber fair und ähnlich gestrickte Talkshows bleiben, wenn sie immer und immer wieder nur die Leute einladen, die nicht direkt vom Thema betroffen sind. Und das ändert sich auch nicht dadurch, dass man sich krawallige AfD-Rhetorik zu eigen macht und Facebook-Kommentare unter Bild-Artikeln umformuliert und als journalistische Fragestellungen verkauft.

Frank Plasberg bedankt sich bei Asmen Ilhan und dreht sich dann um zu seinem Panel. Um weiter über Flüchtlinge zu reden, nicht mit ihnen.

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