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Darf man sich für Promo "umbringen"? XXXTentacion geht an die Grenze

XXXTentacion hat auf Instagram einen verstörenden Clip hochgeladen und sich mit einer noch bestürzenden Geschichte gerechtfertigt.

Grüne Baumblätter vor strahlend blauem Himmel, dann schiebt sich kurz das Gesicht von US-Rapper XXXTentacion ins Bild. Die Kamera fällt zu Boden, X wird von einer Schlinge um den Hals den Baum hochgezogen und baumelt reglos vor sich hin. Diese vier Sekunden, die Mittwochnacht auf dem Instagram-Account des umstrittenen Newcomers gepostet wurden, sorgten sofort für hitzige Reaktionen.

Denn natürlich hing da nicht wirklich der Rapper vom Baum, sondern eine Puppe. Das war kein Selbstmord, den seine Hinterbliebenen dann öffentlich teilten, sondern die Aufnahme entstand im Rahmen eines Videodrehs. Da sich das Video aber aufgrund der amateurhaften Wackel-Optik so authentisch anfühlte und X stundenlang nicht auf die besorgten Kommentare seiner 2,8 Millionen Follower einging, die sich nach seiner Gesundheit erkundigten, kommt der leise Verdacht auf: Hier wurde zu Promo-Zwecken mit dem Tabu-Thema Suizid gespielt.

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"Er könnte andere Leute triggern, die wirklich mit dem Gedanken spielen, sich umzubringen" – auf Twitter kritisieren viele, dass mit solchen drastischen Aktionen eine Grenze überschritten wird. Zumal viele Fans von X selbst unter Depressionen und Angstzuständen leiden würden. Andere finden das Video einfach nur bescheuert und beschimpfen ihn beispielsweise als "Müll".


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Drei Stunden später wird ein neuen Video auf den Instagram-Account hochgeladen. Diesmal wird ein Videokamera-Bildschirm abgefilmt, der X beim Rappen zeigt. Er hängt an einer goldenen Gliederkette und hat die Augen weit aufgerissen. Krasse Bilder, aber jetzt dürfte jedem klar sein, dass es dem Rapper gut geht und das alles nur Teil des Drehs war.

X selbst meldete sich mit einem Handy-Video auch nochmal zu der ganzen Sache zu Wort. Er könne die ganze Aufregung nicht verstehen. Es sei doch ersichtlich, dass das nicht echt war: "Keiner hat gesagt, dass ich tot bin! Wie sollte ich das dann hochladen!?" Er wolle die positive Message verbreiten, sich eben nicht aufzugeben. Schon allein deshalb würde er doch nie zeigen, wie er sich umbringt, während ihm die zwei Millionen Kids zusehen, die zu ihm aufschauen.

Dass er mit dem Thema absolut nicht spaßen wolle, begründet er unter anderem auch mit einer verstörenden Randinfo. Er würde Suizid nie missbrauchen, "erst recht nicht, da sich ein Mädchen gerade mal vor 2, 3 Monaten in meinem Hotelzimmer umgebracht hat." Ein Satz, der komplett im Rausch der entrüsteten Kommentare untergeht, die X für seine Promo-Aktion beschimpfen. Es ist jedoch auch möglich, dass ihm die Geschichte niemand glaubt. Sollte er sie sich wirklich nur ausgedacht haben, würde das seinen Beteuerungen, respektvoll mit dem Thema umzugehen, komplett den Boden wegziehen.

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Tyler, The Creator hatte sich auch schon in einem Musikvideo selbst erhängt. In "Yonkers" zuckt er am Ende verzweifelt mit den Beinen bis er schließlich nur noch regungslos hin und her baumelt. Auch das war damals krass, aber: es geschah in einem Musikvideo, nie bestand auch nur der leiseste Zweifel, dass Tyler sich wirklich was angetan haben könnte. XXXTentacion jedoch hat seinen Fake-Suizid aus Showzwecken in die Timelines einer Plattform gespült, in der die Mehrzahl der Nutzer täglich (kosmetische) Ausschnitte aus ihrem realen Leben teilen. In diesem Kontext ist seine Promo-Aktion eines inszenierten Selbstmords vor allem eines: total beschissen.

Wenige Tage später hat XXXTentacion sein zutiefst melancholisches Debütalbum 17 veröffentlicht. Natürlich auch auf dem Albumcover zu sehen: die Skizze eines Galgens. In den 10 Songs zeigt er aber, dass er gerade nicht umsonst gehypt wird und eigentlich seinen Output auch ohne Promo-Moves für sich sprechen lassen könnte. Denn das, was X auf der Platte abzieht, hat musikalisch teilweise gar nichts mehr mit Rap zu tun, sondern könnte auch auf dem Album einer Indie-Emo-Band stattfinden. Was in Zeiten vom ewigen Autotune-Trap-Trend-Matsch, der Rap gerade beherrscht, verdammt spannend ist.

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Notrufnummern für Suizidgefährdete bieten Hilfe für Personen, die an Selbstmord denken – oder sich Sorgen um einen nahestehenden Menschen machen. Die Nummer der Telefonseelsorge in Deutschland ist: 0800 111 0 111. Hier gibt es auch einen Chat.

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