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​Wie es ist, wenn du wegen dem Verkauf von Raubkopien verklagt wirst

Ich habe mich mit jemanden getroffen, der als Jugendlicher wegen des Verkaufs von kopierten Filmen mit dem Gesetz in Konflikt kam.

Foto: Uli Herrmann | Flickr | CC BY-SA 2.0

Nach einer Urheberrechtsnovelle, die noch vor der Sommerpause im Juli beschlossen werden soll, werden Downloads aus illegalen Quellen in Österreich ab 1. Oktober 2015 strafbar. Bislang wurde die Sache nicht so eng gesehen, denn das „Recht auf Privatkopie" wurde so ausgelegt, dass auch (illegale) Downloads aus dem Internet als (legale) Privatkopien durchgingen. Durch die Urheberrechtsnovelle gleicht die Rechtslage in etwa jener von Deutschland, wo Downloads aus illegalen Quellen seit jeher strafbar sind. Streaming-Dienste—deren illegale und legale Vertreter bekanntlich immer beliebter werden—sind übrigens von der nicht erfasst. Der Upload und der Verkauf von urheberrechtlich geschütztem Material wie etwa Filmen war aber schon vor Jahren strafbar und hier wären wir bei der folgenden Geschichte angekommen: Ich habe mich mit jemanden getroffen, der vor einigen Jahren als Jugendlicher wegen des Verkaufs von kopierten Filmen mit dem Gesetz in Konflikt kam. Die folgende Geschichte ist eine Nacherzählung seiner damaligen Erlebnisse.

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In unserer Klasse war es üblich, dass alle einen Haufen Filme auf ihren Festplatten hatten und selbstgebrannte CDs und DVDs untereinander tauschten. Als ich 16 war, hatte ich irgendwann eine Sammlung mit über 200 Filmen inklusive einer Liste mit allen Titeln.

Etwa zur gleichen Zeit freundete ich mich mit einem Bekannten an, der öfters bei mir vorbeischaute und dem ich—genau wie meinen Mitschülern—immer wieder aktuelle Filme auf CD oder DVD brannte und dafür nichts oder nur den Preis des Rohlings verlangte. Irgendwann ist er dann weggezogen und ich hörte eine Weile nichts von ihm.

Ein Jahr später rief er mich unerwartet an und fragte, ob ich irgendwelche aktuellen Filme für ihn hätte. Zu dieser Zeit war mein Interesse am Sammeln von Filmkopien schon wieder etwas abgeebbt. Ich erklärte ihm das und sagte ihm, dass ich nicht mehr wirklich Filme für andere Leute brennen möchte. Er redete aber auf mich ein und sagte mir, dass er mir auch Geld geben würde, wenn ich ihm ein paar Filme brennen würde.

Letztlich hat er mir pro Film ein paar Euro gezahlt und ich habe ihm insgesamt drei damals aktuelle Filme gebrannt, unter anderem welche, die noch im Kino gespielt wurden. Im großen und ganzen habe ich mir nichts dabei gedacht, ihm die drei Kopien gegeben, er hat sich bedankt und ist wieder gefahren.

Gut zwei Jahre später standen Kripo-Beamte mit einem Durchsuchungsbefehl vor der Haustür meines Elternhauses. Sie sagten uns, dass sie die richterliche Erlaubnis hätten, das Haus vom Keller bis zum Dachboden durchsuchen zu dürfen. Ich musste ihnen zeigen, wo ich meine derzeit in meinem Besitz befindlichen Raubkopien aufbewahre. Sie beschlagnahmten daraufhin CDs, DVDs und Festplatten.

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Außerdem checkten sie, ob die Windows-Lizenz auf meinem PC legal war—was sie zum Glück auch war.

Ich habe zu dieser Zeit noch Zuhause gewohnt und meine Eltern waren natürlich nicht sonderlich begeistert. Das Krasse war, dass am Anfang niemand so wirklich wusste, was los ist.

Irgendwann habe ich erfahren, dass ein Anwalt im Namen von einigen Filmfirmen eine Klage eingebracht hatte. Im Hausdurchsuchungsbefehl stand außerdem, dass ein verdeckter Mitarbeiter eines Kinos meine Raubkopien gekauft hatte—ich vermute, dass damit mein Bekannter gemeint war.

Ich habe mir dann gemeinsam mit meinen Eltern einen Anwalt gesucht und musste zwei Tage nach der Hausdurchsuchung zur Polizei. Dort wurde mir nahegelegt, dass ich so aussagen soll, wie es wirklich war. Das habe ich gemacht. Ich habe auch gesagt, dass ich nur an eine Person Raubkopien für Geld verkauft habe und nie vor hatte, damit richtig Geld zu verdienen.

Die Kripo-Beamten sagten mir sogar, dass sie so eine private Razzia zum ersten mal machen und normalerweise nur in Firmen nach kopierten Software-Lizenzen suchen. Schnell war klar, dass einer Anklage kein Weg vorbei führt.

Zwischendrin wurde die Sache von allen möglichen Medien aufgegriffen. Für mich war die mediale Hetzjagd auf mich und meine Familie sogar noch schlimmer als die Angst vor einer fetten Strafe.

Ich ging damals nicht in meiner Heimatstadt zur Schule, das wussten die extra angereisten Medienvertreter aber nicht und machten sich auf die Suche nach einem Schüler in meinem Alter.

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Am Höhepunkt des Medienrummels klingelte alle paar Minuten mein Telefon.

Irgendwie fanden sie raus, wo ich zu Schule ging und belagerten auch dieses Schulgebäude. Am Höhepunkt des Medienrummels klingelte alle paar Minuten mein Telefon. Mir wurde Geld angeboten, wenn ich mich vor laufender Kamera äußere oder exklusive Statements abgebe.

Ein Kamerateam war besonders aufdringlich und filmte in unseren Garten, in dem gerade meine Schwester im Bikini lag. Sie ist dann reingegangen und meine Mutter hat sich beim Kamerateam beschwert. Ihr wurde ihnen in unfreundlichem Ton mitgeteilt, dass sie aus dem Bild gehen soll, wenn sie oder wer anderer nicht drauf sein will.

Meinen Bekannten habe ich nie wieder gesehen. Ich vermute aber, dass er der Kino-Mitarbeiter war, der der Polizei den Hinweis gab. Dass so viel Zeit zwischen den drei Filmen, die er von mir kaufte und der Polizei-Razzia verging, hängt meinen Informationen nach damit zusammen, dass der ganze Einsatz nach hinten verlegt wurde.

Die Sache hat mich extrem fertig gemacht. Ich wusste nicht, ob es um 10.000 oder um 100.000 Euro geht.

Anscheinend wollten sie schon früher kommen, kamen aber auf dem Weg zu mir drauf, dass ich noch minderjährig war und warteten meinen 18. Geburtstag noch ab.

Die Sache hat mich extrem fertig gemacht. Ich wusste nicht, ob es jetzt um 10.000 oder um 100.000 Euro geht und fand mich schon damit ab, dass ich mein Leben lang einen riesigen Schuldenberg zurückzahlen kann.

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Mein Anwalt erklärte mir, dass die Kläger ein Angebot für eine außergerichtliche Einigung machen werden, bei dem es mich umhauen wird. Er meinte, dass er ihnen danach klar machen werde, dass das so nicht möglich sein wird und sie fragen, wie sie überhaupt auf so eine Summe kommen. Danach werde er ein Angebot machen, dass so niedrig ausfällt, dass die gegnerische Seite fragen wird, ob er ein kompletter Idiot ist. Das soll so lange weiter gehen, bis die Summe extrem nach unten gedrückt wurde.

Im Endeffekt machte mein Anwalt irgendwann ein ziemlich niedriges Angebot. Unterm Strich habe ich dann einige Tausend Euro bezahlt, wobei das meiste für Anwaltskosten drauf ging. Zusätzlich musste ich noch Sozialstunden bei einer karitativen Vereinigung ableisten. Was rückblickend super war, weil ich mich dort echt wohl fühlte und nach meinem Schulabschluss dort als Zivildiener anfing.

Interessant ist, dass viele Details, die medial verbreitet wurden, nicht gestimmt haben. Es stand beispielsweise überall, dass ich die Filme aus dem Internet heruntergeladen habe oder in riesigen Mengen verkauft habe. Beides stimmte nicht. In Summe sind die ganzen Gerüchte und Behauptungen, die immer noch kursieren, nerviger als die eigentliche Strafe, die mir als jugendlicher weh tat, aber in Summe nicht allzu hoch war.

Lustig ist jedenfalls, dass ich die—laut damaligen österreichischem Recht nicht illegalen—Filmkopien nachdem alles vorbei war, von der Polizei wieder zurück bekommen habe. Die gingen nämlich noch als Privatkopien durch, die ich selbst ja völlig legal anfertigen und nutzen durfte.

Erzähl Raphael auf Twitter deine Raubkopierer-Geschichten: @raphschoen