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Noisey Blog

Züri West hat eine neue Platte – Doch du wirst sie wahrscheinlich nie zu hören bekommen

Wenn du Spotify-User bist, liebt dich Züri West nicht und der Band ist es egal, dass du ihre neue Platte "Love" nicht hören kannst.
Foto: Caspar Martig 

Sonne, Wind in den Haaren, aus den Boxen Züri West – es teilen wohl viele eine schöne Erinnerung an Züri West. Ich für meinen Teil kann mich noch genau daran erinnern, dass Aloha From immer im Mini-Cabrio meines Vaters lief. Das verbinde ich mit der Berner Band und so freute es mich, als ich am vergangenen Freitag gesehen habe, dass mit Love nach fünf Jahren eine neue Platte der Mundartrocker erschienen ist. Ich starte also Spotify, gebe "Züri West" ins Suchfeld ein und bin enttäuscht: Züri Wests Musik ist nicht auf Spotify zu hören – abgesehen von drei Songs, die auf Compilations erschienen sind. Wenn du Musik noch kaufst oder Apple-Music-User bist, hast du mehr Glück – aber ich werde Love nie hören.

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Seit ich Spotify verfallen bin, gibt es kein anderes Musikmedium mehr für mich: Ich downloade keine Musik und kaufe keine CDs mehr. Und so geht es wahrscheinlich den meisten: Schlussendlich sind wir eben eine Ein-Service-Gesellschaft. Du entscheidest dich irgendwann mal für ein Angebot und nutzt dieses, bis es dir nicht mehr passt. Du holst dir Amazon Prime und verzichtest deswegen auf Netflix, du hast ein Abo bei Swisscom und brauchst deswegen nicht noch eins bei Salt, du hast dir mal eine PlayStation gekauft und brauchst jetzt keine Xbox mehr. Und auch wenn der Service, den du nicht nutzst, etwas Exklusives anbietet, wirfst du deswegen nicht alles über den Haufen und gibst doppeltes Geld aus.

Dasselbe trifft für Musik zu: Hast du einmal deine Streaming-Bibliothek aufgebaut, bringt dich nicht einmal Kanye West zu Tidal, auch wenn seine Platte nur dort zu hören ist. Und wenn Taylor Swift Spotify boykottieren will, hörst du eben als Spotify-User kein Taylor Swift mehr. Allerhöchstens technischer Fortschritt bringt dich noch von einem Medium oder Service weg: So wie Kassetten wegen der CD ausgestorben sind, die CD-Verkäufe durch Downloads sanken und du irgendwann deine iTunes-Bibliothek durch ein Streaming-Abo ersetzt hast.

Aus diesem Grund fördert eine Plattform-Exklusivität, dass sich Musikhörer wieder der Piraterie zuwenden. Kanye Wests A Life Of Pablo etwa befindet sich auch ein Jahr nach Release noch unter den Top-Downloads auf The Pirate Bay und soll laut Fortune allein in der ersten Woche – als die Platte nur auf Tidal zu hören war – über 500.000 mal über Torrent-Seiten heruntergeladen worden sein. Und ich verstehe es auf eine gewisse Weise: Ich würde mir Züri Wests Love jetzt auch nicht als CD oder Download kaufen. Nicht, weil ich die Musik nicht wertschätzen würde – das entspricht einfach in keiner Weise meinem Musikkonsumverhalten und so sehr Fan von Züri West bin ich dann auch nicht, dass ich die Platte UNBEDINGT hören muss.

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" … ich frage mich: Wo führt diese Gratis- oder Halbgratis-Kultur hin? Ich glaube nicht, dass das bessere Musik bringt", sagt Züri-West-Frontmann Kuno Lauener zum Thema Streaming gegenüber 20 Minuten. "Seit die Streamingdienste aufgekommen sind, gibt es Freunde und Kritiker. Wir beobachten das Streaminggeschäft im Moment noch eher kritisch. Nicht zuletzt auch deshalb, weil immer wieder zu lesen ist, dass renommierte, internationale Acts ihren Content enttäuscht von Spotify zurückziehen. Jetzt wagen wir mit Apple Music mal einen ersten Versuch – über iTunes unterhalten wir bereits eine geschäftliche Beziehung zu Apple. Ausserdem kann bei Apple Music nur mit einem Abo gestreamt werden", führt Züri-West-Manager Stefan Mischler auf Anfrage von Noisey die Gedanken von Lauener aus.

Dass Züri West aber mit dem Boykott von Spotify Hörer ausschliesse, sieht Mischler anders. Die Schuld läge da viel mehr bei Spotify selbst: "Ich weiss nicht, was Spotify seinen Nutzern verspricht. Wenn suggeriert wird, dass jede Musik gestreamt werden kann und dann enttäuschte Hörer zurückbleiben, liegt die Verantwortung bei Spotify und nicht bei den Bands oder Labels, welche keinen Vertrag mit dem Streamingdienst unterhalten."

Natürlich soll jeder Musiker selbst entscheiden können, wie und wo er seine Musik verbreitet. Aber immer, wenn ich mit jungen und modernen Labels auf das Thema Streaming zu sprechen komme, begrüsst man das Modell – auch wenn wir in der Schweiz besonders mit Spotify noch grosse Probleme haben. Jeans for Jesus gab erst kürzlich im Interview mit dem Tagi Streaming als Grund an, wieso sie nicht Labelpartner von Züri Wests bei Sound Service geworden sind: "Das Problem ist halt, dass das Label seine Musik damals nicht auf Spotify und Apple hatte. Das war für uns keine Option, bei den Streamingdiensten nicht vertreten zu sein."

Schlussendlich überrascht es mich aber eigentlich nicht, dass Züri West und ihr Management nicht einsieht, dass sie mit Exklusivität eine Hörerschaft ausschliessen, Mischler meiner Auffassung nach gar nichts von meinen Fragen und all den Problemen hält, die ich oben beschrieben habe und sich Kuno Lauener und Co. zu all den alten Rockstars einreiht, die wegen Streaming rumheulen. Man muss die Jugend nicht verstehen. Und die Jugend muss nicht Züri West hören.


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