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Ein Liebesbrief an ...

Ein Liebesbrief von Leoniden an ihre Heimatstadt Kiel

"Wir sind in dir zur Schule gegangen, haben auf deinen Straßen Fahrradfahren gelernt, uns zum ersten Mal betrunken" – Leoniden sprechen allen Kleinstädtern aus dem Herzen.
Foto: Maximilian König

Leoniden sind die Band, die sich deine Lieblingsbands neidisch angucken. Oder eher bewundernd, denn missgönnen tut den Jungs aus Kiel wirklich niemand ihre Schritte, die sie unbeirrt zur Spitze führen. Viel zu oft hören wir, dass Indie-Rock tot sei, aber ehrlich: Das nächste Mal, wenn euch das jemand sagt, macht ihr einfach "River" an und wartet bis euer Gegenüber spätestens bei der Hook begeistert im Takt nickt. Die Single ist bereits die zweite Auskopplung aus dem am 26. Oktober erscheinenden Album Again.

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Und weil die Kieler ihre Stadt lieben und im Internet viel zu oft der Hass überwiegt – ein Blick in die Kommentarfelder von YouTube oder Facebook reicht da meist schon, um den Glauben an das Gute auf dieser Welt täglich aufs Neue zu verlieren –, haben sie einen Liebesbrief an ihre Heimatstadt geschrieben.


Liebes Kiel,

wir kennen uns jetzt seit durchschnittlich 26 Jahren. Verdammt nochmal. Für uns fühlt sich das wie ein ganzes Leben an. Wir sind in dir zur Schule gegangen, haben auf deinen Straßen Fahrradfahren gelernt, uns zum ersten Mal betrunken und schlussendlich auch, kurz danach, unsere erste Band gegründet: die Leoniden. Wir haben dich nie verlassen, nicht zum studieren, nicht zum Orangenpflücken in Australien. Denn es war immer klar: Die Band, die ist wichtiger. Und Kiel, du gehörst zu dieser Band, ob du jetzt willst oder nicht. Das musste auch unser Sänger Jakob spüren. Er musste er aus der Weltmetropole Hamburg hier an die Förde (so heißt die Bucht, an der Kiel liegt) ziehen. Pendeln war keine Option, weder für uns, noch für ihn.

Kiel, mit dir ist es wie in jeder Beziehung: Es geht nicht ohne dich. Aber mit dir ist es manchmal auch scheiße. Du machst uns ähnlich häufig fertig wie wir glückliche Stunden miteinander verbringen. Ihr, die ihr vielleicht auch in einer Kleinstadt wohnt oder dort groß geworden seid, kennt das sicherlich. Oder um mal einen dieser Hypes aufzugreifen, die hier in der Regel mit 12 Monaten Latenz aufschlagen: I hate being a Small-Town-Boy. I love it.

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Nix können

Was man kennt, ist langweilig. Versteht uns nicht falsch: Wir sind schon eher bequeme Typen. Beim Joggen laufen wir am liebsten NICHT die Runde, sondern in eine Richtung, drehen dann um, und rennen die gleiche Strecke zurück. Keine Experimente. Ein paar von uns können echt gut kochen, aber halt nur vier Sachen. Drummer Felix hat die selbe Hose drei Mal, weil sie halt passt. Wie angegossen. Du weißt schon. Aber ein ganzes Leben in der Stadt zu verbringen, in der man groß geworden ist, ist auch eine Prüfung. Gerade in einer Kleinstadt. Darüber können auch die völlig verklärten Image-Kampagnen nicht hinwegtäuschen, die versuchen, der "Sailing City" metropolitären Charme zu verleihen. Denn: Wir kennen jeden Club. Jeden Imbiss. Wissen, dass es sowieso voll aussichtslos ist, hier einen nicht-beschissenen Pullover zu kaufen. Im KingKongKlub zappeln immer die gleichen Nasen. Auf der Bad-Taste-Party auch. Dann gibt es noch die Fachschaftsparty von den Agrarwissenschaftstudierenden: Wir lesen "Born for Korn" und wollen bloß weit weg. Oder sterben.

Alles können

Aber ey, Kiel, du bist einfach die perfekte Homebase. Hier gibt es die wirklich günstigen Mieten (gerüchteweise ist nur Görlitz billiger). Hier braucht man wirklich nur 10 Minuten mit dem Fahrrad – überall hin. Und nicht eine Stunde mit der Ringbahn, falls sie fährt. Hier kann man wirklich einen bezahlbaren, 80 Quadratmeter großen Proberaum haben. Und kein ranziges Loch in Lichterfelde. Und mal vom Drei-Tage-Durchfeier-Faktor abgesehen, gibt es bei dir Ausgeh-Wise eben auch alles, was man braucht: ein bis zwei wirklich gute Kneipen, zwei bis drei echte Cafés mit echtem Kaffee. Sogar Cold-Brew, wenn man will. Und die Restaurants sind halt überschaubar, aber auch echt in Ordnung. Nur Falafel hat es bisher irgendwie nicht gepackt.


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Es gibt eine ziemlich gute Punk- und eine engagierte linke Szene. Wesentlicher Teil unserer Sozialisation, ohne würde es die Band nicht geben. Und die kurzen Wege zu den besten Freunden, zum Proberaum; die mäßige Ablenkung – Kiel, du bist großartig darin, das Umfeld zu bieten, in dem man richtig weit ausholen kann, um dann auch richtig weit zu werfen. Klar: Wenn man was erleben will, dann muss man das selbst machen. Das nimmt einem hier niemand ab. Und zur Not: Hamburg ist auch nur eine Stunde weg, falls eine Band hier mal nicht vorbeikommt. Außerdem sehen wir ja auch echt genug Bands jedes Wochenende auf den Festivals. Goldgriff bei der Berufswahl. Und für alle anderen: Augen auf beim Eierkauf.

Und das Beste zum Schluss: die Ostsee

Da hast du schon einen ziemlich wettbewerbsverzerrenden Vorteil. War jemand von euch schon mal in Miami? Genau so ist Kiel. Wenigstens im Sommer. Alle hören "Summer Jam" auf Dauerschleife und fahren rückwärts Slalom mit Rollschuhen. Versprochen. Surfen kann hier auch jeder. Und ab und zu chillen in der Förde sogar Wale und Delphine. Und deshalb sind alle Leute hier auch so cool drauf. Und lieb. Und herzlich. Kiel, wir kommen trotz allem immer wieder gern zurück zu dir. Stay crime, Alter.

In Liebe, deine

Leoniden


Die Kieler Jungs gehen bald auf Tour – präsentiert von uns, Noisey! Hier sind die Dates der "Kids will unite" - Tour 2018:

01.11.18 Bremen
02.11.18 Göttingen
03.11.18 Münster
07.11.18 Hamburg
08.11.18 Berlin
09.11.18 Leipzig
10.11.18 Chemnitz
12.11.18 AT-Wien
14.11.18 AT-Graz
15.11.18 AT-Salzburg
16.11.18 AT-Linz
20.11.18 Augsburg
21.11.18 CH-Zürich
22.11.18 CH-Bern
23.11.18 CH-Basel
24.11.18 Freiburg
25.11.18 Heidelberg
27.11.18 Stuttgart
28.11.18 Luxemburg
29.11.18 Wiesbaden
04.12.18 Aachen
05.12.18 Köln
06.12.18 Oberhausen
07.12.18 Hannover
08.12.18 Rostock
14.12.18 Kiel

14.02.19 Berlin (Zusatzshow)

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