Würde Falco heute auch noch funktionieren? Wir haben Künstler in der Red Bull Academy nachgefragt

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Würde Falco heute auch noch funktionieren? Wir haben Künstler in der Red Bull Academy nachgefragt

Mavi Phoenix, Alex The Flipper, Salute, Ogris Debris, MOTSA und Fono erzählen, was sie vom Macho Falco halten und kommen dabei erstaunlich oft auf Yung Hurn zu sprechen.

Alle Fotos von Matthias Heschl

Vor dem Schloss Pellendorf in Niederösterreich schützen sich ein paar Rentiere auf einem Haufen Stroh vor der Kälte, während wir die Auffahrt zum Schlosstor hinauf fahren. Es ist nicht der schönste Tag des Jahres. Der Himmel ist grau und die Felder, die wir hinter uns ließen, braun. Nur das Schloss sticht mit seinem gelben Anstrich aus dem Brei an tristen Farben heraus.

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Die Red Bull Music Academy hat sich dort für ein paar Tage eingemietet, um Musikern die Chance zu geben, mit Original-Falco-Spuren ihre eigenen Remixes im dekadenten Rahmen zu basteln. Wir haben uns mit ein paar dieser Musiker zum Thema Falco unterhalten und erfahren, dass Yung Hurn ihm anscheinend doch ähnlicher ist, als wir ursprünglich dachten.

Mavi Phoenix & Alex The Flipper

Noisey: Was waren für euch die ersten Berührungspunkte mit Falco?
Mavi Phoenix: Meine Mama ist großer Falco-Fan und hat ihn immer gehört. "Nur mit dir" ist mir besonders in Erinnerung geblieben. 
Alex The Flipper: Mein Onkel hat bei den Autofahrten am Weg zum Skifahren nach Gastein immer "Out of the Dark" gepumpt. Das war mein erster musikalischer Kontakt.

Denkt ihr, dass euch Falco auch musikalisch beeinflusst hat?
Alex: Ich kann mich mehr mit dem ersten Album identifizieren als mit seinen Smash-Hits. Die gefallen mir natürlich auch, aber musikalisch setze ich mich gerade mehr mit Einzelhaft auseinander. 
Mavi: Mich betrifft es eigentlich gar nicht. Ich glaube auch, weil wir so viel gerade mit den Falco-Spuren arbeiten, dass wir dann auch mehr von ihm beeinflusst werden. 
Alex: Oder dann wieder übersättigt sind.

Seit Falco ist ja niemand mehr in dem Maße erfolgreich gewesen. Denkt ihr, dass Falco heutzutage auch noch funktionieren würde? Gibt's für euch aktuell jemanden, der in seine Fußstapfen treten könnte?
Mavi: Ja sicher. Donald Trump ist Präsident, es funktioniert alles. Nein, ich glaube schon, dass es funktionieren würde.
Alex: Ich glaube auch, dass es funktioniert, aber mit anderen Bildern, einer anderen attitude, die aber genau so aneckt. Nicht unbedingt mit "Sie ist heiß", sondern "Ich pump mir Drogen rein", als plakatives Beispiel.

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Salute & Fono

Noisey: Wie seid ihr zum ersten Mal mit Falco in Berührung gekommen?
Salute: Wahrscheinlich mit "Rock me Amadeus", als ich ungefähr sieben Jahre alt war. Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, in dem wir R'n'B, Gospel, HipHop und Jazz gehört haben. Also war Falco nicht wirklich Teil meiner Musikerziehung. 
Fono: Ich habe ungefähr vor einer Woche zum ersten Mal von ihm gehört. 
Salute: Wir haben gemeinsam alle Alben durchgehört, um uns einen Song rauszusuchen, den wir remixen. 
Fono: Sein Stil ist vergleichbar mit den Sachen, die im UK zu der Zeit gespielt wurden. Und obwohl ich seine Sachen im Speziellen nicht kenne, hört es sich vertraut an.

Habt ihr euch schon abgehört davon, wenn ihr alle Alben so intensiv gehört habt?
Fono: Nein, nicht wirklich abgehört. Viel davon ist wirklich gut. 
Salute: Da ist viel interessantes Zeug dabei. Wir haben uns eben Einzelhaft angehört und es klingt sehr modern. Andere Songs aus dieser Zeit klingen eher blechern. 
Fono: Bei allen Songs aus dieser Ära, wünschte man sich immer einen modernen Mix davon zu hören. 
Salute: Vor allem seine Stimme nutzt er mehr als Instrument als bloß Wörter zu übermitteln. Manchmal versteht man nicht, was er eigentlich sagt.

Denkst du, dass die ständigen Vergleiche von allen möglichen Bands mit Falco gerechtfertigt sind?
Salute: In einer gewissen Weise schon. Du musst dich nicht anhören wie Falco, um wie er zu sein. Yung Hurn identifiziert sich mit ihm, obwohl die Musik völlig unterschiedlich ist. Ihm geht es mehr darum, wie er sich gibt. Er scheißt einfach auf alles und macht was er will. In dem Sinne sind die Vergleiche schon gerechtfertigt.

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Er war ja auch eine sehr kontroverse Figur, denkt ihr, dass Falco in der heutigen Zeit noch funktionieren würde?
Salute: Ich bin mir sicher, dass es Leute gibt, die sich mit ihm vergleichen lassen. Auch mit dem Drogenkonsum und der extravaganten Art.
Fono: Aber nicht unbedingt in der selben öffentlichen Art. Es gibt viele Leute, die genau so sind, aber das ist nicht allgemein bekannt. 
Salute: Die Leute sind zwar so, aber ihre Kunstfigur nicht. Bei Falco ging das ja von der erschaffenen Figur aus. 
Fono: Ich glaube, das war auch ein Stilmittel der Zeit. Die Leute waren verrückt, trugen unmögliche Kleidung und die Typen trugen MakeUp. 
Salute: Wir haben gestern gehört, dass Ozzy Osborne einer Fledermaus auf der Bühne den Kopf abgebissen hat. Wenn das heute jemand machen würde, wären die Leute entsetzt.

Warum denkst du, wird in der Hinsicht alles etwas braver?
Salute: Ich glaube, das hat mit politischer Korrektheit zu tun. Leute werden anständiger in einer gewissen Weise. 
Fono: Ich denke, Leute sind zurückhaltender und haben nicht das Selbstvertrauen, um so eine Kunstfigur zu erschaffen.
Salute: Die Leute waren so – als Reaktion auf die Zeit, in der sie lebten. Künstler machen immer Kunst, die ihre Zeit repräsentiert. In den 80ern waren die Leute vielleicht so, weil sie aus einer konservativeren Zeit ausbrechen wollten.

Was denkt ihr, wird sich in der Zeit von Trump und Brexit in dieser Hinsicht ändern?
Salute: Seit Trump gewählt wurde, habe ich viele Songs gehört, die feministisch oder antidiskriminierend waren.
Fono: Man kann fast sowas wie die Wiederkehr von nicht unbedingt Punk, aber eines rebellischen Stils ausmachen. Fast so, wie es Le Tigre gemacht hat. Einfach Rebellion gegen die Mächte da oben.

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Ogris Debris

Was war für dich der erste musikalische Berührungspunkt mit Falco?
Gregor Ladenhauf: Ich habe ihn als Kind schon mitbekommen, als "Rock Me Amadeus" rausgekommen ist. Das lief ständig im Fernsehen. Ich kann mich auch gut erinnern, als im Nitsa-Club in Barcelona plötzlich "Der Kommissar" gelaufen ist. Aber ich hab jetzt erst gemerkt, dass ich eigentlich nur die Hits kenne und die schrulligeren und wahrscheinlich auch cooleren Songs, gar nicht. Das ist für mich auch ein Grund, mich mehr in seine Sachen zu vertiefen. Er ist eine total interessante Person, die andererseits auch wieder ein bisschen tragisch ist. Ich habe die Stelle in der Doku so spannend gefunden, in der er zu weinen begann, als er erfahren hat, dass er Nummer eins in den Billboardcharts geworden ist. Als ihn die Leute dann gefragt haben, warum er denn weint, meinte er, dass es ab jetzt nicht mehr besser werde.

Würdest du dich von ihm auch musikalisch beeinflussen lassen?
Ich finde es spannender, wenn man seinen eigenen Stil hat und nicht versucht, jemanden nachzumachen. Weil ich bin ja nicht Falco, also warum sollte ich so tun.

Findest du die vielen Falco-Vergleiche bei Bands wie Flut, Bilderbuch und Wanda angebracht?
Ich finde, dass mich diese Verknappung bei den Texten von Bilderbuch sogar viel mehr an Grönemeyer als an Falco erinnern. Aber es ist total eintönig, wenn ständig irgendwas als Referenz hergenommen wird und sich die Leute nur drauf beziehen. Es gibt so viel gute Musik auf der Welt. Nur mit deutscher Musik und deutschen Texten habe ich tendenziell ein Problem. Da muss ich mich immer ein bisschen fremdschämen.

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Aber eigentlich spannend, dass er als deutschsprachiger Act in Amerika Erfolg hatte.
Ich glaube, dass es zu der Zeit durch das Rap-Ding, das in der Zeit entstand, rübergeschwappt ist. So als Novelty-Ding. Wenn es groovt, ist es eh wurscht. Es gibt ja immer wieder so exotische Ausreißer, bei denen dann der Inhalt oder die Sprache egal ist. Ich denke da an "Gangnam Style" oder "Dragostea Din Tei".

Denkst du, dass Falco mit dem Image, das er hatte, bei uns heute noch funktionieren würde?
Auf jeden Fall. Kunstfiguren – wenn sie sehr prägnant sind – funktionieren fast immer. Wenn du ein geschärftes Profil hast, dann funktioniert das, weil es sich jeder merken kann.

Trotz Machogehabe und Drogen?
Das ist doch der absolute No-Brainer. Wenn man Drogen anspricht in den Texten, ist es fast eine Erfolgsgarantie. Weil es ja immer noch ein Tabu ist und wenn man das bricht, dann finden es die einen so arg und andere können sich vielleicht damit identifizieren. Das ist ja bei Yung Hurn nichts anderes.

MOTSA

Erinnerst du dich noch an deinen ersten Falco-Moment?
MOTSA: Bei mir war der erste Berührungspunkt ziemlich spät, weil ich in Schottland aufgewachsen bin und wir dort eher britische Popmusik gehört haben, wie Blur oder Oasis. Aber zum ersten Mal mit Falco bin ich in Berührung gekommen, als ich mit 18 gerade frisch nach Wien gezogen bin. Ein Freund von mir ist echter Falco-Fan und hat mir das gezeigt.

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Und das hat dich beeindruckt?
Es hat mir getaugt. Es war nicht so, dass ich mir damals dachte, ich kauf mir jetzt alle Alben und hör mir das an. Über die Jahre hat mich seine Figur jedoch immer mehr fasziniert.

Würdest du sagen, dass dich das irgendwie beeinflusst hat?
Nicht unbedingt für MOTSA. Aber in irgendeiner Form ist alles an Musik Einfluss für mich. Dadurch, dass ich als MOTSA nicht rappe und wenig singe, war sein musikalischer Einfluss nicht so direkt. Aber was ich inspirierend finde, ist, dass er mit seinem Stil zu dem Zeitpunkt extrem innovativ in der deutschen Musiklandschaft war und sicher auch viele Leute vor den Kopf gestoßen hat.

Aber neben seinen musikalischen Innovationen, war er ja auch als kontroverse Figur bekannt. Denkst du, so ein Image würde im modernen Kontext auch noch funktionieren?
Vielleicht nicht genau so wie er. Aber vielleicht wie es zum Beispiel Yung Hurn macht. Mit einem neuen Zugang an die moderne Jugend angepasst. Und wenn man hier die Parallelen zieht, zum Beispiel bei der offenen Darstellung von Drogenkonsum in Videos, scheint das sehr viele Jugendliche anzusprechen. Ich kann es nicht nachvollziehen, warum das so viele anspricht. Vielleicht, weil wir in einer Zeit leben, in der ein Großteil der Jugendlichen so perspektivenlos ist.

Seit Falco war ja niemand mehr aus Österreich in dem Maße erfolgreich. Was denkst du, warum das niemand mehr geschafft hat bisher?
Ich glaube, dass das sehr genreabhängig ist. Aber ich kann nicht erklären, warum ein Song ein Hit wird. Vielleicht wird ja Yung Hurn der nächste. Der ist ja schon riesig. Die amerikanische Highsnobiety hat auch schon über ihn geschrieben. Wird sich zeigen, was daraus wird.

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