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Junge Zürcherinnen erzählen, wie sie sexuelle Belästigung im Ausgang erleben

Arschgrapscher, herablassende Sprüche und Schlimmeres: Ausgehen und sexuelle Belästigung gehen Hand in Hand.
Alle Fotos: zvg

Die 19-jährige Schülerin Alina Sonnefeld hat in Deutschland eine wichtige Debatte über die Sicherheit von Frauen in Clubs losgetreten. Sie verfasste offene Briefe an zehn Clubs in ihrer Heimatstadt Jena. Darin beschwert sie sich über die sexuelle Belästigung, die ihr immer im Ausgang widerfährt, und fordert die Clubs dazu auf, etwas an dieser Situation zu ändern.

Ich finde die Aktion von Alina bewundernswert, weil sie auch mir hier in Zürich etwas zu denken gibt: Viel zu oft sehe ich, wie sich Typen im Ausgang gegenüber Frauen völlig daneben benehmen und ihre Subjekte der alkeingeflössten Begierde penetrant belästigen. Ich bin aber nur Beobachter, schreite ein, wenn es mir möglich ist. Als Mann wurde ich jedoch noch nie selbst sexuell belästigt und finde es deswegen extrem schwierig, mich in Frauen hineinzuversetzen, die genau solchen Situationen ausgesetzt sind. Weil ich bin der Meinung, dass dieses Problem thematisiert werden sollte und um zu verstehen, wie es Menschen in solchen Situationen ergeht, habe ich bei sechs meiner Freundinnen nachgefragt.

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Tabea, 22, Grafikerin

Tabea geht vom Kreis eins bis fünf überall aus.

Noisey: Fühlst du dich als Frau grundsätzlich wohl, wenn du in Zürich ausgehst?
Tabea: Ja, auf jeden Fall!

Hast du jemals negative Erfahrungen mit Männern gemacht?
Ja klar, so einige. Eigentlich fast immer, wenn man im Ausgang ist.

Und trotzdem gehst du noch gerne aus?
Bei mir war das so: Ganz frisch im Nachtleben hat mir die Aufmerksamkeit noch gefallen. Ich konnte das noch nicht so wirklich einordnen und habe nicht realisiert, dass ich solche Komplimente und Berührungen gar nicht in Ordnung finde. Mit der Zeit habe ich mir eine Art angeeignet, welche—glaube ich zumindest—die meisten Männer auf Abstand hält. Zum Beispiel erwidere ich den Augenkontakt nicht mehr. Wenn das nichts nützt, weiss ich mir mittlerweile mit direkten Ansagen zu helfen. Ich kann mir aber vorstellen, dass Frauen, die nicht so oft in den Ausgang gehen, davon überrumpelt werden.

Selbstbewusstsein hilft also?
Auf jeden Fall. Und Routine. Ich wehre mich zwar dagegen, sexuelle Belästigung als normal oder gar Selbstverständlichkeit anzunehmen, doch bei jedem Angriff lernt man dazu und reagiert das nächste Mal der Situation entsprechend automatisch selbstbewusster.

Aber es ist eigentlich eine Zumutung, dass Frauen überhaupt lernen müssen, so etwas abzuwehren, nicht?
Es ist furchtbar! Nur ist das wohl die effektivste Variante, sich unhöfliche Männer vom Leib zu halten. Ich denke, diesen Typen möglichst wenig Aufmerksamkeit zu schenken und möglichst cool aber bestimmt zu kommunizieren, was man davon hält, ist eine gute Methode. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass diese Männer tatsächlich glauben, damit Erfolg bei einer Frau zu haben. Die wollen doch einfach ihre Aufmerksamkeit—sei es auch nur in Form von Empörung.

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Würdest du dir wünschen, dass Clubs sensibler mit Themen wie sexueller Belästigung umgehen? Zum Beispiel das Personal darauf schulen?
Ich persönlich melde Belästigungen immer wieder mal dem Türsteher. Dagegen unternommen wurde, soweit ich das gesehen habe, noch nie etwas. Eine Schulung für das Personal wäre also sicherlich ein guter Anfang.

Was war das Schlimmste, was du je erlebt hast?
Ich hatte einen Minirock mit Slip an und der Typ, der neben mir stand, steckte mir einen Finger in meine Vagina. Ich glaube, er war sogar mit seiner Freundin da, die circa fünf Meter neben ihm stand. Der hat dann eine Ohrfeige von mir kassiert. Heute würde ich sicherlich überlegter reagieren.

Das ist schon ziemlich krass.
Ja schon. Davon hat aber wohl jede Frau die eine oder andere Story—leider.

Nives, 26, Bloggerin und freie Journalistin

Nives ist meist an der Langstrasse anzutreffen.

Noisey: Musst du als Frau Angst haben, in Zürich auszugehen?
Nives: Ich finde nicht. Eher alleine nach Hause zu laufen, ist nicht immer ganz angenehm.

Wieso?
Wenn man alleine an betrunkenen Männergruppen vorbeigeht, kommt da schon mal der ein oder andere Spruch—oder Kussgeräusche. Manchmal laufen dir auch ein oder zwei von denen hinterher und versuchen dich vollzuquatschen. Richtig ätzend und unangenehm.

Hast du deswegen dein Verhalten geändert?
Ja. Je nach Situation wechsle ich die Strassenseite, wenn ich sehe, dass vor mir eine Männergruppe an der Strassenecke rumhängt. Oder ich nehme auch lieber mal ein Uber zu viel. Ich tu das nicht unbedingt aus Angst, dass die mir etwas antun könnten, sondern viel mehr, weil ich einfach keinen Bock auf Sprüche und unangenehme Situationen habe.

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Aber in den Clubs fühlst du dich grundsätzlich sicher?
In den Clubs fühle ich mich sicher, weil meistens viele Menschen um einem herum sind, die Übergriffe oder Bedrängnis sofort mitbeobachten—und gegebenenfalls einschreiten würden. Ausserdem sind Securitys meist auch nicht weit.

Trotzdem kommen Frauen im Club nicht um sexuelle Belästigung herum?
Nein. Ich würde zwar sagen, es ist besser geworden—und es kommt definitiv auf die Lokalität an. Aber einen Arschgrapscher kassiert man schnell mal.

Was war das schlimmste, was du je erlebt hast?
Einen Arschgrapscher, würde ich sagen. Es gab dann aber auch direkt eine Konfrontation von mir. Meist reagieren die Typen dann sehr irritiert, wenn man sie darauf anspricht, was das sollte. Ein plumpes "Ficken?" gefragt zu werden, finde ich aber auch sehr grenzwertig—und einfach unterste Schublade. Das finde ich genauso erniedrigend wie einen Arschgrapscher.

Wie oft bist du mit solchen Dingen konfrontiert?
Als ich mit 18 Jahren feiern ging, passierten solche Sachen öfter. Heute zum Glück nicht mehr oft, ausser den Sprüchen auf dem Nachhauseweg.

Kann man etwas dagegen tun?
Da bin ich überfragt. Ich denke nicht. Aber man sollte die Typen unbedingt darauf ansprechen, was das soll—in der Hoffnung, dass sie das danach nicht wieder machen.

Müssten oder könnten die Clubs was dagegen tun?
Auf jeden Fall sollten Securitys sofort einschreiten, wenn sie eine solche Situation beobachten und mindestens eine Verwarnung aussprechen. Das ist im Cluballtag natürlich eine Challenge, aber vielleicht ein Ansatz.

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Laura, 26, Journalistin

Laura geht am liebsten in die Clubs und Bars an der Langstrasse.

Noisey: Hast du Angst, wenn du in Zürich ausgehst?
Laura: Nein, wieso sollte ich?

Du hast also nie etwas Negatives erlebt?
Nein. Und wenn, dann war es meine eigene Schuld, weil ich zu viel getrunken habe.

Was meinst du mit deine eigene Schuld?
Wenn ich halt besoffen gestürzt bin oder so.

Achso. Aber mit Männern hast du nie negative Erfahrungen gemacht?
Nein, ich könnte mich daran nicht erinnern. Bestimmt gab es schon Situationen, in denen ich mich aufgeregt habe, weil einer dumme Sprüche gemacht hat oder zu nah gekommen ist. Aber da bin ich nicht so sensibel und kann mich wehren.

Denkst du, Zürcher Männer bringen noch einen gewissen Anstand mit, selbst zu später Stunde?
Ich denke, das kommt auch etwas auf den Club und das Klientel an. Grundsätzlich fühl ich mich in den Zürcher Clubs wohl.

Also würdest du sagen, dass das Zürcher Nachtleben grundsätzlich kein Sexismusproblem hat?
Wer behauptet denn, dass es ein Sexismusproblem in Zürich gibt? Ich habe noch nie schlechte Erfahrungen gemacht und kenne niemanden, der welche hatte.

Wayra, 30, Vintagemöbelverkäuferin

Noisey: Musst du Angst haben, wenn du in Zürich ausgehst?
Wayra: Generell: nein.

Wieso nicht?
Die Kriminalitätsrate bei uns in der Stadt ist relativ gering. Zudem ist mir persönlich nie etwas passiert und auch in meinem Freundeskreis gibt's nicht viel Schlimmes zu berichten. Sogar im Langstrassenquartier hab ich mich allein nie unwohl gefühlt. Angst habe ich definitiv keine.

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Mit sexueller Belästigung hattest du nie ein Problem?
Doch, das schon. Aber daraus entstand bisher keine Angst. Nicht dass es die Umstände dadurch besser machen würde.

Was hast du erlebt?
Nichts Gravierendes zum Glück. Das ist wohl eher trauriger Alltag überall. Betatschen im Clubgedränge, Betatschen an Konzerten, in Warteschlangen, generell in Clubs, abwertende Worte im Vorbeigehen am Bahnhof Altstetten, Exhibitionismus und so weiter. Wobei letzterer glücklicherweise abgenommen hat mit zunehmendem Alter. Die stehen wohl eher auf junge Mädchen, weil die nicht wissen, wie sie reagieren sollen und stärker verunsichert sind.

Ich nehme an, das verdirbt einem die Lust aufs Ausgehen?
Nein, verderben nicht. Manchmal hat es mich einfach dermassen genervt, dass ich schon beschlossen habe, nach Hause zu gehen. Ich war ein wenig angetrunken an dem Abend und meine Reaktion war nicht mehr die schnellste und dadurch war ich ein wenig wehrlos. Im Club funktioniert es aber meistens, wenn man sich vehement wehrt.

Kann etwas gegen sexuelle Belästigung im Ausgang getan werden?
Ja, vielleicht. Vielleicht könnte man ab und an eine Lautsprecherdurchsage machen. Ehrlich gesagt gehe ich nicht mehr so oft in Clubs und dort ist es mir am öftesten passiert. (lacht)

Ohne Ironie: Müssten zum Beispiel Securitas für sexuelle Belästigung sensibilisiert werden?
Das auf jeden Fall. Ich habe mich auch schon erfolglos an den Securitas gewendet. Der hat zwar reagiert—was schon mal nicht immer der Fall ist—aber aufgrund Aussage gegen Aussage durfte der Typ dann trotzdem drin bleiben. Ich bin dann freiwillig gegangen und das war, glaube ich, das einzige Mal, als ich richtig Angst hatte. Ich wusste nicht, ob dieser Typ, den ich im Übrigen nicht kannte, auch per Zufall grad draussen ist.

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Caroline, 23, Flight-Attendant

Caroline ist meist an der Langstrasse und im Hive unterwegs.

Noisey: Fühlst du dich als Frau im Ausgang in Zürich wohl?
Caroline: Sehr.

Hattest du jemals Probleme mit aufdringlichen Männern?
Ja, mit solchen, die ein "Nein" einfach nicht kapieren wollen.

Was tust du, wenn ein "Nein" nicht weiterhilft?
Meistens bin ich nicht alleine, dann helfen mir meine Freunde ihn abzuwimmeln—weil das oft auch Männer sind, ist es einfacher. Sonst laufe ich dann einfach weg.

Gehst du nie alleine aus?
Nein, bis jetzt noch nie. Dafür gibt es eigentlich keinen Grund. Ich bin einfach lieber mit Freunden unterwegs. Wenn ich aber unterwegs bin, lerne ich immer neue Leute kennen.

Was war das schlimmste, was du je erlebt hast?
Ich habe einem Typen im Ausgang mal meinen Facebook-Kontakt gegeben. Dann hat er meinen Freundinnen geschrieben und stand eine Woche später vor meinem Büro. Das war echt strange.

Würdest du sagen, dass das Zürcher Nachtleben ein Sexismusproblem hat?
Würde ich so schon sagen, ja. Im Kaufleuten beispielsweise wird man nach zwei Minuten bereits angemacht, wenn nicht sogar angegrapscht. Und in anderen Lokalen wie beispielsweise dem Hive kann man den Abend geniessen ohne gross belästigt zu werden. Ich meide daher die "Edelclubs".

Es kommt also einfach aufs Publikum an?
Genau.

Larissa, 29, Geografin

Larissa: "Ich geh viel in Bars, Pubs und wenn in Clubs dann vor allem ins Plaza, Mascotte, Hive und selten ins Supi.

Noisey: Fühlst du dich als Frau grundsätzlich wohl, wenn du in Zürich ausgehst?
Larissa: Ja, weil ich mit den richtigen Leuten ausgehe. Ausserdem ist es umso besser, wenn die Musik stimmt. Andere Leute sind mir in erster Linie nicht wichtig, ich bin aber sehr offen, neue Leute kennenzulernen.

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Hattest du jemals negative Erfahrungen mit sexueller Belästigung?
Ja, ich glaube, mit 16 Jahren hat mich mal jemand am Arsch betatscht aber sonst hatte ich keine schlechten Erfahrungen.

Wie hast du darauf reagiert?
Ich wusste gar nicht wirklich, wer es war und bin—glaube ich—weiter zu meinen Freunden.

Hat sich das Nachtleben oder du seitdem verändert, dass so etwas nicht mehr vorkommt?
Ich denke, ich verhalte mich im Nachtleben immer noch ziemlich ähnlich, ich bin nur älter geworden.

Hilft also alleine der Fact, älter zu sein und dadurch quasi weniger "hilflos" zu wirken?
Das Auftreten macht sehr viel aus. Frauen, die selbstsicher und vor allem nicht naiv sind, werden weniger belästigt und wenn es passiert, dann können sie sich wehren.

Junge Frauen, die zum ersten Mal ausgehen, haben aber keine Erfahrung. Wie könnte man denen helfen?
Auf jeden Fall hilft es, mit Leuten auszugehen, mit denen sie sich wohlfühlen und Spass haben können. Ich denke, je positiver man eingestellt ist und je mehr man den Abend geniesst, desto besser wird er auch verlaufen. Was bei jungen Frauen vielleicht auch sehr hilft, ist vor allem den Alkoholkonsum im Griff zu haben—seine Grenzen mit Alkohol zu kennen.

Heisst eigentlich auch, dass sich Frauen nicht so gehen lassen können, oder?
Nein, das würde ich nicht so sagen. Sich gehen lassen hat nichts damit zu tun, sich nicht unter Kontrolle zu haben.

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