"Ich war auf der Kifferschule" – Das erste Interview mit Edwin
Alle Fotos von Benji Agostini

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Interview

"Ich war auf der Kifferschule" – Das erste Interview mit Edwin

Mit seiner Mischung aus Trap-Beats und R'n'B-Gesang auf Wienerisch, bringt Edwin endlich wieder etwas Frisches in die österreichische Musikszene.

Als ich im Dezember letzten Jahres Gerard und Ilias Dahimène zum Launch ihres neuen Labels Futuresfuture interviewt habe, erwähnten sie ganz euphorisch einen Künstler, über den sie mir leider noch nichts Genaues sagen können. Nur, dass sein Name Edwin ist und man sehr viel von ihm erwarten kann. Natürlich müssen sie so von ihm reden, dachte ich mir, immerhin wird er voraussichtlich auf ihrem Label releasen, aber ich war gespannt.

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Drei Monate später taucht "Ocean" auf Edwins frisch erstellter Facebookseite auf. Ein minimalistischer Track, ohne fette Beats, dafür mit Autotune und Pfeifeinlage am Ende. Kein großer Hit oder etwas, das für viel Aufsehen sorgen wird. Bilderbuch haben das mit "Sweetlove" auch schon so gemacht und Wanda werden's mit "0043" ebenso handhaben. Nur mit dem Unterschied, dass Edwin noch keine Referenzen hatte. Ein mutiger Schritt.

Das hinterließ mich zwar etwas perplex, aber immer noch gespannt auf den ersten "echten" Song, sollte je so etwas erscheinen. Sollte es. "Kokosbusserl" kommt zwei Monate nach "Ocean" und zeigt den wahren Edwin. Eine Mischung aus R'n'B auf 808-Trapbeats und einer Prise Cloudrap-Attitüde, nur dass Edwin kein falscher Opernsänger ist und tatsächlich singen kann. Das alles auf Deutsch und mit ein paar Wiener-Dialektfetzen wie "Spompanadeln" ausgeschmückt. Ein fresher Track, der dem Labelnamen alle Ehre macht.

Mittlerweile konnte man Edwin – im echten Leben Sebastian Novak – schon ein paar Mal live sehen, als Support von Jugo Ürdens, am Frequency und am Donauinselfest zum Beispiel. Ich selber bekomme erst bei unserem zweiten Treffen einen Eindruck von seinen Live-Qualitäten. Weil ich vergessen hatte, bei unserem eigentlichen Interviewtermin im Kaffee Alt Wien Fotos zu machen, lud er mich in die Futuresfuture-Zentrale ein – witzigerweise die Wohnung von Wanja von den Schönbrunner Gloriettenstürmern. Jugo Ürdens hat auch vorbeigeschaut und die kolumbianische Mitbewohnerin von Wanja hatte Freundinnen da, die seit 11:00 Uhr morgens Party machten.

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Jugo und Edwin spielten dabei ein paar Songs von ihrem gemeinsamen Projekt vor, das voraussichtlich im späten Herbst erscheinen wird, und performten live darüber, während im Nebenzimmer "Macarena" lief und Tequila getrunken wurde. Ich muss glaub ich nicht erwähnen, dass das alles sehr absurd und extrem witzig war. Irgendwann haben wir uns der Party ergeben und Edwin performte "Kokusbusserl" für uns alle. Den Mädels gefiel es, obwohl sie wahrscheinlich kein Wort verstanden. Beweisfoto:

Gloriettenstürmer Wanja hatte auch seinen Spaß. Nicht im Bild: Low-Key-Jugo-Ürdens.

Nicht ganz so viel getanzt haben wir beim eigentlichen Interview im Alt Wien. Dort erlebte ich ihn als zugänglichen und ehrlichen Menschen, der mit Optimismus durch die Welt geht, obwohl er wegen eines Viruses schon zweimal an den Stimmbändern operiert wurde. Er erzählt dabei, dass er früher Deep House-DJ war, auf die "Kiffer-Schule" gegangen ist und aus mir unerfindlichen Gründen DVDs sammelt. Edwin wird am 26. August im Club U seine Du Weißt As Eh-EP vorstellen und so wie ich ihn bisher erlebt habe, wird das eine heiße Angelegenheit.

Noisey: Da das hier dein erstes Interview ist, darf ich dir auch ein paar Basicfragen stellen. Ich kann zum Beispiel gar nicht einschätzen, wie alt du bist.
Edwin: Was würdest du schätzen?

Ich würde dich sehr jung schätzen. 21 oder so.
OK. Ich bin 23. Das ist eh nicht so alt, aber 23 ist schon fast ein Vierteljahrhundert.

Also fühlst du dich schon alt?
Nein gar nicht. Aber je älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit. Es kommt einen zumindest so vor. Die Schulzeit ist mir so lange vorgekommen und jetzt sind auch schon fünf Jahre seit meiner Matura vergangen.

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Ich glaube, das kommt daher, weil einem Zeit im Alter wichtiger wird und dann kommt's einem so vor, als würd' sie dir davonlaufen. Und jetzt verschwend' ich sie mit zocken.
We've all been there.

Du bist auch Zocker?
So Shooter hab ich nie gespielt, aber ich hab immer mit meinem Bruder Fifa oder Prince of Persia gespielt. Hin und wieder zocke ich jetzt auch noch mit meinem Bruder, weil ich ja mit ihm zusammen wohne.

Macht er auch Musik?
Nein, er ist Grafikdesigner, aber er unterstützt mich und hat zum Beispiel die erste Grafik, die ich auf meine Facebookseite gestellt habe, gemacht.

Grafik von Lucas Novak

Bist du gebürtiger Wiener?
Geboren und aufgewachsen im 21. Bezirk, also eigentlich im 22. geboren, aber aufgewachsen im 21. Dann war ich in verschiedenen Schulen, unter anderem in der Franklinstraße 26, das ist ein ganz normales Gymnasium und dann hab ich in die Hegelgasse 12 in der Inneren Stadt gewechselt.

"Es gibt ja die Hegelgasse 14 und 12. Die 14er ist die Drogenschule und die 12er die Kifferschule. Ich war auf der Kifferschule."

Waren die Schulen recht unterschiedlich?
Die Franklinstraße ist ein ganz normales Gymnasium und in der vierten Klasse hab' ich dann in die Hegelgasse 12 gewechselt. Es gibt ja Hegelgasse 14 und 12. Die 14er ist die Drogenschule und die 12er die Kifferschule. Ich war auf der Kifferschule. Dort hatte ich den Schwerpunkt Polyästhetik, da ist von allem ein bisschen was dabei: Schauspiel, Tanz, etc.

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Dort hast du also deinen Sinn für Entertainment her?
Das hatte ich eigentlich immer schon. Ich bin immer schon gerne auf der Bühne gestanden und war auch der Klassenkasperl. Dass es in Richtung Musik gegangen ist, kam auch erst vor zwei Jahren auf. Ich hab mich anfangs auch nicht wirklich als Musiker gesehen. Auch weil ich dachte, als Musiker muss man ein Instrument irrsinnig gut beherrschen.

Also hast du nie ein Instrument gelernt?
Würd' ich auch nicht sagen. Ich war immer im Keyboardunterricht und später in der Schule im Klavierunterricht. Saxophon hab ich fünf Jahre lang privat gespielt. Da sind noch so Fetzen da. Das Saxophon hab ich auch immer noch, aber wirklich gut spielen kann ich es nicht.

"Die Rauigkeit in meiner Stimme hat übrigens auch einen Grund. Ich wurde zweimal an meinen Stimmbändern operiert."

Du lässt deine Beats ja hauptsächlich von anderen produzieren. Hast du's selber auch schon versucht?
Das kommt gerade erst, dass ich mich mit Ableton auseinandersetze. Bis jetzt hat das immer mein Produzent Joce gemacht. Der hatte schon viele Beats und davon hab ich mir ein paar gepickt und versucht, darauf zu schreiben. Er macht das schon jahrelang, hat aber noch nicht wirklich etwas veröffentlicht außer für Kulturerbe Achim und mich.

Hast du eigentlich eine Gesangsausbildung?
Nicht wirklich, nein. Das mach ich alles nach Gefühl. Aber ich weiß, dass ich die Töne treffe. Die Rauigkeit in meiner Stimme hat übrigens auch einen Grund. Ich wurde zweimal an meinen Stimmbändern operiert, wegen eines Papilloma-Viruses. Das ist wie ein gutartiger Tumor, wie ein Gewebe, das sich vermehrt. Damit infiziert man sich bei der Geburt mit HPV-Viren und nach meinem Stimmbruch ist das gekommen und mit 15 hatte ich eine Operation und mit 18. Bis jetzt ist es noch nicht nachgekommen, aber es kann theoretisch immer wieder kommen.

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Was sind deine weiteren Pläne? Kommen noch Singles oder schon ein Album?
Meine Du Weißt As Eh-EP kommt Ende August auf Spotify und YouTube raus. Videos sind schon in Planung, aber die sind etwas aufwendiger als gedacht.

Machst du die Videos selber?
Da gibt's eine Geschichte dazu. Zu "Kokosbusserl" hätte es eigentlich ein Video geben sollen und ich hätte das eigentlich mit meinem besten Freund gemacht, weil er sich mit Videos auskennt. Im Endeffekt war das dann leider nicht so professionell, wie ich mir das vorgestellt hab. Ich habe zwar das Projekt nicht gestartet, um Musiker zu werden, aber nachdem sich das mit dem Label alles so gut gefügt hat, wäre ich irgendwie blöd, wenn ich das nicht so richtig wahrnehme.

Du wolltest kein Musiker werden?
Ich habe wenig darüber nachgedacht, welchen Impact das haben kann, wenn ich Musik mache, weil ich immer schon Sachen gemacht hab, die aber nie veröffentlicht hab. Einfach Musik von mir, die ich dann auch irgendwann mal meinen Enkeln zeigen kann. Dann hab ich für den Jugo (Ürdens) den DJ gemacht, den kannte ich damals schon von Sprachsex. Dann hat er sein Solo-Projekt begonnen und da waren auch die Schönbrunner Gloriettenstürmer schon Vorband. Der Wanja von den Stürmern war da auch schon bei Futuresfuture und dann ist das alles so organisch entstanden, dass ich zum Label kam.

Du warst früher DJ?
Ja, gemeinsam mit einem Freund – Junge Römer haben wir geheißen. Das ist der selbe, mit dem ich das gescheiterte Video gemacht hab. Wir haben eher so Deep House aufgelegt. Wobei ich mehr der Showman war und er das technische Know-How mitgebracht hat. Ich kenn mich eh ein bisschen aus, aber das meiste hat er gemacht.

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Auch vom Gehabe her?
Die Selbstinszenierung kann man sich schon vielleicht als Vorbild nehmen, aber das muss halt zur Person passen. Ich würde schon sagen, dass ich ein Selbstdarsteller bin, aber nicht mit dieser Arroganz. Ansonsten – das ist jetzt vielleicht ein bisschen komisch – ist Michael Jackson noch ein Vorbild. Der hat pures Entertainment in sich gehabt. Einfach wie er sich bewegt und gesungen hat. Aber auch Bilderbuch, durch die ich gesehen habe, dass es möglich ist, österreichische Musik zu machen, die auch gut ankommt und leiwand ist.

Gibt's auch abseits von Musik etwas, das dich inspiriert?
Ganz banal gesagt, inspiriert mich das Leben. Wenn ich irgendwo einen geilen Satz lese oder ich irgendwelche Gedanken habe, dann schreib ich mir das am Handy auf. Und das nächste Mal, wenn ich mich irgendwo hinsetze und die Zeit nehme zum Arbeiten, dann probier ich, was man da draus machen kann.

Also gibt's nicht unbedingt etwas Konkretes, das dich beeinflusst?
Ich bin Cineast, würd ich behaupten. Ich hab eine DVD-Sammlung von so 500 Filmen. Bist herzlich eingeladen, kannst dir gerne mal anschauen. Ich schau halt gerne Filme und kauf sie auch gerne.

"Ich bin der einsame Kämpfer für die DVD."

Ich wusste nicht, dass Leute das wirklich noch kaufen.
Ich bin der einsame Kämpfer für die DVD.

OK schwierige Frage: Was ist dein Lieblingsfilm?
Das ist schwer, weil ich echt viele Filme kenn. Der, der mir jetzt spontan einfällt, ist zwar nicht wirklich mein Lieblingsfilm, aber der hat etwas leiwandes: Boyhood. Einfach die Idee, dass man den selben Cast über Jahre immer wieder zusammenbringt und eine Geschichte erzählt, die so noch nie da war, obwohl sie so einfach ist, hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.

Du hast in deinen Texten viele Ausdrücke im Dialekt und bist ja selber Wiener, willst du dieses Wiener-Image, wie man es schon von Bilderbuch oder Wanda kennt, forcieren?
Ich will es nicht bewusst machen, aber ich bin schon gern Wiener und auch stolz drauf. Ich liebe auch den Wiener Dialekt, der hat so etwas ganz eigenes. Falco hat Wienerisch, Deutsch und Englisch gekonnt gemischt.

Du redest ja jetzt nicht im ärgsten Wiener Dialekt.
Eben, also ich könnt schon so rumwienern jetzt. Aber ich glaube der Marco Wanda redet in Wirklichkeit auch so, wie er in den Liedern performt. Da kommen wir zum Thema Kunstfigur, bei dem ich mir noch nicht sicher bin, in welche Richtung das bei mir geht. Aber ich werde so Begrifflichkeiten, die einfach geil sind und einen schönen Klang haben, wie "Spompanadeln", immer wieder verwenden wollen.

Du kannst dich dann jedenfalls darauf einstellen, dass jeder Text über dich, von dem handelt, dass du Wiener bist und Falco magst.
Ich will auch nicht in Falcos Fußstapfen treten, ich will mein eigenes Ding machen. Generell finde ich es immer schwer, dass man die Inspirationen heraushört. Das ist ja auch etwas Normales. Manchmal passiert die eigene Stilfindung hinter geschlossenen Türen, manchmal, wenn man schon etwas draußen hat. Wenn man einfach macht und nicht zu viel drüber nachdenkt, wie man ankommt und wo man sich positioniert, dann ergibt sich das eh. Das ist mein Weg.

Bis jetzt hat es ja funktioniert, aber wo willst du hin?
Ich will in dieser riesigen Musikwelt meinen eigenen Stempel haben und eine eigene Kategorie gründen. Das wär das Ziel.

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