Die Kritik an Kollegah & Farid Bang nimmt massiv zu, nur Frei.Wild denken wieder nur an sich
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Die Kritik an Kollegah & Farid Bang nimmt massiv zu, nur Frei.Wild denken wieder nur an sich

Neben der Antilopen Gang, Retrogott, und den Echo-Veranstaltern selbst, melden sich auch die eingeschnappten Frei.Wild zu Wort.

Mittlerweile sind ein paar Tage seit der diesjährigen Echo-Verleihung vergangen. Schon im Vorfeld gab es Diskussionen wegen der lauten Antisemitismusvorwürfe gegen Kollegah und Farid Bang. Ein Ethik-Beirat sollte prüfen, ob die beiden Rapper wegen der berüchtigten "Auschwitz-Line" überhaupt nominiert werden sollten. Unter Berufung der Kunstfreiheit wurde das dann doch zugelassen. Bei der Verleihung kritisierte Campino das dann in seiner Dankesrede. Später revanchierte sich Kollegah dafür gehässig, als er und Farid ihren Preis für "HipHop / Urban national" abholten. Es gab also massig Redebedarf. Darunter waren auch ein paar deutliche Statements von anderen Rappern, Seltsames von Frei.Wild und Selbstkritisches vom Echo, was ihr wahrscheinlich alles verpasst habt. Also bitte schön:

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Frei.Wild fühlen sich mal wieder ungerecht behandelt

Frei.Wild hatten den breiten medialen Protest in den letzten Wochen anscheinend komplett verpennt. Die Südtiroler melden sich tatsächlich auch in dem Jahr zu Wort, in dem sie nicht mal beim Echo nominiert waren. Auf Facebook wunderten sie sich am Tag der Preisverleihung laut, warum wegen Kollegah und Farid Bang eigentlich kein Künstler den Preis boykottieren will: "Wo ist sie hin die versammelte Wut, die Kritik, die Distanzierung und Ankündigung fern zu bleiben?" In einem verlinkten Text der Südtirol News beschweren sie sich zudem, dass auch die Medien härter gegen sie vorgehen, als gegen "propagierten Antisemitismus und Israel-Hass, Christenfeindlichkeit und Gewaltverherrlichung, Frauendiskriminierung und Homophobie, Drogenkonsum und Todeskult".


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Vermutlich sind die Deutschrocker keine RTL-Zuschauer oder BILD-Leser, surfen nicht im Internet und haben auch sonst die letzten Wochen keine Zeitung aufgeschlagen, um einen der zahllosen kritischen Beiträge über die beiden Rapper mitzubekommen. Anders können wir uns ihre Empörung nicht erklären. Warum wie bei ihnen damals 2013 und 2014 keine nominierten Bands der Veranstaltung fern bleiben? Vielleicht, weil in der gleichen Kategorie nominierte Rapper wie 187 Strassenbande oder Kontra K jetzt nicht unbedingt für ihr politisches Engagement bekannt sind, wie die nicht anwesend gewesenen Kraftklub oder Jennifer Rostock und die fehlgeleitete Diskussion um eine einzelne Punchline sowieso nicht verstehen. Und dass die Toten Hosen den Echo boykottieren, ist auch in all den Frei.Wild-Jahren noch nicht vorgekommen. Dass Campino dieses Jahr dagegen eine Brandrede halten würde, konnten sie zugegebenermaßen zum Zeitpunkt ihres Posts nicht wissen. Genauso wenig konnten sie da noch nicht die zahlreichen Artikel erahnen, die nach der Auszeichnung des JBG-Duos erschienen sind, sogar in internationalen Medien wie Billboard oder dem Guardian. Aber es gibt ja immer noch die Editier-Funktion, oder?

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Die Antilopen Gang sagt, worum es eigentlich gehen sollte

Apropos fehlgeleitete Diskussion: Die Antilopen Gang kritisiert auf Facebook, dass es bei der Causa Antisemitismus und Kollegah eben nicht um die Auschwitz-Line von Farid Bang gehen sollte. Die Line sei eine "schreckliche, aber vernachlässigenswerte Zeile" und die Debatte sollte sich deswegen nicht um Kunstfreiheit, sondern um Kollegahs "Israelhass" drehen. "Man müsste über den Wahn einer zionistischen Weltverschwörung reden. Man müsste zur Kenntnis nehmen, dass Kollegah sich genau wie die Nazis von religiöser Judenfeindschaft distanziert und sich unter den eigenen Fans Schutzjuden sucht […] Man müsste sich mindestens mit dem Text seines verschwörungsideologischen Songs 'Apokalypse' befasse, denn der ist tatsächlich antisemitisch", zählen die Antilopen auf. In diesem Zuge loben sie auch gleich die WDR-Doku Die dunkle Seite des deutschen Rap, die sich mit Antisemitismus im Rap beschäftigt, in der sie auch zu Wort kommen. Sollten diese Faktoren nicht endlich Teil der Diskussion sein, würden sie sich auch nicht beteiligen wollen.

Retrogott möchte kein Teil eurer Kunstfreiheit sein

Retrogott wiederum geht trotzdem nochmal auf die viel zitierte "Auschwitz-Line" ein, die vom Ethik-Beirat des Echos als Kunstfreiheit durchgewunken wurde. Für ihn sei diese Zeile "Ausdruck von Verachtung, Verachtung des Leids, Verachtung der Erinnerung, Verachtung der Toten". Dies lasse in Verbindung mit Kollegahs "verschwörungstheoretischer Weltentwürfe" eben doch Antisemitismus vermuten. Er verurteilt daher, dass sich die HipHop-Szene sofort auf Seite von Kollegah und Farid Bang und gegen Campino stelle.

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Für ihn gelte die Rechtfertigung nicht, dass Battlerap doch alles dürfe. Es sei "moralisches Handeln", niemanden zu diskriminieren – auch in den Texten. Einerseits beharre man auf Kunstfreiheit, andererseits stelle man sich als Opfer dar, wenn dann mal jemand wie Campino Kritik übt. Sein Fazit zur diesjährigen Echoverleihung und der Debatte um das JBG-Duo: "Rap in Deutschland ist ein riesiger Markt und eine kleine Szene. Da ich mich als Mitglied dieser kleinen Szene betrachte, möchte ich mich von den neuen Kunstfreigeistern des Echo-Verleihs explizit distanzieren. Eure Kunstfreiheit ist nicht meine Kunstfreiheit."

Der Echo ärgert sich über den Echo

Am vergangenen Sonntag hat dann Dr. Florian Drücke, der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Musikindstrie ein Statement abgegeben. Der Verband lehne als Veranstalter des Echos "jede Art von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Gewaltverherrlichung" ab. Jetzt wolle man prüfen, ob man in Zukunft nicht nach anderen Kriterien nominieren und Preise vergeben sollte. Wir sind gespannt.

Worauf er nicht eingeht: dass der eigentliche Aufreger eigentlich nicht die logische Auszeichnung des JBG-Duos sein müsste – spätestens nach ihrer Platinauszeichnung war eigentlich klar, das sie gewinnen würden –, sondern dass sie zum Abschluss des Abends sogar einen Song performen durften. Einen Song, in dem sie direkt auf die breite Kritik eingehen konnten, völlig unabhängig davon, ob sie den Preis gewonnen hätten oder nicht. Den beiden nach all den Vorwürfen und den mahnenden Worten des Ethik-Beirats noch so eine Bühne zu bieten war ziemlich großzügig, lieber Echo.

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