Wir haben Beyoncés Auftritt in 'Austin Powers' nochmal angeschaut und uns fremdgeschämt

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Wir haben Beyoncés Auftritt in 'Austin Powers' nochmal angeschaut und uns fremdgeschämt

Wie oft Beyoncé wohl an die unzähligen Verdauungswitze von Fieser Fettsack denken muss und feierlich zu sich sagt: "Ich weiß nicht, warum ich das getan habe"?
Emma Garland
London, GB

Foto im Header: Imago

In unserer Gesellschaft herrscht der weitverbreitete Glauben, dass Beyoncé absolut makellos ist. Diese Vorstellung geht sogar so weit, dass manch einer sie für ein weiterentwickeltes humanoides Geschöpf aus der Zukunft hält, das zu Fehltritten oder Peinlichkeiten gar nicht fähig ist. Aus rein theoretischer Perspektive ergibt das auch durchaus Sinn. Abgesehen von dem einen Journalisten, der in der Huffington Post geschrieben hat, dass Bey sich ihren Grammy für das Album des Jahres erst noch "verdienen" muss, ist Lemonade für die meisten Menschen ein audio-visuelles Meisterwerk, dem höchstens ihr selbstbetiteltes Album von 2013 das Wasser reichen kann.

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Auf der Bühne ist sie unaufhaltsam wie eine Naturgewalt – eine gutartige wohlgemerkt. Ihre erste Schwangerschaft verkündete sie, indem sie sich bei den MTV Video Awards 2011 durch die 5.000 Tonartenwechsel von "Love On Top" trällerte und anschließend ihre paillettenbesetzte Jacke aufknöpfte und sich sinnlich ihren Babybauch streichelte. Beyoncé ist einfach unwirklich. Aber wir vergessen da etwas, liebe Leute. Etwas Furchtbares. Etwas Wichtiges. Nein, nicht ihre Rolle in der HipHop-Adaption von Bizets Carmen, die klingt wie eine Destiny's Child-Version von "Trapped In The Closet". Wir vergessen, dass sie 2002 in Austin Powers in Goldständer mitgespielt hat.

Der mit 5.8/10 auf Rotten Tomatoes noch sehr wohlwollend bewertete Streifen Austin Powers in Goldständer ist das klassische Beispiel für einen Witz, den man total überreizt hat. Die Filmreihe um den extravaganten Geheimagenten mit einer Vorliebe für Schlaghosen und Rüschenhemden, Frauen, deren Namen eine Variation von "Sex! Hihi!" sind, und einen atomwaffenliebenden Superschurken, ist eine dieser Sachen, die eigentlich nur in den Neunzigern großwerden konnten und am besten auch dort geblieben wären – genau wie JNCO-Raver-Hosen. Im Jahr 2002 wäre man jedenfalls besser damit beraten gewesen, Austin Powers so zu behandeln, wie man Robin Thicke heute behandelt – voller Fremdscham oder mit eisernem Schweigen. Trotzdem kam es zu dem Film, denn Mike Myers weiß einfach nicht, wie und wann man aufhört – siehe auch Für immer Shrek. Als Resultat ist ein Teil von Beyoncé jetzt (wie bereits Elizabeth Hurley und Heather Graham vor ihr) für immer in über 90 Minuten voller Furz- und latent rassistischer Verkleidungswitze gefangen. Wie oft Beyoncé wohl an die unzähligen Verdauungswitze von Fieser Fettsack denken muss und feierlich zu sich sagt: "Ich weiß nicht, warum ich das getan habe"?

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Fairerweise sollte man hier allerdings erwähnen, dass es um die Reputation der frischgebackenen Solokünstlerin Beyoncé kurz nach der Jahrtausendwende nicht gerade gut stand. Ja, "Crazy In Love". Klar, "Baby Boy" mit Sean Paul. Allerdings: Carmen, Goldständer und eine Musik-Rom-Com namens The Fighting Temptations mit Cuba Gooding Jr. als chronischen Lügner. Diese Dinge sind auch alle geschehen und können nicht wieder rückgängig gemacht werden. Werfen wir also einen genaueren Blick auf die Queen des Beyhives, Beyoncé Giselle Knowles, inmitten ihrer … sagen wir "Findungsphase".

Einen ersten Vorgeschmack auf Beyoncé gibt es in den Opening-Credits. Auch wenn ich darauf gefasst war, dass sie in dem Film auftauchen würde – deswegen schaute ich ihn mir ja überhaupt erst an – war ich schockiert, ihren Namen zwischen dem von Mike Myers und Seth Green zu sehen. Vor ein paar Tagen erst hatte Beyoncé die Grammys rasiert, auf einem Stuhl der Schwerkraft getrotzt, gesanglich alles aus "Love Drought" rausgeholt und eine hochschwangere Oshun verkörpert. Das darf doch einfach nicht wahr sein.

Abgesehen von den Kostümen, den Pointen und der ganzen Story würde ich sagen, dass das Hauptvergehen von Goldständer die ewig lange Eröffnungssequenz ist, die sieben Minuten und sechsundzwanzig Sekunden dauert. SIEBEN MINUTEN. UND DANN NOCH VERDAMMTE SECHSUNDZWANZIG SEKUNDEN. OK, bleiben wir fair. Darin gibt es eine kleine Unterbrechung, in der Britney Spears kurz auftaucht, um sich ein erotisches Tanzbattle mit Austin Powers zu liefern. Wie sich herausstellt, ist sie ein Roboter mit Maschinengewehrbrüsten, dessen Kopf bei Austins Hüftschwung explodiert. Weil, warum nicht? Na ja, weiter geht's.

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Die folgenden 20 Minuten wird erklärt, wer Goldständer ist (ein verrückter Holländer, der seine eigene Haut isst), Witze über Gesichtswarzen gerissen ("Warze" –  Austin Powers, 2002) und es gibt ein ellenlanges Hin und Her mit Seth Green, das etwa vier tatsächliche Wörter enthalten dürfte. Ach, und dann ist da noch die semigelungene Britpop-Persiflage "Daddy Wasn't There". Überspringen wir das also alles und kommen direkt zu der Szene, in der Beyoncé ihren ersten Auftritt hat.

Es ist das Jahr 1975 und Beyoncé trägt, wie du unschwer erkennen kannst, eine Plastikperücke. Sie spielt die Spezialagentin "Foxxy Cleopatra", die undercover als Sängerin arbeitet. Sie hatte – wie alle anderen weiblichen Hauptrollen in der Austin Powers-Reihe – früher ein Verhältnis mit dem Agenten gehabt und war von ihm sitzengelassen worden. Ihr erster gesprochener Satz lautet: "Guten Abend, liebe Freunde, und willkommen im Studio 69!" (Verstehst du? Wie Studio 54, nur mehr shagadelic, Baby…). Müsste ich Trumps aktuelles Amerika mit einer Popkulturreferenz erklären, wäre es Beyoncés Performance von "Goldmember", während Mike Myers dazu als Goldständer in goldenen Schnürshorts durch die Disco rollt und einer Frau nach der anderen einen Klaps auf den Hintern gibt.

Und das ist nur der Anfang. Halt dich besser fest, jetzt geh es weiter:

"Sieh an, ist das nicht Austin Powers? Ganz schön gewagt, deinen schneeweißen Arsch hier rein zu schleifen."

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Na gut, daran dürfen sich gerne die Blaxploitation-Experten abarbeiten, mir geht es vor allem um das, was danach kommt:

"Ich weiß nur, Mama hat nur ein wenig Honig geleckt, aber sie wollte den ganzen Bienenstock", worauf Austin Powers antwortet: "Oh, bienimmt euch!"

"Bienenstock"? "Bienimmt euch"?! Das wird doch nicht etwa … OK, schauen wir uns die Szene noch einmal im Original an:

"All I know is, Mama only got a taste of the honey, but she wanted the whole beehive", und, "Oh, beehive!"

Oh, Beehive!

Das kann doch nicht … der Ursprung des Beyhives sein, oder? Ist das eine bewusste Referenz? Nur Zufall? Egal, ich bin überzeugt: Der Beyhive hat seinen Namen aus Goldständer. Wir könnten jetzt den restlichen Film Szene für Szene durchgehen, aber, wie ich eben schon meinte, gibt es kaum Handlung. Konzentrieren wir uns stattdessen lieber auf ein paar besonders verstörende Szenen:

Alle folgenden Fotos sind Screenshots von 'Austin Powers in Goldständer'

Hier ist Beyoncé in ihrer ersten Pokémon Evolution Stufe der Sonnengöttin, die sie später bei den Grammys sein wird. Sie hat gerade die Nägel eines Mannes gefeilt, der seinen Schwanz bei einem Unfall am Schmelzofen verloren haben soll. Traurig.

Hier ist Beyoncé, kurz nachdem sie "Das war's, du goldener Fischkopf" sagt und kurz bevor sie einen Holzschuh gegen den Kopf bekommt.

Und das hier ist Beyoncé, die nicht weiß, was eine Zeitmaschine ist, denn sie ist von 1975 und nicht … 2002 – wo jedes Kind Zeitmaschinen kennt.

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Hier wird Beyoncé das Internet mithilfe eines Videos erklärt, in dem sich ein Affe den Finger in den Hintern steckt.

Hier werden ein paar Witze über die japanische Kultur gemacht.

Hier vergeht sich Mini-Me an Beyoncés Bein.

Würg.

Insgesamt gibt es in dem Film einen Haufen verstörender Szenen. Beyoncé – reserviert, würdevoll und überlebensgroß – wird auf einen "Shazam!"-rufenden entblößten Bauchnabel reduziert, während ein Mann mit dem Namen "Fieser Fettsack" auf dem Klo singt.

Das gleiche gilt für Ozzy, der ebenfalls in dem Film auftaucht und etwas Metakritik über aufgewärmte Witze zum Besten geben darf.

Ehrlich: Beyoncé musste noch nicht genug für ihre Rolle in Austin Powers in Goldständer einstecken. Das ist, als wäre Rihanna in Jay und Silent Bob schlagen zurück aufgetreten, als hätte Princess Anne in Eurotrip mitgespielt. Es hätte gut möglich das Ende ihrer Karriere darstellen können. Sie hätte als Nebendarstellerin in mittelprächtigen Streifen enden können – Filmen, von denen dir nicht mehr bleibt als das Bewusstsein für verlorene wertvolle Minuten deines Lebens, die du nie wieder zurückbekommst. Sie hätte als Rob Schneider der Musical-Komödie enden können. Aber sie wurde nicht der Rob Schneider der Musical-Komödie. Sie wurde BEYONCÉ, verdammt noch mal. Am Ende dieser Reise können wir nicht anders, als unsere Gläser auf die schier endlosen Möglichkeiten des Lebens zu heben. Praise Bee.

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