"Wir geben mehr Geld für Sicherheit als für Bühne und Technik aus" – Wie österreichische Festivals mit Terror umgehen

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"Wir geben mehr Geld für Sicherheit als für Bühne und Technik aus" – Wie österreichische Festivals mit Terror umgehen

Wir haben uns bei den größten österreichischen Festivals umgehört, wie sie auf die Ereignisse der letzten Wochen reagieren.

Das Nova Rock und das Rock in Vienna haben in den letzten Tagen den österreichischen Festivalsommer losgetreten. Ein paar hunderttausend, oder im Falle des Donauinselfestes sogar Millionen, Leute werden heuer wieder leicht oder stark betrunken ihren Urlaub vor Bühnen und in zu kleinen Zelten verbringen. Auch wenn viel weniger geboten wird als im Vorjahr – was auch daran liegt, dass Arcadia nur zwei statt sieben Festivals im Angebot hat –, gibt es noch genug Möglichkeiten, einen abwechslungsreichen Sommer zu haben, ohne Österreich verlassen zu müssen. Aus welchem Grund man auch immer hier bleiben will.

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Neben der kleineren Auswahl an Festivals gibt es aber auch einen anderen Grund, warum der Sommer nicht ganz so unbekümmert wieder viel zu schnell vorbei sein wird. Denn die Ereignisse der letzten Wochen in Manchester, am Nürburgring und in Turin können schon dazu führen, es sich zweimal zu überlegen, auf Festivals mit riesigen Menschenmassen zu gehen. Natürlich sollte man sich so etwas Schönes wie Musik nicht nehmen lassen, im Hinterkopf denkt man aber trotzdem noch ans Überleben. Viel mehr Gedanken müssen sich die Veranstalter dieser Festivals machen. Sollte etwas passieren, würden auch die Veranstalter einen Teil der Verantwortung tragen.

Ich habe meinen diesjährigen Festivalsommer mit dem Lighthouse in Kroatien und dem Primavera in Barcelona begonnen. Beide hatten gleichermaßen laxe Sicherheitskontrollen, mit dem Unterschied, dass das eine ein 3.500er-Festival am Meer und das andere ein 200.000er-Koloss in einer Weltstadt ist. Am Primavera war es – neben oberflächlichen Taschenkontrollen und fehlenden Körperkontrollen – nicht einfach, Securitys am Gelände zu finden.

Ein Mädchen, dem ich geraten habe, zu einem Security zu gehen, als diese von einem Typen mit Zombieblick verfolgt wurde, konnte keine Ansprechperson finden, obwohl wir uns ganz vorne bei der Hauptbühne befanden. Sie sprach daraufhin einen der Bierverkäufer an, von denen in unserer Umgebung mehr als genug unterwegs waren. Die Relationen passten irgendwie nicht.

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Auch wenn ich es nicht wirklich wollte, machte ich mir Gedanken. Immerhin war der Anschlag auf das Ariana Grande-Konzert erst eine Woche her. Und mit dem Vorfall am Rock Am Ring, der übrigens einem Schreibfehler geschuldet war, rückte die Terror-Paranoia bis zu unseren Nachbarn vor. Auch der schon wieder fast vergessene Ansbach-Anschlag und das Bataclan kamen mir wieder in Erinnerung.

Foto von Christopher Glanzl

Ob wir von unbegründeten Panikausbrüchen, von Schreibfehlern ausgelösten Räumungen oder tatsächlichen Anschlägen sprechen, denken wir 2017 anders über Festivals als in den Jahren davor. Dementsprechend groß ist der Druck auf die Veranstalter. Hannes Hagen, der unter anderem das Szene OpenAir in Vorarlberg veranstaltet, hat deswegen die Zusammenarbeit mit den Behörden noch mehr intensiviert. Konkrete Änderungen gibt es auf dem 20.000 Besucher großen Festival aber keine. "Der Besucher soll nach Möglichkeit nichts [von den Sicherheitsvorkehrungen, Anm.] merken. Schon bisher waren Taschenkontrollen genau. Einen Flughafenscan wird es allerdings nicht geben", sagt Hagen.

Werner Stockinger, Veranstalter des Rock in Vienna, ist ebenfalls sehr eng mit den Ämtern in Kontakt. Über 30 Parteien der Magistrate und Behörden seien bei Gesprächen rund ums Festival beteiligt. Dabei bedenken sie alle möglichen Szenarien: "Egal, ob ihr ins Stadion oder zum Campen ins Burgenland oder zu uns auf die Insel kommt, viele Menschen haben sich überlegt, warum ihr solange Wege laufen müsst (entzerren des Besucherstromes), was passiert wenn ein Sturm aufkommt, ein Flugzeug am Gelände abstürzt (kein Scherz) oder sonst etwas passiert."

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Solche Vorbereitungen lässt sich Stockinger auch etwas kosten. "Wir geben mehr Geld für Sicherheit aus als für Bühne und Technik", sagt er auf die Frage, ob die Ausgaben für Sicherheit gestiegen seien. Details gibt er keine bekannt. Verständlich, will man den potenziellen Tätern keinen Vorsprung geben.

"Eine unbegründete Massenpanik kann gefährlicher sein als vieles andere. Seid keine Lemminge!"

Beim Donauinselfest sprechen wir mit einer Million Besucher pro Tag von einer anderen Dimension des Veranstaltens und damit auch dementsprechenden Sicherheitsanforderungen. Thomas Waldner, Leiter des DIF, erklärt, dass sie sich bei ihrem Sicherheitskonzept auf Unterstützung der Polizei, der Behörden und von Experten verlassen: "Wir beschäftigen uns bereits seit langem mit dem Thema Sicherheit am Donauinselfest. Nicht umsonst zählt es zu einem der sichersten und friedlichsten Veranstaltungen seiner Art. Schon im Jahr 2010 haben wir in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten und Behörden ein völlig neues Sicherheitskonzept erstellt, alles wurde völlig umgekrempelt." Was sie dieses Jahr ändern werden, konnte Waldner jedoch nicht bekannt geben.

Bei Arcadia Live, die unter anderem das Nu Forms und Out Of The Woods in Wiesen veranstalten, will man die sichtbaren und unsichtbaren Maßnahmen auch zum Großteil nicht bekanntgeben, aber auf längere Wartezeiten vorbereiten: "Zwei der Maßnahmen, die wir nennen können sind verstärkte Body Checks sowie intensive Taschen- und Rucksackkontrollen an allen Einlassbereichen – wir bitten unsere Besucher deshalb schon vorab um ihr Verständnis für etwaig auftretende Verzögerungen bzw. längere Wartezeiten beim Einlass."

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Alle Veranstalter sind sich natürlich der Lage bewusst – obwohl Österreich noch keinen Anschlag miterleben musste. Allerdings wirken die bisherigen Terrorziele so willkürlich, dass man den Ernstfall nicht völlig ausschließen kann. Die Veranstalter finden aber auch beruhigende Worte und niemand will irgendwelche Ängste heraufbeschwören.


Wir haben uns auch schon aufs Electric Love getraut:


Werner Stockinger vom Rock in Vienna erinnert daran, dass Konzertlocations immer schon auf solche Gefahren bedacht waren und Österreich eines der sichersten Länder in dieser Hinsicht ist: "Weder in Manchester noch in Ansbach haben es die Attentäter ins Konzertareal geschafft, sondern haben ihren Schaden im öffentlichen Raum angerichtet. Das Konzert selbst war hier immer ein sicherer Ort. Gefährlicher als eine Terrorbedrohung ist das Wegwerfen des Hausverstandes und der damit einhergehenden Panik vor einer virtuellen Bedrohung. Eine unbegründete Massenpanik kann gefährlicher sein, als vieles andere. Seid keine Lemminge!"

Falls ihr also auf einem Festival seid und euch denkt, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um in Panik auszubrechen, hört auf damit und begebt euch ruhig in eine sichere Umgebung. Und falls ihr vor habt, aufs Donauinselfest zu gehen, solltet ihr euch an die folgenden Punkte halten, die von Thomas Waldner kommen:

  • Wir bitten dich, auf die Mitnahme von Rucksäcken, großen Taschen und Behältnissen sowie Gegenständen, die nicht dringend benötigt werden, zu verzichten. Am besten trägst du persönliche Gegenstände direkt am Körper. Damit schützt du dich vor Diebstahl und vermeidest langwierige Kontrollen.
  • Spring aufgrund der starken Strömung keinesfalls in die Donau und unterlasse gefährliche Sprünge in die Neue Donau. Gehe keinesfalls alkoholisiert schwimmen! Meide Uferregionen, wenn du nicht schwimmen kannst.
  • Achte auf ausreichenden Sonnenschutz.
  • Trink bei Hitze oder größerer Anstrengung ausreichend alkoholfreie Getränke

Am wichtigsten ist allerdings, dass ihr euch nicht den Spaß an Festivals und anderen Musikveranstaltungen nehmen lässt. Sie sind eine der wenigen Orte, an denen wir so ausgelassen feiern können und dabei im besten Fall gute Musik zu hören bekommen. Es hat etwas Verbindendes und jeder und jede Einzelne, der/die sich davon abbringen lässt, weil sie Angst hat, ist ein Verlust für uns alle. Haltet euch am besten an die Worte von Hannes Hagen vom Szene OpenAir: "Feiert bitte noch härter wie bisher!"

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