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Wir haben die Organisation getestet, die an der Street Parade deine Drogen testet

2015 waren über drei Viertel aller getesteten Kokainproben mit mindestens einer gesundheitsbedenklichen Substanz gestreckt.
Foto zur Verfügung gestellt vom DIZ

Pillen, Pulver, Kristalle und Filze: Partygänger, die sich unter dem Einfluss von illegalen psychoaktiven Substanzen zu fetten Elektrobässen in Trance tanzen, gehören seit jeher als zentrales Element zur Technokultur. Dieses Wochenende findet am Zürcher Seebecken die grösste Technoveranstaltung der Welt statt—rund eine Million Besucher werden an der Street Parade erwartet. Auch wenn gemäss Christian Kobel, Leiter des Drogeninformationszentrums Zürich (DIZ), die meisten Besucher keine harten Drogen konsumieren, so lassen sich nach der Street Parade in den Abwässern der Stadt trotzdem jedes Jahr überdurchschnittlich viele Drogenspuren finden.

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Bei verantwortungsvoller Verwendung bescheren Partydrogen ihren Konsumenten im Normalfall einfach nur eine gute Zeit. Im schlimmsten Fall aber können exzessives Konsumverhalten, Streckmittel, falsch deklarierte Substanzen und überdosierte Pillen die Party verderben. Letztes Jahr mussten an der Street Parade 366 Personen aufgrund übermässigen Alkohol- und/oder Drogenkonsums vom Rettungsdienst betreut werden. Das ist zwar weniger als ein halbes Promille aller Besucher, aber immer noch eine ziemlich grosse Menge von Menschen, die zeitgleich abkacken.

Um diesem deliranten Trauerspiel entgegenzuwirken, bietet das DIZ während der Street Parade tagsüber an seinem Infostand am Bürkliplatz sowie abends an der Lethargy-Afterparty in der Roten Fabrik Drug Checking an. “Die Verunreinigung durch Streckmittel hat bei den von uns getesteten Proben während der letzten zehn Jahre stark zugenommen“, stellt Christian Kobel besorgt fest, “was insbesondere bei unerfahrenen Konsumenten zu unvorhersehbaren Nebenwirkungen führen kann.“ Deswegen bietet die Fachstelle, die dem städtischen Sozialdepartement von Stadtrat Raphael Golta (SP) angehört, den Drogenkonsumenten neben einer umfangreichen Beratung auch eine chemische Analyse der Substanzen an. Kostenlos, umgehend und anonym. Denn gerade an Grossanlässen wie der Street Parade sind kleinkriminelle Schlaumeier, die ahnungslosen Partytouristen den hinterletzten Dreck als 1A-Ware anbieten, leider sehr verbreitet.

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So hat die Streckmittelauswertung von der Street Parade 2015 durch das DIZ unter anderem ergeben, dass 78.4 Prozent aller Kokainproben durch mindestens eine weitere psychoaktive Substanz mit gesundheitsbedenklichen Nebenwirkungen gestreckt wurden. “Einige Proben wiesen sogar weniger als ein Prozent Kokain auf“, so Kobel über die zunehmende Verunreinigung der Zürcher Drogen. Das DIZ veröffentlicht deswegen regelmässig Warnungen von zum Test abgegebenen Proben, welche überdosiert, gestreckt oder falsch deklariert wurden. Wenn ihr an der Parade Drogen kauft, gleicht sie zuvor doch bitte kurz mit den auf den folgenden zwei Fotos abgebildeten Substanzen ab.

Screenshot der aktuellen Warnungen von saferparty.ch

Von den orange gekennzeichneten Pillen schmeisst man sich—wenn man unbedingt etwas schmeissen muss—besser nur die Hälfte rein, von den roten vielleicht erst mal nur einen Viertel. Von einer Einnahme des Filzes ist generell abzuraten, er enthält kein LSD, sondern eine Substanz mit dem ominösen Namen 25C-NBOMe*HCl, die im Zusammenhang mit einigen Todesfällen in Europa steht. Wenn eure Substanzen auf dieser Liste nicht aufgelistet sind, so handelt es sich dabei um keine Unbedenklichkeitserklärung seitens des DIZ, sondern bedeutet lediglich, dass sie bisher niemand hat testen lassen.

In einer Stadt, in der vom Top-Manager bis hin zum Strassenjunkie praktisch alle Gesellschaftsschichten Drogen konsumieren und diese immer verunreinigter werden, scheint Drug Checking ein äusserst sinnvolles öffentliches Angebot zu sein. Doch bürgerliche Politiker wie Toni Bortoluzzi (SVP) werfen der Einrichtung vor, illegales Verhalten zu fördern, was für einen Staatsbetrieb “absurd“ sei. “Wir fördern nicht das illegale Verhalten, wir begrenzen dessen Schaden“, entgegnet Kobel dem Vorwurf des Alt-Nationalrats. Zudem sei es vor der Einführung des Drug Checking 2001 praktisch unmöglich gewesen, systematisch Informationen zum Konsumverhalten zu sammeln und so Problemfälle frühzeitig in therapeutische Angebote weiterzuleiten.

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Screenshot der aktuellen Warnungen von saferparty.ch

Nach den tragischen Jahren am Platzspitz hat die Stadt erkannt, dass man mit Repression alleine in der Drogenpolitik nicht besonders weit kommt und zusätzlich die drei Säulen Therapie, Prävention und Schadensbegrenzung eingeführt, wozu auch das DIZ gehört. International nimmt die Schweiz damit eine Vorreiterrolle ein, in Ländern wie Deutschland oder England bietet der Staat kein Drug Checking an. Denn beim Drug Checking besteht immer auch die Gefahr der sogenannten Freerider-Problematik, wenn Dealer ihre Drogen auf Kosten des Steuerzahlers testen lassen, den Gewinn aus dem Drogenhandel aber steuerfrei in die eigene Tasche stecken. Kobel hält der Kritik entgegen, dass sein Personal geschult sei, Dealer auszumachen, um diese vom Angebot auszuschliessen. Für einen Dealer dürfte es allerdings nicht sonderlich schwer sein, sich als normalen Konsumenten auszugeben. Er braucht dafür beim Beratungsgespräch lediglich nicht zu erwähnen, dass er seinen Stoff in grossen Mengen und zu tiefen Preisen bezieht.

Um mehr über das Drug Checking, das auch an der Street Parade angeboten wird, zu erfahren, habe ich für einen Freund eine MDMA-Probe im DIZ testen lassen, wo man jede Woche jeweils Dienstag- und Freitagabends, seine Probe abgeben kann. Als ich den Raum in einem Altbau direkt hinter dem Zürcher Hauptbahnhof betrete, sind fünf junge Männer, darunter zwei Lehrlinge, bereits in eine angeregte Diskussion verstrickt. Man tauscht sich über gute und schlechte Erfahrungen aus, die man mit diesen und jenen Substanzen gemacht hat. Ein älterer Typ im Anzug sitzt daneben und liest die NZZ. Eine Frau betritt den Raum. Was sie testen wolle, fragt einer aus der Runde. Ein neues Empathogen, eine Designer-Droge, welche nicht so künstlich wie MDMA wirken soll, so die junge Frau. Sie scheint sich mit Chemie ziemlich gut auszukennen und erzählt etwas über die molekulare Zusammensetzung von Aminosäure-Derivaten. Staunendes Nicken in der Männerrunde.

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Foto vom mobilen Drug Checking an der Street Parade | Zur Verfügung gestellt vom DIZ

Eine sympathische junge Frau mit Nasenring-Piercing betritt den Raum und fragt mit einer sanften Stimme: “Nummer 17?“ Das bin ich. Neugierig betrete ich ihr Büro und erkenne meinen Lieblings-Dali mit den dürren Elefantenbeinen vor rotem Hintergrund. Wir sprechen über die Probe, wann ich sie wo für wieviel gekauft hätte. Ich habe vergessen, das meinen Freund zu fragen, also improvisiere ich: “Letzte Woche, per Heimlieferung, für 80 Franken das Gramm.“ Da ich das erste Mal da bin, muss ich einen langen Fragenkatalog zu meinem Konsumverhalten beantworten. Ihre einfühlsame Art bringt mich dazu, die Wahrheit zu sagen.

Sie will wissen, in welchem Alter ich welche Drogen in welcher Regelmässigkeit konsumiert hatte. Erinnerungen an meine wilderen Zeiten werden wach. Sie hakt nach, ob sich mein Drogenkonsum negativ auf meine Ambitionen, meine Freundschaften und mein Sexualleben ausgewirkt hätten und wo ich denn an Ayahuasca herangekommen sei. “Ach so, in Indien”, wiederholt sie meine Antwort fast schon etwas enttäuscht. Zuletzt muss ich noch ein Passwort für das Testresultat festlegen, welches ich drei Tage später telefonisch abrufen darf: “Street Parade.“ Ich verabschiede mich von ihr und dann nochmals von der Gruppe. Dem Typen, der nach Bali auswandern will, wünsche ich eine gute Reise. Er drückt mir einen LSD-Trip in die Hand und wünscht mir dasselbe. Es sei erstklassig, versichert er mir mit gewissenhafter Zuversicht—er habe es letzte Woche schliesslich testen lassen.

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