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Wien und seine Plattenläden: Totem Records

In unserer Serie stellen wir euch die besten Läden der Stadt mitsamt den Menschen dahinter vor. Heute: Totem Records im 7. Bezirk.

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Es braucht in Wahrheit keinen Anlass, um immer wieder einmal über Wiens Plattenläden zu schreiben. Keinen Welttag der Schallplatte (12. August), keinen Record Store Day (18. April), kein großartiges Jubiläum. Platten kann man jeden Tag feiern, Musik sowieso. Deshalb stellen wir euch die besten Läden der Stadt vor. Bisher in der Reihe: Rave Up Records, Substance und Recordbag. Dieses Mal: Totem Records in der Zollergasse 18-20.

„Metal war immer mein Hauptstandbein,“ sagt Alex Wank, Besitzer von Totem Records im siebenten Bezirk. Das kleine Geschäft ist voll mit Metal-Releases, man sieht die traditionellen Totenköpfe, aber auch Bücher über Philosophie, Okkultismus und Filme. Auch die Musikauswahl geht weit über den allgegenwärtigen Metal hinaus: 70er Rock, Soundtracks, Ambient, Industrial und ein bisschen Elektronik. „Ich hatte früher sehr viel Elektronik und Industrial; ging auch sehr gut, aber die Musikrichtung ist vorbei, zumindest gibt’s bei uns kein Interesse mehr.“ meint Alex. Über dem Tresen hängt ein verkehrtes Kreuz zwischen zwei Ziegenköpfen und im Hintergrund läuft Rock. In Wiens einzigem Metal-Plattenladen—köpft mich, wenn ich mich irre—wird mir wieder bewusst, dass jeder viel mehr Zeit in Musikgeschäften verbringen sollte.

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Er hat Totem Records 1998 eröffnet, nachdem der Plattenladen in dem er gearbeitet hatte, zumachen musste. Es ist ihm schon davor in den Sinn gekommen ein Musikgeschäft aufzumachen, aber er war selbst musikalisch aktiv—als Schlagzeuger der Death-Metal Band Pungent Stench—und der Plattenladen war sehr etabliert, „da hätte man sich Konkurrenz gemacht.“ Ende der Neunziger einen Plattenladen aufzumachen war schwierig: Durch die Popularität der CD war damals kaum einen Markt für Vinyl vorhanden, „aber zum Glück gab's für Metal immer ein Publikum, auch zu den schlechten Zeiten.“ Metal hat gut funktioniert und der auch Laden lief von Anfang an gut. Die Szene war zu dieser Zeit sehr stark, stärker als jetzt und auf meine Frage, ob das Internet der Szene nicht auch geholfen hätte sagt er nur: „Anfang der 90er war es noch besser, da hat's nicht einmal Fax gegeben. Scheiß aufs Internet, wenn einen was interessiert, dann kriegt er es mit.“ Die Metalszene hat in den 80er und 90er Jahren vom Tape-Trading und fotokopierten Fanzines gelebt. Man hat Briefe und kopierte Demo-Tapes verschickt und im Gegenzug andere Demotapes erhalten. 1984 hat er so die ersten Demos von Death oder Morbid Angel erhalten, zu einer Zeit, als Death-Metal gerade in der Entstehungphase war.

Der Vinylverkauf ist 2014 um 60%, auf 4 Millionen Euro, gestiegen. Klingt gut, ist aber verschwindend gegenüber den CD-Verkäufen—ja, die gibt's noch—die noch immer fast die Hälfte der 145,5 Millionen Euro Umsatz im letzten Jahr ausgemacht haben. Nichtsdestotrotz sind durch die wiedererwachte Liebe zu Vinyl die kleinen Läden gerettet worden. Auch wenn es gerade für die nicht leicht ist. Er sagt: „Es ist mühselig als kleiner Laden, weil du nicht wie große Ketten Kommisionsware bekommst. Das heißt du musst das Zeug einkaufen. Die Arbeitsweise ist komplett anders als bei Müller oder Saturn. Bei diesen Läden stellt irgendein Vertrieb die Ware hinein, und wenns nicht verkauft wird, geht’s zurück. Kein Risiko. Alle anderen Läden müssen das Zeug einkaufen. Sie zahlen nach 30 Tagen die Rechnung und wenn sie zuviel eingekauft haben, dann bleibt es stehen. Ich muss zum Glück nicht mehr nur von dem Leben, sonst wär das schwierig; sich bei jedem einzelnen Einkauf zu überlegen, ob man ihn auch verkaufen wird. Selbst wenn ich Gewinn mache, kann ich diesen Gewinn durch alles, was stehen bleibt, wieder verlieren.“

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Der Boom kommt nicht nur den Liebhabern und kleinen Plattenläden zu Gute. Vor allem die Industrie will verdienen. Alex: „Es ist ein Blödsinn, was da jetzt hochgebauscht wird. Niemand braucht eine Dire Straits- oder Pink Floyd-Nachpressung; Platten von denen es Millionen gibt.“ Selbst der Record-Store-Day hat mittlerweile sein Ziel aus den Augen verloren und nur noch Geschäft für die Major-Labels. „Das hat sich leider umgekehrt, wie so vieles, wenn etwas entdeckt wird und zu gut geht.“ meint er.

Neben Totem-Records betreibt Alex auch das Label Cineploit. Death-Metal und das Horror/Exploitation-Kino sind ja eine unheilige Gemeinschaft, die sich durch die Faszination für Blut, Gewalt und das Extreme geschlossen hat. Cineploit vertreibt Musik, die mit einem Fuß noch immer in der Hochphase der Filmmusik steht. Es gibt in dieser Szene seit ein paar Jahren einen Boom. Es sind Leute, die diesen Sound, den sie aus ihrer Jugend kennen, wieder entdecken. Es wird mir jetzt erst bewusst, dass ich trotz meiner Abscheu für die 80er nicht leugnen kann, dass dieser Sound tiefe (und positive) Spuren in meiner Erinnerung hinterlassen hat. Die Hommage an den italienschen Komponisten Riz Ortolani klingt nach allem, was man an den Scifi-Filmen der 80er liebt. „Ich hab schon immer ein großes Faible für diese Musik gehabt, seit den 80ern, frühern 90ern sammle ich das und beschäftigt mich sehr intensiv damit. Es war nur eine Frage der Zeit, dass ich da selbst was mache.“ sagt er. Zusammen mit Alain Leonard hat er Musik aus Filmen wie Cannibal Holocaust, Zeder - Denn Tote kehren wieder oder Die Schlacht der Centurions neu interpretiert.

Die recht kurzen Öffnungszeiten von 14 bis 18 Uhr unter der Woche und 12 bis 16 Uhr am Samstag kommen daher, dass Alex auch der Besitzer vom Café Voodoo ist. Ein wunderbares kleines Lokal, gleich um die Ecke von Totem-Records in der Siebensternstraße. Er hätte es in Wahrheit gar nicht nötig, Totem Records aufzusperren, da er auch durch andere Sachen Geld verdient. Aber er macht das gern nebenbei. „Das Geschäft ist nicht mehr wie früher mein Hauptaugenmerk. Cineploit ist mein Label, ich habe ein Lokal, ich bringe Filme raus, ich habe soviel andere Aktivitäten. “

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