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So solltest du als Kellner deine Gäste behandeln

Nicht nur Beschäftigte in der Gastronomie regen sich über Gäste auf. Das geht natürlich auch umgekehrt. Unser kleiner Kellner-Knigge.

Fotos: Fredi Ferkova

Meine Kollegin Isabella hat sich mit diesem Text hier gestern ein bisschen den Frust von der Seele geschrieben. Genauer gesagt den Frust über Jahre von beschissenen Gästen, die sie besoffen volllabern, noch besoffener angraben und ihr dafür noch nicht mal ein vernünftiges Trinkgeld geben. Sie schrieb sich dabei gerade in Rage, während sie ihre Zähne mit jedem Unterpunkt mehr zusammenbiss und nach Abgabe erleichtert zu einem Häufchen Erlösung zusammensackte. Das nennt man wohl therapeutisches Schreiben. Die Reaktionen auf ihren Text waren—wie oft bei solchen Rants—wie Tag und Nacht: Ihre fellow Kellner-Kollegen bejubelten die Abrechnung, viele andere äußerten sich nicht gerade freundlich. OK, die Kollegin—die privat übrigens zu den umgänglichsten Menschen zählt, die ich je treffen durfte—hatte es vielleicht auch ein bisschen herausgefordert.

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Gestern Abend schlug dann die gesammelte VICE-Redaktion bei einem Bier zurück und schrie alles in den Raum bzw. in Richtung Isabella, was wir den Kellnern unseres Hasses jemals sagen wollten. Und auch wenn niemand von uns jemals in Isabellas „Musikbar“ war und sich dieser Text hier also nicht gegen sie persönlich richten kann, ist hier eine Anleitung aus Sicht eines Gastes, wie wir zu einem menschlichen Umgang finden können—vor und hinter der Bar.

Behandle uns wie Menschen

Das ist im Grunde normales, zivilisiertes Verhalten. Oder sollte es zumindest sein. Wir haben alle mal einen schlechten Tag, mal ein Redebedürfnis und mehr oder weniger Humor. Unsere Witze mögen manchmal schlecht sein, aber bitte vergiss nicht: Im Zweifelsfall machen wir sie, weil wir der Überzeugung sind, dass sie dich vielleicht kurz zum Lächeln bringen. Die wenigsten wollen dir persönlich etwas Böses. Wenn jemand scheiße zu dir ist, dann zuck meinetwegen mit Berechtigung aus. Aber bitte behandle den normalen Gast so, wie du auch jeden Menschen in der U-Bahn behandeln würdest: distanziert und höflich. Sei nicht so arrogant. Du siehst die Gästen als amorphe, anonyme Masse? Glaub mir, mit Kellnern geht es mir ebenso.

Versuche, fair zu sein

Es ist ein vollkommen menschliches Verhalten, sich vermeintliche Ungerechtigkeiten zu merken. Und wenn man 10 Minuten an der Bar steht und etliche Leute, die nach einem kamen vorgezogen werden, wird man grantig. Ich weiß eh, es ist viel verlangt die Übersicht zu behalten. Aber bitte versuch zumindest die Leute in der Reihenfolge zu bedienen, in der sie sich angestellt haben. Mehr erwarte ich nicht.

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Akzeptiere, dass ich betrunken bin

Du bist Dienstleister. Mein Geld zahlt dein Gehalt. So einfach ist das. Ich werde hier nicht den Satz postulieren, dass der Kunde König sei. Er ist nicht immer königlich, sondern oft genug auch ein Bauer oder einfach ein Arschloch. Und natürlich müssen auch Dienstleister nicht alles ertragen, sondern dürfen und sollen auch zurückschlagen. Aber verdammt nochmal: Grundsätzlich haben wir es hier mir einem einfachen Tauschverhältnis zu tun. Ich bezahle dich, damit du mich betrunken machst. Davon haben wir beide etwas: Ich werde betrunken, du bekommst Geld. It's the economy, stupid. Warum wirst du dann wütend, wenn exakt das eintritt, wofür ich bezahlt habe? Natürlich sind Betrunkene nervig. Aber wer nicht nüchtern mit Betrunkenen zu tun haben will, sollte halt nicht Kellner oder Türsteher werden.

Bleib selber halbwegs nüchtern

Ich weiß, es ist unfair: Alle um dich herum betrinken sich. Aber es ist dein Job. Bitte bleib, solange das Lokal voll ist, in einem Zustand, in dem du ihn noch sinnvoll erledigen kannst. Niemand hat etwas davon, wenn du zu besoffen bist um das Wechselgeld zu zählen. Und ja, sowas passiert oft genug.

Akzeptiere, dass ich manchmal kein Trinkgeld gebe

Ich gebe nicht immer Trinkgeld. Das kann verschiedene Gründe haben. Manchmal gebe ich nur bei jedem dritten Bier, dafür mehr (das Trinkgeld sollte ja eh am Ende zusammengeschmissen werden). Manchmal habe ich eben gerade kein Geld dabei, und manchmal habe ich eben auch einfach keine Lust. Und das ist mein Recht. Wir sind nicht in den USA, wo Kellner verhungern, wenn man kein vernünftiges Trinkgeld gibt. Es ist nicht meine Schuld, dass dein Chef dir nur EUR 6,5 die Stunde zahlt, weil er sich darauf hinausredet, dass du „mit Trinkgeld eh auf EUR 9-10“ kommst. Handel mehr raus, kündige, geh zum Arbeitsschutz. Aber im deutschsprachigen Raum ist Trinkgeld ein optionaler Zusatz. Ich gebe gerne Trinkgeld, aber ich muss nicht. Schau mich also nicht grantig an, wenn ich mir mein Bier mal passend rausgeben lasse.

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Behalte verdammt nochmal kein Trinkgeld ein

Wenn wir schon dabei sind: Bei EUR 3,70 automatisch und ohne Nachfrage auf vier rauszugeben ist ein No Go. Ich entscheide, wann ich Trinkgeld gebe. Nicht du.

Werde nicht grantig, wenn ich ein Leitungswasser bestelle

Auch wenn die Wirte immer klagen: Das gratis Wasser in Österreich ist eine Errungenschaft. Gerade im Nachtleben. Glaub mir: Die meisten würden sich kein Soda bestellen, sondern einfach keine nicht-alkoholische Flüssigkeit zu sich nehmen. Und wer das zwischendurch macht, dehydriert nicht und hält länger durch. Seh das verdammte Leitungswasser, das ein paar Cent kostet, als Investition, die unterm Strich den Umsatz, die Einnahmen und damit auch dein Trinkgeld erhöht.

Behalte die Ruhe, wenn wir einzeln zahlen wollen

Ich weiß eh, dass einzeln zahlen etwas sehr deutsches (oder zumindest deutschsprachiges) ist. Aber es ist deshalb hierzulande auch traditionell möglich. Ich finde es ja oft genug sehr cool, einfach in die Mitte zusammenzuschmeißen. Much entspannt, very südländisch. Aber es gibt eben x Gründe, warum es oft andersherum praktisch ist: Es sitzen viele Leute am Tisch. Es haben alle nur große Scheine. Man weiß, dass man sich in den nächsten Tage nicht mehr sieht. Und so weiter. Einzeln zahlen erhöht außerdem dein Trinkgeld. Bitte deal with it.

Behaupte nicht, dass der Letzte die Zeche zahlt

Das ist Bullshit und völlig ohne rechtliche Grundlage. Du weiß das und ich weiß es. Auch als Letzter muss ich nur das zahlen, was ich getrunken habe. Du kannst Buch führen oder im schlimmsten Fall die Polizei rufen. Aber einen Automatismus, dass der Letzte alles verbliebende begleichen muss, gibt es einfach nicht.

Also, meine lieben Kellnerfreunde: Wir wollen doch alle das selbe. Morgens zufrieden nachhause gehen. Mit ein bisschen common decency, Kulanz und Geduld geht das. Wir sind ja keine Feinde. Prost.

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