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Wer „Ficken“ sagt, muss zahlen—das erste komplett jugendfreie Interview mit SXTN

„Da denkt man sich, ja, warte erstmal ab du Spast … Ach! FUCK!“—Nura und Juju schulden uns Geld.

Heute erscheint Asozialisierungsprogramm, die erste EP des Berliner Rap-Duos SXTN. Richtig, SXTN, das sind die mit dem sehr kurzweiligen „Deine Mutter“-Eskalationsvideo. Dieses Video war der Knall, den Juju und Nura brauchten, um von Null auf Hundert auf dem Radar so ziemlich aller Rap-affinen Blogs, Radiosendungen und Magazine zu landen. Und sogar die Frankfurter Allgmeine Zeitung war fix mit im Boot—schließlich sind SXTN weiblich und machen diesen harten Rap mit Genitalien-Content. Da besteht natürlich instant Redebedarf.

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Wir hier bei Noisey haben kein Geschlecht, weshalb wir auch mit SXTN nur ungern über Geschlechterrollen in der Musik oder sonstwo reden wollten. Aber wir haben ein Gewissen und sorgen uns auch schon mal um eure minderjährigen Geschwister. Für die ist das ganze Gerappe über F*****, B*****, B***** schließlich noch nix. Wobei wir trotzdem finden, dass sie SXTN jetzt zumindest schon mal kennenlernen sollten. Und das können sie jetzt. Wir haben mit Juju und Nura geredet. Einzige Bedingung: Wer ein schlimmes Wort benutzt, muss fünf Euro in die Noisey-Kaffeekasse bezahlen. Wie viel uns die beiden jetzt schulden, erfahrt ihr am Ende der Sendung (Rooz-Voice off).

Noisey: Was habt ihr gemacht, bevor ihr mit Musik angefangen habt, um damit jetzt sauviel Kohle zu verdienen?
Juju: Ich hab’ vorher tätowiert. Aber ohne Ausbildung, die kostet irgendwie 10.000 Euro und das macht auch kein normaler Tätowierer. Du fängst einfach zu Hause an, tätowierst deine Freunde. Dann habe ich auch für eineinhalb Jahre in einem Studio gearbeitet. Aber als wir dann irgendwann zu viel zu tun hatten, musste ich das so’n bisschen aufhören. Ich mach es jetzt gerade nur noch nebenbei.
Nura: Ich habe eigentlich die ganze Zeit immer Mucke gemacht. Ich war sechs Jahre bei den Toten Crackhuren im Kofferraum, da hab’ ich getanzt und gesungen und war mit auf Tour. Nebenbei hab ich immer Barjobs gemacht und Kohle verdient mit Haaremachen. Extensions, Flechten… Ich wollte mir mal für ein Scooter-Konzert die Haare von einem Mädel machen lassen, das dann aber abgesagt hat. Da hab ich gemerkt, dass ich das auch voll gut selbst kann. Ich hab das dann über Instagram alles klargemacht, checkt mal Hairy Potter Berlin. Man kann da auch echt gut mit verdienen—300 Euro für so ne Frisur, das geht schon klar.

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Welcher Vergleich mit anderen Künstlern stört euch am meisten?
Nura: Tic Tac Toe. Ok, abgesehen davon, dass das halt drei Weiber sind, find ich auch gar nicht, dass wir so klingen. Wir haben halt ein Foto, wo wir Rastazöpfe haben, wo dann die Leute gesagt haben, hart, voll wie Tic Tac Toe. Dabei hatten zwei von denen überhaupt keine Haare aufm Kopf. Ich will gar nicht mit denen verglichen werden. Vor allem, die eine arbeitet jetzt im Zoo—wir sind nicht Tic Tac Toe.

Gute Punchline: Die arbeiten jetzt im Zoo, wir sind nicht Tic Tac Toe.
Nura: Ja, schreib das aber nicht auf, ich will die für nen neuen Song.

Ich schreib’s trotzdem auf.
Nura: Scheiße… AAH!

Ok, die ersten fünf Euro.
Nura: Das war doch ein Trick jetzt gerade, richtig eklig von dir. Aber voll cool, ich hab jetzt fünf Minuten geredet und kein Schimpfwort bis eben.

So allgemein, Frauen im Deutschrap, interessiert ihr euch überhaupt für…
Juju: Alles Fotzen… Ach! Scheiße!

Zehn Euro! Alles klar, hätten wir das. Was gehört zum Asozialisierungsprogramm?
Nura: Unter Asozialisierungsprogramm stell ich mir so vor, wie es wäre, wenn man jetzt einen Tag mit mir und Juju chillen würde, in der Oranienstraße oder so. Das ist für manche Leute schon asozial, als Mädchen auf der Straße rumzusitzen, Bier zu trinken, zu rülpsen, übers Furzen zu reden, in irgendeinen Späti zu gehen, um zu fragen, ob man da kacken darf und so. Die Leute denken sich immer noch, nee, so darf ein Mädchen gar nicht sein, vor diesem Bild müssen wir die Männer schützen. Aber so sind ja Frauen, also warum verstellt ihr euch so? Das bedeutet Asozialisierungsprogramm für mich.
Juju: Das hat dann auch noch was damit zu tun, wie viel Geld man hat. Wenn man nicht so viel Kohle hat, sind einem viele Sachen egal, die einem nicht egal sind, wenn man Kohle hat. Da gehört dann auch zu, wie man redet oder wen man hasst, ob nun Bullen oder Lehrer. Wenn immer alles cool war, und du immer Kohle von Mami und Papi bekommst, dann hat man gar nicht so viele Gründe, asozial zu sein. Aber wenn du die ganze Zeit hustlen musst, dann scheißt man automatisch auf manche Sachen…

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Danke, nochmal fünf Euro.
Juju: Was? Wieso?

„Scheißt man automatisch…“
Juju: Ach fuck, dein Ernst?

Und noch mal fünf fürs „Fuck“.
Nura: Scheiße.

Und noch ein Fünfer. „Ich bin Schwarz“ ist an den NDW-Hit „Ich will Spaß“ von Markus angelehnt. Weiß Markus, dass ihr euch bei ihm bedient habt?
Nura: Ich war extrem geschockt, als bei Facebook nicht einer geschrieben hat, ey, das ist doch von Markus. Daran merkt man, dass unsere Zielgruppe einfach mal so jung ist, dass die Markus nicht kennen. Egal, wir waren jedenfalls am Scharmützelsee (Brandenburg), um das Album fertig zu schreiben, und dort ist auch dieser Song entstanden. Das ist mein Beitrag zu dem ganzen Rassismus-Scheiß, der hier gerade abgeht. Jeder meldet sich ja gerade—zu viele Flüchtlinge, zu viel dies, zu viel das. Und anstatt, das irgendwie böse oder als Hate-Song zu machen, habe ich es lieber lustig verpackt. Mein Gedanke dahinter war auch, dass wenn wir das Ding performen, auch wirklich alle singen, „Ich bin schwarz“. Leute wurden früher zu Rittern geschlagen, live schlage ich dann alle Leute zu Schwarzen.

Welche Sorte Hater habt ihr inzwischen richtig lieb gewonnen und welche Sorte regt euch immer noch auf?
Nura: Uns regt gar keiner auf. Die verschwenden doch ihre Zeit, irgendwas unter Youtube-Videos zu schreiben. Aber wir machen uns doch nicht die Mühe und lesen uns das durch! Ich les mir meistens nur die Sachen auf Facebook durch, weil das auf unserer Seite passiert und das will ich auch hören. Alles andere geht mir total am Arsch vorbei. Aber: Hater mit Humor—wer es lustig macht, damit kriegen die mich alle. Letztens gab’s ein Foto, da war Juju links und ich rechts und da hat jemand geschrieben: „Die Linke würde ich wegbumsen und die Rechte verprügeln.“ Das hab ich sogar geretweetet. Sowas könnt ihr gerne machen. Da hab ich ne schöne Zeit.
Juju: Die einzigen, die nerven sind die, die nur ein Lied kennen und dann sagen, dass wir nichts können. Die regen einen auf, weil die auch jetzt noch nicht wissen, dass sie später mal die größten Fans werden. Da denkt man sich, ja, warte erstmal ab, du Spast… Aber, Ach, FUCK!

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Zehn Euro wären das. Lasst uns mal über Musik reden. Ging euch das Songschreiben für die EP leicht von der Hand?
Juju: Hat voll gut geklappt. Besonders als wir da am See waren. Da haben wir bestimmt allein vier Lieder fertigbekommen. Aber insgesamt kann man sagen, dass schon alle Songs wirklich geil geworden sind—alle Hitpotenzial. Wir können uns auch gar nicht entscheiden, wozu wir jetzt Videos drehen wollen, weil alle Songs cool sind.
Nura: Zu jedem Song würden wir gern ein Video drehen, aber ist halt auch extrem teuer. Und wir würden die Ideen dann ja auch gut umsetzen wollen. Es wird also demnächst erstmal keine EASYdoesit-Deine-Mutter-Produktion geben, weil wir gerade voll broke sind. Da muss erstmal wieder Geld reinkommen, bevor wir wieder so ein Video drehen. „Fotzen im Club“, unser ältester Song, den wir auch immer noch am meisten feiern—dazu werden wir dann aber was im Sommer machen. Der passt auch gut zum Sommer…

Tanzt ihr auf eure eigenen Sachen im Club?
Juju: Ja, in Hamburg, in Berlin…
Nura: Im Fitness-Studio in Hamburg lief unser Song neulich und auch schon mal auf so ner Schickimicki-Party. Bei Berlin Tag und Nacht lief „Berliner Schnauze“. Du hast es geschafft, Juju… Zu Berlin Tag und Nacht.

Habt ihr eigentlich jemanden, den ihr um musikalischen Rat fragt? Irgendeinen, der schon lange im Geschäft ist? Die Leute sind ja auch schon dabei, wild rumzumutmaßen, ob ihr demnächst zu Proletik, dem neuen Label von Frauenarzt geht.
Juju: Nee, wir haben keinen Mentor oder sowas. Vor allem keine anderen Rapper, auf keinen Fall. Aber wir können andere Rapper feiern und die feiern uns ja auch. Frauenarzt ist einfach auf uns zugekommen und wollte ein Feature machen… Nee, wir fragen eigentlich eher unsere Freunde, wie die unsere Sachen finden. Oder uns gegenseitig.

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Ich frag auch nur, weil sich das Internet bei diesen Sachen auch super schnell verselbständigt. Da spinnen dann gerade im Deutschrap Leute plötzlich ihre eigenen kleinen Verschwörungstheorien—gehen die jetzt da hin? Unterschreibt der jetzt da, weil er bei dem im Video war… Und ihr wart ja auch im Video zu „Zieh dein Shirt aus“.
Nura: Ah, die denken dann sofort, wir gehen zu Proletik… Vielleicht! Wer weiß? Dann spielen wir das Spiel doch mal kurz mit.
Juju: Ja, Frauenarzt ist unser Mentor. Genau.

Apropos andere Rapper: plant ihr, auch bald professionell ins Online Beef-Game einzusteigen?
Nura: Boah, das ist alles so extrem peinlich. Aber unterhaltsam natürlich. Die sollen ruhig alle weitermachen. Ich wollte das aber immer schon mal sagen: Wir sind ja Weiber, aber die ganzen Typen benehmen sich da sehr wie typische Weiber. Sobald du dir ein Video-Interview von egal wem anschaust, fängt er an, über jemanden zu lästern. Das ist alles, worum es geht.

Und dann noch: jeder, der irgendwie ein bisschen Kohle von diesen ganzen Rappern, wird sofort fett. Sofort, wenn die berühmt werden, sind sie fett im Game. Bei uns ist ja immerhin der Vorteil, dass wir schon fett ins Game reinkommen. Aber es läuft immer gleich, die werden berühmt mit ihrem ersten Album und dann werden sie erstmal fett. Und dann suchen sie sich jemand anderes, der ihr nächstes Album schreibt.
Juju: Und diese persönlichen Sachen, die da in Interviews gesagt werden, könnten doch genauso gut miteinander an einem Tisch besprochen werden. Wenn das alles so extremer Realtalk sein soll, dann setzt euch doch zusammen. Aber voreinander wegrennen und sich gegenseitig suchen…
Nura: Trefft euch doch einfach und nervt nicht, ey.

Müsst ihr zu oft drüber sprechen, dass ihr Frauen seid und rappt?
Juju: Ja.
Nura: Die ganze Zeit. Wir müssen immer irgendwie sagen, wie wir uns fühlen dabei und über unsere Tage reden.
Juju: Auf Tour ist manchmal hart. Wenn du Bauchschmerzen hast und so Wehwehchen. Und Klamotten. Das ist auch voll anstrengend. Woher sollen wir denn für jeden Auftritt neue Klamotten kriegen? Auf einmal muss man drauf achten, wie man auf der Bühne aussieht.

Und wenn ich mich nicht verzählt habe, schuldet ihr Noisey jetzt auch noch 40 Euro. Danke für euer Geld und danke fürs Gespräch.

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