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Was den Rock wiederbeleben wird

Gitarrenmusik ist seit Längerem am Ende. Wird Zeit, dass der Messias kommt und den Rock wieder zum Leben erweckt. Doch wer ist dieser Erretter?

Ach Rock, was ist aus dir geworden? Schauen wir uns die aktuelle Landschaft der von Gitarren getragenen Musik an, stellen wir fest, dass sie nicht gerade vor Leben strotzt. Man könnte sogar meinen, dass Gitarrenmusik aka Rock momentan ziemlich darnieder liegt, um nicht zu sagen tot ist. Das liegt zum einen am Tod des Indierock nach der letzten großen Welle im den Jahren nach 2004/05, zum anderen auch am Ende der ganz großen Rockbands, die zwar noch existieren und zugegebenermaßen auch noch immer irgendwie Stadien füllen, die aber seit Jahren jeglichen Innovationsgeist vermissen lassen und daher dem Genre eher schlecht als gut tun. (→Kings of Leon, Coldplay, The Killers)

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Weil wir große Freunde des Rock sind, die geprägt von Nirvana (→Grunge), Smashing Pumpkins, diversen Hardcore- und Punkbands der Neunziger und, ja, auch der Indiewelle nach 2004/05 (→Indie) noch immer täglich einmal zum Gott der Gitarren beten und es eben unser Stil ist, haben wir uns auf die Suche nach Faktoren gemacht, die den Gitarrenrock zu neuem Leben verhelfen können—möge er hiermit aus dem Grab emporfahren. Amen.

Punk

Punk ist im Grunde ein uraltes Genre und wenn Leute behaupten, dass ausgerechnet Punk eben nicht die Innovationskraft besitzt, dem Rock neues Leben einzuhauchen, dann ist da grundsätzlich durchaus etwas dran. Andererseits ist Punk auch ein Genre, das sich seit Mitte der 1970er auf einem konstant hohen Niveau eingependelt hat und aus dem völlig losgelöst von irgendwelchen Trends und oftmals total unerwartet immer wieder großartige Dinge entspringen. Punk ist wie Folk, nie alt und nie out. Er muss nur gut gemacht, ernst gemeint, am besten politisch und immer spaßig sein. So wie Feine Sahne Fischfilet.

Wird Punk den Rock wiederbeleben? Gegenfrage: Interessiert das den Punk auch nur im geringsten? Fuck Off!

Good Old Heroes

Unterschätze die alten Helden nicht—es kann jederzeit passieren, dass ein Genre von einem guten alten Kenner wieder zum Leben erweckt wird. Meist mangelt es zwar an Innovationskraft, viele Helden werden gemütlich, um nicht zu sagen faul, sobald sie das erste Mal eine Stadiontournee ausverkauft haben. Und die gute alte Regel besagt ja auch, dass das erste und vielleicht das zweite Album die besten der Bandgeschichte sein werden, niemals Nummer fünf oder zwölf oder 27. Aber manchmal ist es eben doch anders: David Bowies Next Day ist eins der besten Alben des Jahres und es gibt eine ganze Reihe an Bands, denen einige Jahre nach Bandgründung noch immer alles zuzutrauen ist: Foo Fighters, Beatsteaks, Interpol oder alles, wo Josh Homme oder James Murphy ihre Finger mit im Spiel haben (→Indie).

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Wird ein Good Old Hero den Rock wiederbeleben? Wohl eher nicht. Bringt einer der Großen ein überraschend bemerkenswertes Album raus, staunt die Welt einmal kurz und macht dann da weiter, wo sie aufgehört hat. Meist fehlt halt doch die Emotionalität, Wut, Kraft und Innovation, die jemand mitbringt, der neu im Geschäft ist.

Grunge

Grunge rettet nun schon seit Kurt Cobains Tod am 5. April 1994 alle zwei Jahre den Rock. Zumindest behauptet das immer wieder irgendein Musikkritiker irgendwo auf dieser Welt und macht es an einem neuen Messias des Grunge fest. Der letzte Messias hieß Ty Segall und wenn es nach den Lobeshymnen ginge, die Ty für seine Veröffentlichungen in den letzten Jahren geerntet hat, dann müsste es dem Rock so gut gehen wie nie. Wir wollen auch gar nicht ketzerisch sein, die Hymnen auf Ty haben ihre Berechtigung, aber man überschätzt ihn und vermutlich überhaupt die Stärke des Grunge, wenn man hier die Rettung des Rock vermutet.

Wird Grunge den Rock wiederbeleben? Nein. Es sei denn, Kurt Cobain steht ebenfalls von den Toten wieder auf.

Indie

Nun, hier kommen wir zum eigentlichen Problem. Vor nicht allzu langer Zeit (Anfang des Jahres) hätte ich hier geschrieben, dass Indie unwiderruflich T-O-T ist und aus diesem Bereich nie wieder irgendwas Interessantes kommen kann. Die Bands, die Anfang der Nullerjahre die Welle losgetreten haben, die irgendwann alles überschwemmt hat, was damals in der Musik stattfand, sind heute nur noch verblasste Abbilder ihrer selbst: Franz Ferdinand = nett, aber langweilig. Maximo Park = belanglos. Bloc Party = zerstritten und belanglos. Die unfassbar vielen mit der Welle aufgespülten Bands von Hard-Fi bis Adam Green, von Art Brut bis Kaiser Chiefs—alle längst vergessen oder auf Schützenfest-Dauerbeschallungstournee. Der Niedergang des Rock hängt unweigerlich mit dem Indie zusammen: Die 2004/05er Welle hatte soviel Kraft, dass sie den ganzen Rock mit sich gerissen und am Ende zerstört hat, wie ein Tsunami.

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Aber in der Zwischenzeit hat sich völlig unerwartet etwas getan, was zumindest den Indie schon mal ein Stück weit wiederbelebt hat: Die Arctic Monkeys haben sich unter dem deutlich hörbaren Einfluss von Josh Homme (→Good Old Heroes) zu erwachsenen Männern entwickelt und eins der besten Alben 2013 überhaupt veröffentlicht. Und mit Arcade Fire hat eine der 2004/05er Wellen-Auslöser, befruchtet von James Murphy (→Good Old Heroes), ebenfalls ein sehr großes Album veröffentlicht. Da tut sich was.

Wird Indie den Rock retten? Tendenziell eher nicht, aber vielleicht eben doch. Indie kann alles.

Elektro

Damals, 2005, als Indie richtig groß war (→Indie) begannen immer mehr Bands, ihre Musik mit Elementen der elektronischen Musik anzureichern. Teilweise hat das ziemlich gut geklappt, LCD Soundsystem oder The Rapture machten die beste Musik der Welt (→Heroes) und Bloc Party ließen sogar ihr komplettes Debütalbum remixen, ohne sich später allzu sehr dafür schämen zu müssen. Es entstand ein Subgenre namens Indietronic, das sich allerdings ziemlich bald nur noch durch fürchterliche Musik auszeichnete und daher bald in der verdienten Versenkung verschwand. Noch schlimmer: Elektro-Remixes von Rock-Smashern wie „Seven Nation Army“. Würg!

Besser klappt es im Allgemeinen anders herum: Rock- oder gar Blues-Elemente in elektronischer Musik. Man denke an das Debütalbum von Nicolas Jaars Nebenprojekt Darkside in diesem Jahr.

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Wird Elektro den Rock retten? Nein.

Folk

Folk—das war mal die Musik von Bob Dylan. Dann hat Dylan sich darin zu Tode gelangweilt und das einzig Richtige getan: Er hat sich eine E-Gitarre gekauft und den Rock gerettet. Heute verbindet ein Großteil der Menschen auf diesem Planeten Folk mit den sinnentleerten Phrasen von Marcus Mumford und seinen Söhnen. Bah. Mumford hat natürlich weder die Eier noch die Kraft, eine E-Gitarre spielen zu können, daher bleibt er beim Neo-Folk. Die Welle von Nachahmern macht sich bereits auf, dem Folk endgültig das Messer in die Rippen zu rammen, neuestes Beispiel: Tom Odell. Mumford & Sons, Königsmacher und am Ende auch Königsmörder des Folk.

Wird Folk den Rock retten? Bist du verrückt? Folk tötet sich erstmal selbst, wenn dann noch was vom Mumford-Virus übrig bleibt, wird es dem Rock aufs Grab pissen. Aber daraus erwächst nichts, niemals.

Irgendjemand vollkommen Neues

Rock ist Aufbegehren, Rock ist Wut, Rock ist Kraft, Trotz, Rotz, Andersartigkeit, Freiheit. Rock ist anders als das, was wir kennen—wer sollte da den Rock retten als irgendjemand, der jung ist, wütend, anders und sich an keine beschissene Regel hält? Jemand, den wir nicht kennen, am besten jemand, den wir (anfangs) nicht verstehen, jemand der aufräumt mit all der Scheiße, der keine Rücksicht nimmt und der uns alle gehörig vor den Kopf stößt. Wer das sein soll? Keine Ahnung. Beten wir trotzdem, dass er kommt.

Wird irgendjemand vollkommen Neues den Rock retten? Aber ja. Nur wann?

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