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Safer Use

Was ein legales Drug Checking wirklich bringt – und wo es seine Grenzen hat

In Österreich und der Schweiz kann man bereits seit zehn Jahren seine Drogen testen lassen. In Berlin überlegt man derzeit, erstmals in Deutschland Drogentests zu erlauben.

Header: Ein mobiles Drug Checking Setup. Alle Fotos von Streetwork/DIZ.

Kannst du bald deine Drogen legal in Deutschland testen lassen? Bundesländer wie Bayern stellen sich beim Thema Drug Checking zwar quer, aber in Berlin sieht die aktuelle Koalitionsvereinbarung zwischen SPD, LINKE und BÜNDNIS 90/ Die Grünen vor, "Maßnahmen [zu] stärken, welche die Verminderung der Begleitrisiken von Drogenkonsum ( harm reduction) zum Ziel haben." Drug Checking wird dabei explizit mit erwähnt. In Zeiten von gefährlichen Hochdosierungen, Streckungen und Verunreinigungen würde Berlin damit mit zahlreichen deutschen Nachbarländern gleichziehen. Etwa mit Österreich und der Schweiz. In Österreich ist das bei checkit! möglich. Dort werden jeden Donnerstag persönliche Beratungen angeboten und auch außerhalb der Beratungszeiten erreichst du dort jemanden per Telefon oder Mail. Auch bei diversen Festivals und Partys bauen checkit! ihre Stationen auf und testen die Drogen direkt vor

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In Zürich betreibt die städtische Jugendberatung Streetwork vor Ort das Drogeninformationszentrum DIZ. Wer hier hingeht, nimmt Drogen und sucht Informationen; Informationen darüber, was genau in den Drogen drin ist; ob nun im LSD-Filz, der Ecstasy-Pille oder dem Kokain-Beutelchen. Beim DIZ bekommt er Antworten, denn das Zentrum bietet Drug Checking an. Dafür gibt es zwar auch kein Schweizer Gesetz – aber eben zumindest kein Verbot.

Getestet werden die Proben dann nicht in Zürich, sondern beim Kantonsapothekeramt in Bern. Bis zu 40 Proben können pro Woche vom DIZ angenommen werden. Über 10.000 Menschen haben den Service bereits genutzt.

Zu den Erfolgen der Initiative gehören ein Konsumrückgang von 20 Prozent in der Zielgruppe, die Begleitung von über 100 Menschen in Therapieangebote oder Erkenntnisse, wie dass in einem Jahr 80% aller Kokain-Proben mit dem gefährlichen Entwurmungsmittel Levamisol gestreckt waren. Welche weiteren Effekte, aber auch Probleme es noch gibt, haben wir Christian Kobel, den Projektleiter des DIZ gefragt. Er sagt auch: "Wir würden unsere Erfahrungen und unser Wissen bei Bedarf sehr gerne auch der Berliner Verwaltung zukommen lassen."

Noisey: Herr Kobel, was ist die Trenddroge des aktuellen Winters? Christian Kobel: Bei unseren Drug Checking-Angeboten hat sich keine Trenddroge herauskristallisiert. Wir testen vor allem die "klassischen" Substanzen wie Kokain, Amphetamin, MDMA und LSD, die neue psychoaktiven sind in unseren Angeboten nach wie vor eine Randerscheinung. Hier gibt es aber innerhalb Europas starke Unterschiede.

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In Berlin überlegt derzeit die Regierungskoalition, Drug Checking nicht nur zu erlauben, sondern gezielt einzuführen. Welche gesellschaftlichen Vorteile bringt Drug Checking Ihren Erfahrungen nach mit sich? Für Party- und Freizeitdrogenkonsumenten ist der Kontakt bei mobilen Drug Checkings oder im Drogeninformationszentrum häufig der erste mit einem professionellen Hilfesystem. Dass wir überhaupt über diese Gruppe von Personen etwas wissen, was sie konsumieren und wie sich diese Substanzen zusammensetzen, wäre ohne Drug Checking kaum möglich. Wir können so bei Personen mit einem problematischen Konsumverhalten frühzeitig intervenieren und mit diesen Personen Lösungswege suchen.

Bei anderen können wir ganz konkret die Konsumrisiken minimieren und so zu ihrer Gesundheit beitragen. Das ist letztlich im Sinne der ganzen Gesellschaft.

Eine Ecstasy Pille wird zerbrochen, um aufbereitet zu werden.

Die Informationen werden allerdings noch weiter verwertet. Die Drug Checkings ermöglichen auch ein jährliches Substanzmonitoring, das frühzeitig Veränderungen im Konsumverhalten sichtbar macht und auch der Fachwelt – wie beispielsweise dem Infodrog des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) oder FEDPOL – Aufschluss darüber gibt, was konsumiert wird und welche Substanzen mit welchem Reinheitsgrad im Umlauf sind. Wenn gefährliche Substanzen auf dem Markt sind, können die Konsumierenden rechtzeitig gewarnt werden. Und nicht zu vergessen: In Verbindung mit den modernen Kommunikationsmitteln, ist es zudem möglich sehr rasch auch Rettungsorganisationen, Veranstalter, Fachleute im Bereich Drogen und Suchtmittel zu informieren.

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Wie hat sich das Drug Checking auf die Gesundheit der Konsumenten und auch den Konsum ausgewirkt?  Primär dient Drug Checking der Schadensminderung, also dazu, Konsumenten vor gesundheitsschädigendem Verhalten zu warnen. Grundsätzlich konnten wir feststellen, dass Zürcherinnen und Zürcher, die ihre Partydrogen bei unseren Angeboten testen lassen, in den letzten Jahren messbar risikobewusster geworden sind und jetzt mehr über die illegalen Substanzen wissen, die sie konsumieren.

"Zürcherinnen und Zürcher, die ihre Partydrogen testen lassen, sind in den letzten Jahren messbar risikobewusster geworden."

Gibt es auch negative Konsequenzen, die Sie beobachten? Die Kritik am Drug Checking lautet ja, es würde Drogen in der Gesellschaft als vermeintlich legal erscheinen lassen. Das Drug Checking umfasst eine Substanzanalyse und obligatorisch eine persönliche Beratung. Unser Angebot ist kostenlos und anonym nutzbar. Die Personen, die bei uns ihre Drogen testen lassen, sind sich bewusst, dass sie eine illegale Handlung vornehmen, wenn sie illegale Drogen nehmen. Gegen eine Verharmlosung oder einen Konsumanreiz spricht, dass größtenteils nicht die Neueinsteigenden Drug Checking benutzen, sondern meist Personen ab 1-2 Jahren Konsumerfahrung.

Welche Qualifikationen muss ich mitbringen, um ein solches Beratungsgespräch führen zu können? In der Stadt Zürich ist dafür Voraussetzung, dass unsere Mitarbeitenden eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin, zum Sozialarbeiter absolviert haben. Daneben bilden sich die Mitarbeitenden laufend zu Themen wie Gesprächsführung, selbstbestimmte Konsumreduktion – etwa das  KISS Training – und Substanztrends weiter.

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Drug Checking wird auf zwei Wegen durchgeführt: Zum einen über Zentren wie Ihres, zum anderen, wenn auch nur vereinzelt, bei Clubs und elektronische Musik-Veranstaltungen. Wie wichtig ist die Präsenz vor Ort? Direkt vor Ort können spezialisierte Angebote Personen mit risikobehafteten Konsummustern frühzeitig erreicht werden und Safer-Use-Botschaften verbreitet werden. Die Mitarbeit der Clubbetreibenden ist dabei aber essentiell.

In Zürich und Bern sollen gerade die Clubs dem Drug Checking zunächst abwehrend gegenüberstanden haben. Welche Argumente gibt es für die Läden, die Tests zu gestatten? Sie zeigen damit einen aktiven und verantwortungsvollen Umgang mit substanzkonsumierenden Gästen. Selbst wenn ein Club großen Aufwand bei der Personendurchsuchung etc. betreibt, ist es doch immer möglich, dass Personen im oder vor dem Club illegale psychoaktive Substanzen konsumieren. Es ist aus unserer Sicht sinnvoller, dem aktiv zu begegnen und Präventions- und Schadensminderungsangeboten Raum zu bieten.

Die Mitarbeit der Clubs sollte im Übrigen begrüßt und gefördert werden. Im Gegenzug, könnten Clubs, die bezüglich Prävention und Sicherheit besonders hohe Leistungen erbringen z.B. auch durch entsprechende Qualitätslabels ausgezeichnet werden. Solche Modelle bestehen in verschiedenen europäischen Städten bereits.

"Die Mitarbeit der Clubs beim Drug Checking sollte gefördert werden. Sie könnten z.B. auch durch entsprechende Qualitätslabels ausgezeichnet werden."

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Ich kann mir vorstellen, dass nicht jeder seine Drogen testen will bzw. das überhaupt für nötig hält oder Lust auf das Beratungsgespräch hat. Welche Konsumentengruppen nutzen das Angebot, welche eher nicht? Das Drug-Checking-Angebot wird von einer sehr heterogenen Gruppe genutzt. Die Frauen und Männer stammen aus praktisch allen sozialen Schichten und Berufen. Viele zeichnen sich aber durch riskante Konsummuster aus, etwa episodisch starker Konsum oder auch Binge-Konsum, ähnlich dem Binge Drinking; ein Teil ist sicher an der Schwelle zur Abhängigkeit. Und wie gesagt: Oft ist es der erste Kontakt zu einem professionellen Hilfesystem. Umso wichtiger ist deshalb, die Nutzerinnen und Nutzer mit Fachwissen, aber auch Empathie, zu informieren, zu beraten und bei Bedarf intensiv zu unterstützen. Ein Merkmal des Drug-Checkings ist – zumindest in Zürich – der hohe Männeranteil von rund 70 Prozent. Bei Frauen bestehen vermutlich größere Hemmschwellen, ein Drug-Checking-Angebot in Anspruch zu nehmen.

Gibt es denn Überlegungen bei Ihnen, wie sie diese Hemmungen bei Konsumentinnen abbauen könnten? Es gibt bereits einige Ideen, wie etwa spezielle Öffnungszeiten für Frauen oder besondere Bewerbung des Angebots in spezifischen Informationskanälen. Es braucht zuerst aber eine Überprüfung, welche Faktoren besonders zu beachten sind.

Drogentest ist nicht gleich Drogentest. Wie effektiv bzw. verlässlich sind chemische Drug-Test-Kits und chromatografische Verfahren im Vergleich? Bei solchen Test-Kits handelt es sich meistens um sogenannte Marquis-Tests. Die geben mit einer gewissen Sicherheit durch Verfärbung an, ob eine Substanz vorhanden ist oder nicht. Das Problem dabei ist, dass diese Tests keinerlei Anhaltspunkte zu weiteren möglichen Inhaltsstoffen geben und natürlich auch keine Aussage zu der enthaltenen Wirkstoffmenge gemacht werden kann.

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Die gelöste Droge wird gleich chromatografisch untersucht.

Also besser Chromatografie? Da gibt es verschiedene Methoden: Dünnschicht-Chromatografie ist eine einfachere und relative kostengünstige Form der Chromatografie. Dabei ist eine qualitative und quantitative Analyse möglich. Die Quantifizierung erfordert aber Erfahrung und ist mit Unsicherheiten verbunden. Dafür ist TLC (Thin Layer Chromatography) sehr mobil und eben günstig.

Wir benutzen bei mobilen Drug-Checkings allerdings HPLC's, also Hochleistungs-Flüssigkeits-Chromatografie. Dabei wird die aufbereitete Substanz mit Druck in eine Trennsäule gepumpt. Damit sind sehr genaue Wirkstoffmessungen möglich, außerdem werden auch Streckmittel und Verunreinigungen sichtbar und können mengenmäßig bestimmt werden. Die Geräte wurden nicht speziell für das Drug-Checking angeschafft, sondern sind unter der Woche stationär im Labor des Berner Kantonsapothekeramtes in Gebrauch. Sie wurden aber so umgebaut, dass sie leicht zu transportieren sind. Sollte sich mit dieser Methode etwas nicht bestimmen lassen, können wir die Probe im Labor noch mit anderen Methoden nachanalysieren lassen.

Um ein besseres Verständnis für die Bedeutung regelmäßiger Test bekommen: Wie unterschiedlich in Substanzgehalt und Zusammensatzung können Ihren Erfahrungen nach Ecstasy-Pillen gleicher Farbe und gleichen Designs ausfallen? Über die rote Mastercard Pille etwa finden sich zahlreiche positive Erfahrungsberichte in Drogenforum, gleichzeitig forderten Pillen dieses Typs, die PMA statt MDMA enthielten, mindestens ein Menschenleben in Großbritannien. Das ist sehr unterschiedlich und genau deshalb mit großen Risiken verbunden. Es können Dosis-Schwankungen von bis zu 50 Prozent vorkommen – bei gleichem Logo, Größe und Farbe. Daneben kommen aber auch immer wieder andere Wirkstoffe vor, wie z.B. 2C-B – ein schon in sehr niedrigen Dosierungen stark wirksames Halluzinogen. Auch die aktuell hohen MDMA-Dosen von bis zu 300mg sieht man den Pillen nicht an. Diese können insbesondere für unerfahrene Konsumierende mit niedrigem Körpergewicht zu schweren gesundheitlichen Problemen führen. Die Mastercard Pillen sind nur ein Beispiel für die Risiken beim Konsum von illegalen Substanzen. Solche Beispiele finden sich viele. So sind beispielsweise auch Rolex Pillen seit Jahren sehr häufig, auch hier gab es aber solche mit PMMA anstelle MDMA als Wirkstoff. Durch den späten Wirkungseintritt von PMMA ist die Wahrscheinlichkeit, dass wegen vermeintlich ausbleibender Wirkung nochmals konsumiert wird sehr hoch. Dadurch kann es aber zu sehr gefährlicher Überdosierung kommen.

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"Bei Ecstasy-Pillen können Dosis-Schwankungen von bis zu 50 Prozent vorkommen – bei gleichem Logo, Größe und Farbe."

Auch vor der in den meisten Fällen mit hohen Dosen PMMA versetzten Superman Pille wurde in den letzten Jahren sogar in größeren Medien gewarnt. Kommt Ihnen diese Pille dennoch unter? Ja, aber in den von uns 2015 und 2016 getesteten Superman Pillen kam weder PMMA noch PMA als Wirkstoff vor.

Sollten denn Fernsehsender, Onlineportale und Zeitungen "Pillenwarnungen" veröffentlichen, oder gibt es gezieltere Wege, die Konsumenten zu erreichen? Bei sehr akuten Warnungen, wenn etwa weißes Heroin als Kokain verkauft wurde, kann dies sinnvoll sein. Für die eher alltäglichen Warnungen sind gezieltere Wege jedoch vermutlich zielführender. Wir von der Jugendberatung Streetwork betreiben deshalb auch die Website und Facebook-Page  s aferparty.ch, auf der wir laufend aktuelle Substanzwarnungen publizieren und auch Beratungsleistungen per E-Mail anbieten. Allein die Website verzeichnete im letzten Jahr über 450.000 Besucherinnen und Besucher.

In Deutschland sind Konsumenten bislang vor allem auf diese Apps und Seiten zum Erfahrungsgewinn angewiesen. Apps sind grundsätzlich ein gutes Mittel, um gerade junge appgewohnte Menschen zu erreichen. Bei vielen ist aber der Informationsgehalt eher knapp und es wird keine Risikoeinschätzung oder Safer-Use Botschaft kommuniziert. Die Apps sollten nicht zu einer reinen "Pillenbilderschau" verkommen.

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Sie lassen aktuell Proben von LSD, MDMA/PMA/PMMA, DMT, Ketamin, Heroin, Kokain, Amphetamine und einige mehr testen. GHB allerdings nicht. Dabei ist dessen bewusster, aber oft übermäßiger Konsum gerade in Teilen der gegenwärtigen Berliner Clubszene ein Problem. Clubs wie das KitKat etwa untersagen es; wer damit an der Tür erwischt wird, wird abgewiesen. Könnten Test- und Informationsangebote Ihrer Meinung nach hier dennoch einen positiven Einfluss haben haben? Drug Checking für GHB wäre möglich, ist von der Analyse her aber aufwändiger. Es würde vermutlich aber nicht so stark in Anspruch genommen, da die meisten Personen eben von einer Reinsubstanz ausgehen. Spezielle Informations- und Safer Use Angebote wären jedoch sinnvoll, gerade auch die Arbeit durch Peer-Groups – und eine Schulung und Sensibilisierung des Clubspersonals. Denn auch wenn Clubs Personen mit GHB abweisen, wird es kaum möglich sein, den Konsum so einzuschränken. Und durch Drug-Checking könnte zumindest bei der Zielgruppe eine Vertrauensbasis geschaffen werden, mit der sich die Chance erhöht, Safer-Use-Botschaften zu anderen Substanzen wie eben GHB erfolgreich zu vermitteln.

Den GHB-Konsum selbst könnte man so aber nicht eindämmen, oder? Das Ziel von Drug-Checking ist es, die Konsumierenden zu informieren, aufzuklären und Hand zu reichen, wenn eine Person ihr Konsumverhalten verändern möchte und dabei Unterstützung braucht. So können die Konsumenten ihr Verhalten selbstbestimmt verändern, dies scheint mir wichtig, damit das veränderte Verhalten auch Bestand hat.

Vielen Dank!

Wenn du selbst Drogen konsumierst, kannst du hier aktuelle Drogenwarnungen ansehen

Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen.

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