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Was deine Bandshirt-Sammlung über dich aussagt

Du hast viel durchgemacht. Dich auf Metal-Konzerten anspucken, beim Hip Hop einrauchen und beim Indie abschmusen lassen. Deine Shirt-Sammlung ist mehr als nur eine Trophäen-Auflistung.

photo credit: Vivian Farinazzo via photopin cc

Zugegeben, leicht autobiographische Züge trägt diese Geschichte hier schon. Da ich aber glaube, wir Kids der late 80ies/ early 90ies schwimmen alle im selben Einheitsbrei, was musikalische Geschmacksentwicklung betrifft, kann man das auch gern x-beliebig auf die gesamte Generation umlegen. Allem voran: Scheiß drauf, nein, es ist nicht peinlich. Ein Robbie Williams Fanshirt zu besitzen, wenn man mit Take That und seiner späteren—glorreichen, sie war einfach glorreich!—Karriere aufgewachsen ist, ist mehr als nur ein guilty pleasure. Wie so oft gilt: Haters gonna hate. Aber damit kann ich leben.

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Nach diesem grundlegenden ersten Bekenntnis wollen wir aber ganz von vorne anfangen: Werfen wir einen Blick in den Kleiderkasten. Zuerst springt einem gleich einmal das ins Auge, was den Beginn einer ganz großen tainted love markieren soll: das heilige Marilyn Manson-Oberteil. Gut, das Wort „heilig“ ist in diesem Zusammenhang wohl genauso ironisch wie unpassend zu werten, soll aber unbedingt nur an die Großartigkeit der Sache an sich erinnern. Schwarz ist es—what else—und Brian Warners geschminktes, verzerrtes Gesicht prangt da schaurig und riesengroß vorne drauf. Wuhaha, ist das gruselig. Worüber du jetzt womöglich nicht einmal mehr mit der Wimper zuckst, hat deine Mama damals in den Wahnsinn getrieben. Es geht aber natürlich auch noch schauerlich weiter: Nachdem du erst einmal den schwarzen Nagellack für dich entdeckt hast, konnte dich auch nichts mehr von den richtig harten Konzerten abhalten. Da hieß es dann Slipknot, Children of Bodom, Ministry. Warst du vielleicht ein Draufgänger! An weniger rebellisch-abgehobenen Tagen hast du dir—sozusagen als die etwas softere Version deines musikalischen Frühausreißer-Programms—die Queens of the Stone Age reingezogen. Natürlich hast du dir da ebenfalls ein Shirt gecheckt. Immerhin ist oh so sexy Josh drauf.

Weiter gehts. Neben der Metal-Fraktion, die du einigermaßen unbeschadet gute zwei Jahre später hinter dir gelassen hast (ein paar kleinere Narben streichen wir jetzt einmal getrost), gehts jetzt mit den weiten Klamotten und den deftigen Beats los. Richtig, Hiphop ist für dich als 15-Jährig/e super. Zumindest sieht das dein ach so cooler und viel älterer Freund so. Und allein schon deshalb findest du es nicht nur cool, sondern supercool.

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Zuerst noch abgeschreckt, dann im Nebel eingelullt immer mehr überzeugt von der grasgeschwängerten und familiär-beglückenden Luft in diesen Räucherbuden wippst du fleißig den Kopf zum Rhythmus. Wie war das gleich nochmal? Was der Handel ist keine gültige Fragestellung? Da pfeifst du schon mal dezent drauf und wirfst die Hand mit den anderen in die Höhe. Modebewusst, wie du aber bist, gehst du nicht nach dem Konzert mit dem freundlichen, verstört-liebevollen Buddy neben dir raus, um auch mal einen durchzuziehen, sondern stürmst den Merch-Stand. Du willst ja immerhin dokumentieren, was du dir hier reingezogen hast und checkst dir da mal schnell Shirts von Dendemann, Blumentopf, Max Herre (vielleicht sogar eins mit Joy gemeinsam, je, was der abgesiffte Merchandise-Verkäufer hergibt bzw. du zu verhandeln bereit bist). Richtig, die deutsche Hiphop-Fraktion ist angesagt in den frühen 00er Jahren bzw. deiner musikalischen Früherziehung; den internationalen Hype wirst du erst später für dich entdecken (sorry, Kanye).

photo credit: conejoazul via photopin cc

Weiter gehts, endlich fährst du sie, die Indie-Schiene. 16-jährigen Girlies Lieder von life und love vorzusingen, ist zugegebenermaßen relativ einfach. Mehr aus der Seele singen als Chris Martin wird dir in diesen Jahren niemand, immerhin hat er es verstanden, den Weltschmerz und alle anderen Gedanken zum nicht-verstanden-werden in feine Lyrics und nicht allzu kitschige Melodien zu packen. Scheiße, nagut, kitschig sind sie schon, diese pompös-aufgeladenen Dramen, inszeniert rund um immer größer werdende Kinderchöre und anschwellende Instrumentalpassagen. Aber was sein muss, muss sein. Da darf dann schon einmal die ein-oder andere Träne am Coldplay-Konzert vergossen werden bei der Idee daran, dass irgendwo da draußen doch noch die große Liebe wartet—die verdammt nochmal einzig relevante Quest in diesem Alter. Nicht nur die großen Namen (und dazugehörigen Shirts) schnappst du dir für deine schon schön angewachsene Sammlung—Interpol, Blur, Libertines, The Verve, Stone Roses—du bist mittlerweile auch schon so weit, dich unabhängig der Einflüsse deiner coolen Freunde und/oder Liebschaften selbst mit der Musikszene, in der du gerade groovy dabei bist, auseinanderzusetzen. Deshalb hast du auch Shirts von damaligen Geheimtipps wie Death Cab for Cutie, Final Fantasy, Rogue Wave, Hot Hot Heat oder der damals wie heute großartigen Band Arcade Fire besorgt. Du hast den Durchblick.

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photo credit: myspaces via photopin cc

Mittlerweile bist du in deinen frühen 20ern angekommen. Eigentlich hast du keine deiner musikalischen Leidenschaften so ganz hinter dir gelassen, sie aber Stück für Stück um alle anderen Genres, die dir noch gefehlt haben, erweitert. Dein Bloc Party-Shirt ist ein großartiger Beweis dafür, wie Indierock mit Elektro zusammengeht. Und natürlich dafür, wie unverhohlen gut du dazu tanzen kannst, Baby. Mittlerweile hast du dir einen musikalischen Wissensfundus zusammengestückelt, der sich sehen lassen kann: Du hast Nick Cave (mit und ohne Seeds/Kylie) verstanden und trägst mit Stolz dein „Here She Goes My Beautiful World“-Shirt. Ebenso hast du dich mittlerweile bzw. erneut mit den Beatles angefreundet, und obwohl George Harrison immer als der Coolste durchgehen muss, hast du dich nach dem Megastadionkonzert für ein Soloshirt von Pauli entschieden. Auch OK. Dein Aladdin-Sane Shirt von Bowie ist nicht nur modisches Must-Have, sondern einerseits Ausdruck davon, dass sich niemand anders so sexy schminken kann wie David und du noch dazu ebenso „Oh You Pretty Things“ auswendig mitträllern kannst. Man muss fast nicht erwähnen, dass bei dir auch noch die Flaming Lips, Morrissey und Radiohead sorgfältig nebeneinander sortiert im Kasten hängen.

In den letzten Jahren hast du zusätzlich noch die Clubkultur für dich entdeckt. Eigentlich ist es in diesen Kreisen nicht so besonders hip, Bandshirts zu tragen (vornehmlich auch, weil es sich meist ja nicht einmal um Bands, sondern um Soloartists handelt). Lieber gesehen sind hier minimalistisch-stylische Tops, die am besten alles und gar nichts über dich aussagen. Das kann einerseits total angesagt wirken, als wären dir die Träger dieser Shirts am Stylefaktor gemessen immer einen Schritt voraus. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass sie genauso wenig Tau davon haben wie du, welche supersensibel arrangierten Symbole sich auf ihrem T-shirt-Print wiederfinden. Either way: scheißegal. Gut soll es aussehen.

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photo credit: rileyroxx via photopin cc

Du hast es jedenfalls trotzdem geschafft, dir zu deinen neuesten Helden der gepflegten Elektronik Shirts von James Blake, Claptone und sogar österreichischen Acts wie Naxxos oder Dorian Concept zu checken. You want it all: Und sei es auch nur, um die Sammlung zu komplettieren, weil du bei besagten Auftritten ja dann eben auch lieber auf den minimalistisch-coolen Style zurückgreifen wirst.

Strich drunter: Deine Bandshirtsammlung zeichnet in groben Schritten deine musikalische Geschmacksfindung nach. Bitte heb sie auf. Gib sie nicht weiter als Kleiderspende. Wirf sie nicht weg. Sortiere sie nicht aus, weil sie zu klein (oder du zu fett?) geworden sind. Eines Tages, wenn du alt und verschrumpelt auf der Couch sitzt, den Scotch in der Linken, Karl Marx in der Rechten und dir verzogene Platten von Leonard Cohen anhörst, wirst du dich zurückerinnern wollen, was für eine verdammt coole Socke du einst warst. Und immerhin sitzt du dann zwar dort im bequemen Ambiente, weitab von jedem Rockstartum, aber: Unter deinem Flanellpyjama prangt dann immer noch das Logo einer Band, der du nicht nur anhand eines, sondern unzählbarer Shirts gehuldigt hast: den einzigartigen und über die Jahre unumstößlichen Nine Inch Nails.

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