Das sind 10 schmerzlich unterbewertete Hardcore-Platten

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Das sind 10 schmerzlich unterbewertete Hardcore-Platten

Jeremy Bolm von Touché Amoré verrät uns seine übersehenen Lieblingsplatten, von Blacklisted bis Most Precious Blood.

Auf dem 2013er-Album Is Survived By von Touché Amoré findet sich eine Textzeile, die sofort heraussticht; eine von Jeremy Bolm geschriene Explosion, gleich im ersten Track: „It's hard to write content." Es soll aussagen, dass es schwer ist, kreativ zu sein, wenn das Leben gut läuft. Gute Kunst entsteht durch Chaos und Aufruhr. Tja, das Leben lief seit der Veröffentlichung des Albums nicht sonderlich gut für Bolm. 2014 starb seine Mutter an Krebs und den Rest des Jahres verbrachte er damit, ihr Haus auszuräumen, ihren Besitz zu durchforsten und Erinnerungen aufleben zu lassen. Für das neue Album der Band, Stage Four, mangelte es Bolm also nicht an negativen Lebenserfahrungen, über die er schreiben konnte.

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Stage Four ist ein tolles Album, das von Fans und Kritikern bereits abgefeiert wird, und wenn es Gerechtigkeit auf dieser Welt gibt, dann wird es als eine der intimsten Hardcore-Platten, die je geschrieben wurden, in die Geschichte eingehen. Doch Bolm, früher Mitarbeiter eines Plattenladen und Vinyl-Nerd, hat eine Schwäche für die Platten, die mit der Zeit vergessen wurden. Es gibt in diesem Genre schließlich mehr als die Verkaufsschlager wie Jane Doe und Start Today.

Im Zuge der Veröffentlichung von Stage Four haben wir Bolm gebeten, uns eine Liste an Hardcore-Alben zusammenzustellen, die oft übersehen werden. Hier kommen also die zehn liebsten unterbewerteten Hardcore-Alben des Sängers.

Blacklisted—No One Deserves to Be Here More Than Me (Deathwish)

Das ist die Platte, die mich mit der Welt von Produzent Will Yip vertraut machte. Ich erinnere mich, dass ich vom Sound und der Richtung, die die Band eingeschlagen hatte, total umgehauen wurde. Die meisten scheinen Heavier Than Heaven als Lieblingsalbum von ihnen zu bevorzugen, was nicht verwerflich ist, für mich ist es jedoch dieses Album. Es ist mutig, düster, ehrlich, traurig und wütend. Ich finde, Blacklisted wurden immer besser und interessanter. Ich respektiere Punk- und Hardcore-Bands, die ihre Formel gefunden haben und wissen, was funktioniert, aber am meisten imponieren mir Bands, die ihr Publikum herausfordern wollen und Risiken eingehen. Ich liebe Blacklisted. Außerdem haben sie im Prinzip das Hauptriff aus Nirvanas „I Hate Myself and I Want to Die" genommen und einen meiner Lieblingssongs dieses Genres geschrieben, „Everything in My Life Is for Sale".

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Breathe In—From This Day On (Bridge Nine)

Vielleicht die am wenigsten beachtete und am meisten in Vergessenheit geratene Band auf Bridge Nine. Der Sound von Breathe In ist eine Art Mischung aus Fat-Wreck-Punk und Hardcore-Punk im Stile von American Nightmare/Carry On. Es ist ebenso rotzig wie melodisch. Ich erinnere mich, dass ich sie mir kaufte, weil das Cover sich anfühlte, als hätten American Nightmare es weitergereicht. Ich würde es nicht als eines meines Lieblingsalben bezeichnen, aber es geht um unterbewertete Alben und ich habe bislang noch niemanden getroffen, der diese Band auch toll findet. Die Songs auf ihrer Split mit Time in Malta sind besser als alles andere von ihnen. Die werde ich auflisten, sollte ich irgendwann mal gebeten werden, eine Liste mit Lieblingssplits zusammenzustellen.

Deadguy—Fixation on a Co-Worker (Victory)

Eine Band und eine Platte, die ihrer Zeit weit voraus waren, mit einer Produktion, die zeitlos ist. Tim Singer hat vielleicht eine der angpisstesten Stimmen in der Welt aggressiver Musik (siehe auch: Kiss It Goodbye). Wenn du auf Bands wie Botch und Breather Resist stehst, aber nie Deadguy gehört hast, dann machst du einiges falsch. Die Platte erschien in der Hochphase des Labels auf Victory Records (Snapcase, Bloodlet, Strife etc.).

Majority Rule—Interviews with David Frost (Magic Bullet)

Ich habe Majority Rule einmal im Chain Reaction vor Bury Your Dead gesehen. Ich weiß nicht, wer ihnen dieses schwere Los zugeteilt hatte. Wahrscheinlich eine grausame Form eines doppelten Bookings. Ich erinnere mich, dass die Show sehr gut besucht war, aber als Majority Rule spielten, war es im Prinzip leer. Das Publikum hing lieber draußen auf dem Parkplatz ab, anstatt diesem aggressiven Trio bei dem zuzusehen, was sie am besten können. Wenn die Trottel draußen doch nur gewusst hätten, dass sie eine Band verpassen, die 20 Mal härter ist als Bury Your Dead. Diese Platte zerstört dich vom ersten Moment an.

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Minus—Jesus Christ Bobby (Victory)

Ich erinnere mich, dass ich von dieser Platte eine Promo von Victory bekam, zusammen mit einem Stapel anderer damaliger Veröffentlichungen wie Ringworm und Darkest Hour, und dass mich das Albumcover in seinen Bann zog. Es war unheimlich und ominös. Minus kommen aus Island und dieses Album erschien zunächst auf Smekkleysa, einem Label, das einem Mitglied der Sugarcubes gehört. Jesus Christ Bobby ist etwas für Leute, die Converge und Coalesce mögen—auf genau die richtige Art extrem roh und aggressiv.

Most Precious Blood—Nothing in Vain (Trustkill)

Diese Platte erschien, als Trustkill das angesagte Label war und Bands wie Poison the Well, Eighteen Visions und Walls of Jericho hervorbrachte. Ich arbeitete zu dieser Zeit in einem Plattenladen und erinnere mich, dass ich eine Promo davon bekam und das Cover so auffällig und düster war. Der Bruder eines Kollegen war kurz zuvor gestorben und er war von dem Artwork wirklich bestürzt. Die Aufnahme ist sehr dünn und grell, aber sie passt perfekt zur Verzweiflung und Intensität, die im Text und in der Performance zu finden sind. Der Moshpart/Singalong am Ende von „The Lantern" ist ein wirkliches Highlight.

Reversal of Man—This Is Medicine (Ebullition)

Wenn du ein Fan des „Screamo"-Genres bist, dann bist du wahrscheinlich mit Reversal of Man vertraut. Sie haben eine Split mit CombatWoundedVeteran aufgenommen, mit denen sie auch Mitglieder teilten. Ihr Material hatte allesamt so einen rohen Sinn für Dringlichkeit, der sie von vielen ihrer Zeitgenossen abhob. Sie sind vielleicht am bekanntesten für ihren Song „Get the Kid With the Sideburn", der die Geschichte erzählt, wie jemand bei einer Show von Earth Crisis angesprungen wird, und über die Musik von Earth Crisis' „Firestorm" gesungen wurde. Ich weiß noch, dass ich deswegen ziemlich hin und her gerissen war, da ich Earth Crisis liebte (und immer noch liebe), aber wirklich Gefallen an dieser Band/an diesem Genre fand. This Is Medicine erschien 2000 über Ebullition Records, die für ihre Geschäfts- und Vertriebspraktiken sehr angesehen sind. Dieses Zeug ist der Hammer.

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Sex Positions—S/T (Deathwish)

Bei der Blacklisted-Platte habe ich Bands erwähnt, die Risiken eingehen. Sex Positions haben sich  nach der Auflösung ihrer vorherigen Band The Dedication gegründet (die eine fantastische 7" mit dem Titel Youth Murder Anthems auf Deathwish veröffentlicht haben) und ihren Sound auf ein neues Level gehoben und elektronische Aspekte mit einbezogen. Ich habe sie nie live gesehen, weil sie nie viel getourt sind. Es kursieren tolle Geschichten über ihre dysfunktionale Natur, wozu auch gehört, dass es gleichzeitig zwei unterschiedliche Versionen der Band geben soll, die Shows mit unterschiedlichen Line-ups spielen.

Silent Majority—Life of a Spectator (Exit)

Silent Majority aus Long Island haben mit ihrem Einfluss auf kommerziell erfolgreiche Bands wie The Movielife und Glassjaw eine gewichtige Rolle gespielt, sowohl was den Gesangsstil als auch die Musik angeht. Besonders die frühen Glassjaw waren durch die Band beeinflusst, was Sinn ergibt, da Daryl Palumbo kurz bei Silent Majority gespielt hat. Selbst die Band Polar Bear Club hat ihren Namen von dieser Platte. Inhaltlich ist es ebenso witzig wie ehrlich. Sehr brutal ehrliche Songs über alles, von Liebe bis zu häuslicher Gewalt.

Vision of Disorder—Imprint (Roadrunner)

Vision of Disorder war die erste Hardcore-Band, die ich als Kind entdeckte. Ich war in der Mittelstufe ein riesiger Metalhead. Ich habe ihre selbstbetitelte Platte geliebt und als die hier erschien, hat sie mich umgehauen. Die Tatsache, dass bei dieser Hardcore-Band Phil Anselmo als Gastsänger dabei ist, ist ebenfalls verrückt. Das Album scheint übersehen worden zu sein. Die meisten Leute erwähnen nur die S/T oder die Still EP, wenn sie über VOD reden. Das hier steht auf meiner Vinyl-Suchliste ganz oben, also wenn du sie siehst… Lass es mich wissen!

Alle Fotos von Mitchell Wojcik